BAG Beschluss v. - 9 AZN 1232/10

Nichtzulassungsbeschwerde - Darlegung der Entscheidungserheblichkeit

Leitsatz

1. Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG obliegt es dem Beschwerdeführer, die Entscheidungserheblichkeit der von ihm aufgezeigten Rechtsfragen mit grundsätzlicher Bedeutung darzulegen.

2. Dazu genügt es nicht, losgelöst vom Einzelfall das Bedürfnis nach einer Grundsatzentscheidung zu begründen. Es muss vielmehr dargelegt werden, dass das anzufechtende Berufungsurteil auf einer fehlerhaften Beantwortung der aufgezeigten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beruht.

3. Kommt eine Entscheidungserheblichkeit nur für einen Teil der prozessualen Ansprüche in Betracht, so sind diese hinreichend bestimmt zu bezeichnen.

Gesetze: § 72 Abs 2 Nr 1 ArbGG, § 72a Abs 3 S 2 Nr 1 ArbGG

Instanzenzug: ArbG Aachen Az: 4 Ca 5694/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 4 Sa 584/10 Urteil

Gründe

1A. Die Parteien streiten, soweit für das Beschwerdeverfahren maßgeblich, darüber, ob der Klägerin aus dem Jahr 2008 noch 21 Werktage und aus dem Jahr 2009 noch 12 Werktage Urlaub zustehen.

2Die Klägerin war während des gesamten Jahres 2008 bis Mitte Juli 2009 arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem nach Aussteuerung in der gesetzlichen Krankenkasse bezog sie bis Mitte Juli 2009 Arbeitslosengeld. Danach nahm sie ihre Arbeit wieder auf.

3Sie hat verlangt, die Beklagte zu verurteilen, 24 Urlaubstage aus dem Jahr 2008 sowie 18 Urlaubstage aus dem Jahr 2009 auf das Jahr 2010 zu übertragen und ihr zu gewähren.

4Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Klägerin aus dem Jahr 2008 noch 21 Werktage und aus dem Jahr 2009 noch 12 Werktage Urlaub zustehen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, die sie auf die grundsätzliche Bedeutung von Rechtsfragen stützt.

5B. Die Beschwerde ist nach § 72a Abs. 5 Satz 3 ArbGG als unzulässig zu verwerfen. Sie ist nicht in der gesetzlich geforderten Form begründet worden.

6I. Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat, obwohl dessen Urteil eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Das setzt voraus, dass die Klärung der Rechtsfrage entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt ( - zu II 2 der Gründe, BAGE 95, 372). Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (Senat - 9 AZN 792/06 - Rn. 5, BAGE 121, 52). Sie muss klärungsfähig und klärungsbedürftig sein. Außerdem sind in der Beschwerdebegründung die weiteren Voraussetzungen darzulegen, insbesondere die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage.

7II. Diese Voraussetzungen sind nicht dargelegt.

1. Die Beschwerde stellt die Fragen,

92. Die Beschwerde legt entgegen § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG die Entscheidungserheblichkeit dieser Fragen für den konkreten Fall nicht dar. Stattdessen führt sie aus, „beide Rechtsfragen bedürfen jedoch dringend einer höchstrichterlichen Entscheidung, damit für diese häufig anzutreffende Rechtskonstellation Rechtssicherheit eintritt“. Das genügt nicht. Sie hätte darlegen müssen, dass das Berufungsurteil auf der falschen Beantwortung zumindest einer dieser Fragen beruht (vgl. Senat - 9 AZN 982/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 113, 321).

10a) Hinsichtlich der ersten, zum Verfall eines Urlaubsanspruchs gestellten Frage bedarf die Entscheidungserheblichkeit schon deshalb einer Darlegung, weil schon der erste Blick in das Berufungsurteil zeigt, dass das Landesarbeitsgericht den Verfall gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 und 2 BUrlG angenommen hat (S. 6 f., zu III der Entscheidungsgründe). Die Frage des Verfalls ist für das von der Beklagten verfolgte Prozessziel der vollständigen Klageabweisung offensichtlich unerheblich.

11b) Hinsichtlich der zweiten, zum Schicksal des Urlaubsanspruchs während der Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld gestellten Frage geht die Beschwerde ebenso wenig auf die Entscheidungserheblichkeit ein. Dazu hätte aber schon deshalb Anlass bestanden, weil die Beschwerde selbst angibt, die Klägerin habe in den Urlaubsjahren 2008 und 2009 nur „von Mitte August 2008 bis zum “ Arbeitslosengeld bezogen. Die von der Beschwerde gestellte Frage kann somit offensichtlich nur für einen Teil des geltend gemachten Urlaubsanspruchs erheblich sein. Die Beschwerde hat versäumt darzulegen, wie sich der nur zeitweise Bezug des Arbeitslosengelds auf die Dauer der Urlaubsansprüche auswirkt. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, die mögliche Entscheidungserheblichkeit für einen Teil des Streitgegenstands zu ermitteln und den Umfang des Urlaubsanspruchs zu bestimmen, der für eine Teilzulassung in Betracht käme. Das obliegt nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG dem Beschwerdeführer. Nur soweit die Entscheidungserheblichkeit offensichtlich ist, kann das Beschwerdegericht von der Anforderung absehen, dass der Beschwerdeführer darlegt, die anzufechtende Entscheidung beruhe im Einzelfall auf der fehlerhaften Beantwortung der aufgezeigten Rechtsfragen. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.

C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

Fundstelle(n):
NJW 2011 S. 2155 Nr. 29
NJW 2011 S. 8 Nr. 26
AAAAD-83789