Bestimmung eines zuständigen Gerichts für Klage gegen mehrere Personen als Streitgenossen bei bereits erhobenen Klagen vor verschiedenen Gerichten
Leitsatz
Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts für eine Klage gegen mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben und als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen, ist nicht mehr möglich, wenn der Antragsteller gegen die Beklagten bereits vor verschiedenen Gerichten Klage erhoben hat .
Gesetze: § 36 Abs 1 Nr 3 ZPO
Gründe
1I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner unter anderem aus einer Garantievereinbarung in Anspruch und begehrt die Übertragung von Aktien sowie die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet seien, die Klägerin von Rückforderungsansprüchen freizustellen. Die Klägerin macht die Ansprüche gegen den Antragsgegner zu 1. vor dem Landgericht Detmold und gegen den Antragsgegner zu 2. vor dem Landgericht Meiningen geltend. Die Antragsgegner haben ihren Wohnsitz im Bezirk des jeweils angerufenen Landgerichts. Die Klageschriften sind im Dezember 2009 eingereicht worden, wobei die Klageschrift bei dem Landgericht Detmold früher eingegangen ist. Die Klageschriften sind zugestellt worden, die Antragsgegner haben jeweils erwidert. Vor dem Landgericht Detmold ist bereits mündlich verhandelt worden. Am hat die Klägerin beantragt, das Landgericht Detmold, hilfsweise das Landgericht Meiningen als für beide Klagen gemeinsam zuständiges Gericht zu bestimmen. Die Beklagten sind diesem Antrag entgegengetreten. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
2II. Die Vorlage ist zulässig.
31. Das vorlegende Oberlandesgericht Hamm ist zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 2 ZPO und damit zur Vorlage nach § 36 Abs. 3 ZPO berufen. Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht für die Landgerichte Detmold und Meiningen ist der Bundesgerichtshof, das zuerst mit der Sache befasste Landgericht Detmold gehört zum Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm.
42. Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, das mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Diese Voraussetzungen liegen vor. Das vorlegende Oberlandesgericht hält die Bestimmung eines gemeinschaftlich zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für ausgeschlossen, wenn mehrere Beklagte nicht von vornherein als Streitgenossen, sondern zunächst getrennt bei den jeweils zuständigen Gerichten verklagt werden. Die Rechtshängigkeit der Einzelklagen bewirke, dass die Zuständigkeit der angerufenen Gerichte gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO bestehen bleibe und auch in einem Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht mehr geändert werden dürfe. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main durch Beschluss vom einem Antrag auf Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts entsprochen, obwohl die Antragsgegner mit rechtshängigen Klagen bei verschiedenen und jeweils zuständigen Gerichten in Anspruch genommen worden waren (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom - 21 AR 11/06, juris).
5III. Der Antrag auf Bestimmung eines für beide Klagen zuständigen Gerichts ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor, weil die Klägerin bereits gegen beide Beklagten an deren allgemeinem Gerichtsstand Klage erhoben hat.
6Die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Vorschrift ("verklagt werden sollen") allerdings auch dann in Betracht, wenn gegen alle Beklagten bereits eine Klage anhängig ist.
7Entscheidend dafür ist, dass die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht und dass es im Interesse der Parteien liegen kann, bei einer von vornherein gegen mehrere Beklagte (mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen) gerichteten Klage auch noch nach Klageerhebung ein für alle Beklagten zuständiges Gericht zu bestimmen, um die Entscheidung des Rechtsstreits durch ein einziges Gericht herbeizuführen (, NJW 1798, 321). Der Bundesgerichtshof hat die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstandes im Interesse der Prozessökonomie deshalb für zulässig erachtet, wenn der Antragsteller bereits mehrere Beklagte vor einem Gericht verklagt hat und einzelne davon die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend gemacht haben (, NJW 1980, 188, 189; Beschluss vom - I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331, 332 f.; Beschluss vom - X ARZ 41/06, NJW-RR 2006, 1289 Rn. 3).
82. Im Streitfall besteht keine vergleichbare Ausgangslage. Die Klägerin hat die Klage nicht von vornherein gegen beide Beklagte gerichtet, sondern diese in getrennten Prozessen vor unterschiedlichen Gerichten verklagt. Sie hat damit gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Beklagten als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen. An dieser Entscheidung muss sie sich festhalten lassen. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bildet keine ausreichende Grundlage, über den Anwendungsbereich § 147 ZPO hinaus zwei anhängige Verfahren auch dann miteinander zu verbinden, wenn diese bei unterschiedlichen Gerichten anhängig sind. Ein Kläger, der mehrere Personen wegen eines gleichgelagerten Sachverhalts in Anspruch nimmt, hat es vor Klageerhebung in der Hand, ob er diese gemeinsam oder in getrennten Prozessen verklagt. Entscheidet er sich für eine dieser Möglichkeiten, ist es auch unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie nicht geboten, den Rechtsstreit nachträglich an ein anderes Gericht zu verlagern.
93. Der Bundesgerichtshof hat eine Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch in einem Fall vorgenommen, in dem ein gegen mehrere Antragsgegner eingeleitetes Mahnverfahren nach Widerspruch zunächst an verschiedene Gerichte abgegeben worden war (, NJW 1978, 1982). Auch daraus ergibt sich für den Streitfall keine andere Beurteilung.
10In dem jener Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte der Antragsteller beide Beklagten gemeinsam im Wege des Mahnverfahrens in Anspruch genommen. Nach der damals geltenden Fassung von § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO musste im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides als für das Streitverfahren zuständig zwingend das Gericht angegeben werden, bei dem der Antragsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Der Antragsteller konnte damit nicht verhindern, dass es zu einer vorübergehenden Trennung der Verfahren kommt, wenn er sich zur Geltendmachung seiner Rechte im Mahnverfahren entschloss und mehr als ein Antragsgegner Widerspruch einlegte. Der Bundesgerichtshof hat dies als vom Gesetz nicht gewollte Benachteiligung angesehen und deshalb die nachträgliche Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands zugelassen.
11Im Streitfall hat die Klägerin ihre Ansprüche nicht im Wege des Mahnverfahrens geltend gemacht, sondern von vornherein den Klageweg beschritten. Auf diesem Weg stand es ihr frei, beide Beklagten von vornherein gemeinsam in Anspruch zu nehmen. Wenn sie sich stattdessen für eine getrennte Inanspruchnahme entschieden hat, kann dies nicht über § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO revidiert werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2011 S. 898 Nr. 15
DB 2011 S. 8 Nr. 13
NJW 2011 S. 8 Nr. 15
NJW-RR 2011 S. 929 Nr. 13
ZIP 2011 S. 1488 Nr. 31
RAAAD-79551