BGH Urteil v. - VII ZR 185/07

Vorwirkung demnächst erfolgender Zustellung: Berechnung der 14-tägigen Verzögerung der Klagezustellung

Leitsatz

Die Zustellung einer Klage ist jedenfalls dann noch demnächst erfolgt, wenn die durch den Kläger zu vertretende Verzögerung der Zustellung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet. Bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert (Bestätigung von , BauR 2000, 1225 = ZfBR 2000, 466) .

Gesetze: § 167 ZPO

Instanzenzug: Az: 27 U 89/06 Urteilvorgehend Az: 10a O 483/05

Tatbestand

1Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung vermeintlich zu Unrecht erhaltener Zahlungen aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft und begehrt ferner die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Inanspruchnahme der Bürgschaft entstanden sei. Im Revisionsverfahren streiten die Parteien nur darüber, ob etwaige Forderungen verjährt sind.

2Die Klageschrift ist am beim Landgericht eingegangen. Am Montag, dem , ist der Klägerin die Gerichtskostenanforderung zugegangen. Die italienische Muttergesellschaft der Klägerin zahlte die Gerichtskosten mit Überweisungsauftrag vom an die Deutsche Bank in Neapel, wobei als Valutadatum der angegeben wurde. Der angeforderte Betrag ist am bei der Justizkasse eingegangen. Die Klageschrift ist am zugestellt worden.

3Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Gründe

4Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5Das Berufungsgericht hat die geltend gemachten Ansprüche für verjährt erachtet. Die reguläre Verjährungsfrist habe gemäß § 195 BGB drei Jahre betragen und sei gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB bis zum gelaufen. Durch die Zustellung der Klageschrift am habe deshalb der Lauf der Verjährungsfrist nicht mehr gehemmt werden können. Auf eine bereits mit Eingang der Klageschrift am eingetretene Hemmung der Verjährung gemäß § 204 BGB könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen, da die Zustellung der Klageschrift nicht demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt sei. Denn eine Klage sei dann nicht mehr als demnächst zugestellt zu betrachten, wenn ein Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges, auch nur leicht fahrlässiges Verhalten zu einer nicht nur ganz geringfügigen Verlängerung der Zeitspanne zwischen Einreichung und Zustellung der Klage beigetragen habe. Als geringfügig in diesem Sinne werde im Regelfall eine Zeitspanne von höchstens 14 Tagen angesehen. Für den hier vorliegenden Fall, dass die Zustellungsverzögerung darauf beruhe, dass der Gerichtskostenvorschuss noch einzuzahlen sei, bedeute dies, dass eine geringfügige Zustellungsverzögerung nur dann angenommen werden könne, wenn zwischen dem Zugang der gerichtlichen Anforderung und dem Zahlungseingang ein Zeitraum von nicht mehr als 14 Tagen liege. Es habe nach Zugang der gerichtlichen Kostenanforderung allein der Klägerin oblegen, dafür Sorge zu tragen, dass die Zahlung innerhalb von 14 Tagen bei der Justizkasse eingehe. Das ihr zuzurechnende Verhalten der Muttergesellschaft in Neapel sei als nachlässig zumindest im Sinne von leichter Fahrlässigkeit anzusehen. Denn die Anweisung zur Überweisung sei erst zehn Tage nach Zugang der Kostenanforderung erfolgt. Nach einer so langen Zeit des Zuwartens sei es fahrlässig darauf zu vertrauen, dass der Betrag bis zum (= Montag) bei der Justizkasse in Berlin eingehen werde. Insgesamt könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin alles ihr Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung der Klage getan habe.

II.

6Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

7Die Zustellung der am beim Landgericht eingegangenen Klageschrift ist am noch demnächst im Sinne von § 167 ZPO erfolgt; damit trat die Hemmung der Verjährung etwaiger Ansprüche der Klägerin nach § 204 BGB bereits mit Eingang der Klageschrift am ein.

81. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Zustellung einer Klage jedenfalls dann noch demnächst erfolgt, wenn die durch den Kläger zu vertretende Verzögerung der Zustellung den Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet (vgl. , BauR 2000, 1225 = ZfBR 2000, 466; vom - VII ZR 24/98, BauR 1999, 1216 = ZfBR 1999, 322; vom - V ZR 246/94, NJW 1996, 1060; vom - XII ZR 177/92, NJW 1994, 1073; vom - III ZR 210/69, NJW 1972, 1948). Bei der Berechnung der Zeitdauer der Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert (, aaO; vom - VII ZR 181/69, NJW 1971, 891; OLG München, WM 2009, 2176).

92. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nach diesen Grundsätzen nicht insgesamt auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse an. Die Klägerin hat hiervon allenfalls eine Verzögerung von nicht mehr als 14 Tagen zu vertreten. Es kann dahinstehen, innerhalb welcher Zeit die Klägerin die Überweisung nach Anforderung des Gerichtskostenvorschusses veranlassen musste, ohne nachlässig zu handeln. Selbst wenn man, was eher fern liegt, fordert, dass die Überweisung bereits am , also einen Tag nach Anforderung des Gerichtskostenvorschusses, hätte veranlasst werden müssen und man darüber hinaus annehmen wollte, dass die Klägerin einen Eingang des Vorschusses binnen eines Bankarbeitstages hätte sicherstellen müssen, wäre der Vorschuss erst am bei der Gerichtskasse eingegangen. Tatsächlich ist er am , mithin nur 14 Tage später eingegangen. Selbst wenn man unterstellt, dass diese 14 Tage in vollem Umfang auf eine Nachlässigkeit der Klägerin beruhten, wäre die Zustellung nach den oben genannten Grundsätzen noch demnächst erfolgt.

III.

10Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Das Urteil des Berufungsgerichts war demnach aufzuheben und die Sache zur Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Kniffka                                Bauner                               Safari Chabestari

                 Halfmeier                               Leupertz

Fundstelle(n):
BB 2011 S. 705 Nr. 12
NJW 2011 S. 1227 Nr. 17
EAAAD-73323