BGH Beschluss v. - V ZB 216/10

Rechtsanwaltsgebühr: Beweislast für die Unbilligkeit der Gebührenbestimmung bei Erstattungspflicht eines Dritten

Gesetze: § 14 Abs 1 S 1 RVG, § 14 Abs 1 S 4 RVG, § 103 ZPO, §§ 103ff ZPO

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 2-29 T 119/10 Beschlussvorgehend AG Frankfurt Az: 934 XIV 1761/09 Beschluss

Gründe

I.

1Die Haftanordnung des Amtsgerichts zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen hat das Landgericht für rechtswidrig erklärt. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen hat es der beteiligten Behörde auferlegt.

2Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom beantragte der Betroffene die Festsetzung folgender Kosten gegen die beteiligte Behörde:

3Dem ist die beteiligte Behörde nicht entgegengetreten.

4Das Amtsgericht hat einen Betrag von 815,15 € nebst Zinsen festgesetzt. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er die vollständige Durchsetzung seines Kostenfestsetzungsantrags.

II.

5Nach Ansicht des Beschwerdegerichts entstehen für die anwaltliche Vertretung in Freiheitsentziehungssachen Rahmengebühren von 30 € bis 400 €. Die Höhe der Gebühr bestimme der Rechtsanwalt nach billigem Ermessen. Sei die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, sei die Bestimmung dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig sei. In Fällen, die nach Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit durchschnittlich gelagert seien, sei grundsätzlich die Mittelgebühr anzusetzen. Besondere Umstände, die ein Abweichen von der Mittelgebühr rechtfertigten, lägen nicht vor. Den Besonderheiten des Freiheitsentziehungsverfahrens, das erhöhte Anforderungen an den Rechtsanwalt stelle, habe der Gesetzgeber bereits bei der Bemessung des Gebührenrahmens Rechnung getragen. Weitere gebührenerhöhende Umstände habe die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen nicht vorgetragen.

III.

6Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die nach § 85 FamFG, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.

71. Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass der Rechtsanwalt bei der Vertretung eines Betroffenen in Freiheitsentziehungssachen in jeder Instanz eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr von 30 - 400 € erhält (Nr. 6300 und 6301 VV RVG) und dass der Rechtsanwalt die Höhe der jeweiligen Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens nach billigem Ermessen bestimmt (§ 14 Abs. 1 RVG).

82. Nicht beachtet hat das Beschwerdegericht jedoch, dass die Beurteilung, ob die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung billig oder unbillig ist, davon abhängt, ob er die Gebühr von dem Auftraggeber oder von einem erstattungspflichtigen Dritten verlangt.

9a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Die Vorschrift gilt lediglich für das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten; dass die Bestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Rechtsanwalt darzulegen und im Streitfall zu beweisen (AG München, ZfS 1992, 310 zu der gleichlautenden Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO; Bischof/Jungbauer, RVG, 2. Aufl., § 14 Rn. 119; Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 19. Aufl., § 14 Rn. 8; Goebel/Gottwald/Onderka, RVG, § 14 Rn. 39; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 14 Rn. 83).

10b) In § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG heißt es, dass dann, wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich ist, wenn sie unbillig ist. Im Unterschied zu der in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG enthaltenen Regelung ist hier die Billigkeit der Bestimmung kein anspruchsbegründendes Merkmal des anwaltlichen Gebührenanspruchs, sondern die Unbilligkeit ist eine Einwendung des Dritten im Rahmen des Erstattungsverfahrens (Goebel/Gottwald/Onderka, RVG, § 14 Rn. 42). Deshalb trägt nicht der Rechtsanwalt, sondern der Dritte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es an der Billigkeit fehlt (AG München, ZfS 1992, 310 zu der gleichlautenden Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO; AnwK-RVG/Rick, 4. Aufl., § 14 Rn. 80; Bischof/Jungbauer, RVG, 2. Aufl., § 114 Rn. 122; Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 19. Aufl., § 14 Rn. 7; Goebel/Gottwald/Onderka, RVG, § 14 Rn. 42; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 14 Rn. 84).

11c) Das Landgericht hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen der beteiligten Behörde auferlegt. Sie ist deshalb Dritte im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG (siehe nur Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 19. Aufl., § 14 Rn. 7). Nach dieser Vorschrift beurteilt es sich demnach, ob die von der Verfahrensbevollmächtigen des Betroffenen getroffene Bestimmung unbillig ist. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung jedoch auf die zu § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG entwickelten Grundsätze (siehe vorstehend unter a) gestützt, denn es hat die Festsetzung der geltend gemachten Höchstgebühr mit der Begründung abgelehnt, dass die Verfahrensbevollmächtigte keine weiteren gebührenerhöhenden Umstände als die von ihm gewürdigten vorgetragen hat. Das ist fehlerhaft. Die Beteiligte zu 2 ist der Höhe der geltend gemachten Gebühren nicht entgegengetreten. Die von der Verfahrensbevollmächtigten getroffene Bestimmung kann deshalb nicht von dem Gericht als unbillig bezeichnet werden.

123. Da die angefochtene Entscheidung somit keinen Bestand hat, ist sie aufzuheben; der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht erforderlich sind (§ 85 FamFG i.V.m. § 577 Abs. 5 ZPO). Dies führt dazu, dass dem Kostenfestsetzungsantrag in vollem Umfang stattzugeben ist.

IV.

13Die Kostenentscheidung folgt aus § 85 FamFG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO (Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 85 Rn. 17 a.E.).

Krüger                                    Lemke                                    Schmidt-Räntsch

                        Roth                                      Brückner

Fundstelle(n):
QAAAD-62050