Strafurteil wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen: Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot bei der Strafzumessung
Gesetze: § 46 Abs 3 StGB, § 353b StGB
Instanzenzug: Az: 6 St 4/09 (3) Urteil
Gründe
1Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 21 Fällen, versuchten Betruges und Verletzung von Dienstgeheimnissen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Nach den Feststellungen war der Angeklagte Berufssoldat und als sog. Resident des Bundesnachrichtendienstes in Pristina tätig. Er setzte den Mitangeklagten A., zu dem er eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft unterhielt, als Sprachmittler ein und machte für diesen in 22 Fällen Verdienstausfall in Höhe von 100 € pro Tag geltend, obwohl er wusste, dass der Mitangeklagte hierauf keinen Anspruch hatte. Im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben gab der zuständige Führungsstellenleiter in 21 Fällen den jeweils beantragten Verdienstausfall zur Auszahlung frei. Die Beträge in Höhe von 100 € bis 1.500 € wurden dem Angeklagten anschließend zur Weiterleitung an den Mitangeklagten A. ausbezahlt. Der Gesamtschaden belief sich auf 14.700 €. Außerdem übergab der Angeklagte dem Mitangeklagten A. ein als "geheim" eingestuftes Schaubild mit einer schematischen Darstellung extremistischer Strukturen im Kosovo, damit dieser Recherchen im Internet anstellen konnte, und nannte diesem Namen und Funktionen mehrerer BND-Mitarbeiter, ohne jeweils zu diesen Handlungen berechtigt gewesen zu sein.
3I. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob die von Beamten des Bundeskriminalamts in der Privatwohnung des Angeklagten in Pristina vorgenommene Durchsuchung rechtmäßig war und das Oberlandesgericht gegen ein Beweisverwertungsverbot und den Grundsatz des fairen Verfahrens dadurch verstoßen hat, dass es das bei dieser Durchsuchung aufgefundene Schaubild seiner Überzeugungsbildung zugrunde gelegt hat; denn jedenfalls beruht das Urteil nicht auf dem von der Revision geltend gemachten Verfahrensverstoß. Das Oberlandesgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung nicht auf die Augenscheinnahme des Schaubildes abgestellt. Es hat seine Überzeugung in diesem Zusammenhang vielmehr darauf gestützt, dass der Angeklagte und der Mitangeklagte A. sich in der Hauptverhandlung dahin geständig eingelassen haben, der Angeklagte habe dem Mitangeklagten das Dokument gezeigt. Den Inhalt des Schaubilds hat das Oberlandesgericht der Einlassung des Angeklagten und den Bekundungen des Zeugen W. entnommen.
4II. Die auf die Sachrüge veranlasste materiellrechtliche Überprüfung des Urteils deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf; demgegenüber kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben.
51. Die Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht ist ausgeschlossen. Dieses kann nur eingreifen, wenn ein Rechtsfehler vorliegt, namentlich das Tatgericht von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist, seine Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer acht lassen oder wenn sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit nach oben oder unten löst, dass ein grobes Missverhältnis von Schuld und Strafe offenkundig ist. In Zweifelsfällen hat das Revisionsgericht die Wertung des Tatgerichts hinzunehmen (st. Rspr.; vgl. schon , BGHSt 29, 319, 320; Beschluss vom - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Dies gilt in gleicher Weise für die Bildung der Gesamtstrafe (, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 1; vom - 4 StR 61/90, BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 5). Liegt die verhängte (Gesamt-)Freiheitsstrafe in der Nähe zu einer solchen, bei der eine Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung in Betracht kommt, bedarf es allerdings regelmäßig einer besonders sorgfältigen Begründung der Strafzumessung (, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 18).
62. Gemessen an diesen Maßstäben begegnen die Strafzumessungserwägungen des Oberlandesgerichts durchgreifenden Bedenken.
7a) Das Oberlandesgericht hat seine Auffassung, die Gesamtstrafe könne nicht mehr in einem Bereich liegen, in dem sie zur Bewährung ausgesetzt werden könne, u.a. damit begründet, "dass sich der Angeklagte sehenden Auges über alle Dienstvorschriften hinweggesetzt" habe. Damit hat es gegen § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Nach dieser Vorschrift dürfen die Merkmale des Tatbestands, welche die Strafbarkeit begründen und der Bestimmung des gesetzlichen Strafrahmens zugrunde liegen, nicht nochmals bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden.
8Der Tatbestand der Verletzung des Dienstgeheimnisses nach § 353b StGB setzt u.a. voraus, dass der Täter vorsätzlich ein ihm anvertrautes oder sonst bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, d.h. öffentlich bekannt macht oder einem Unbefugten mitteilt, obwohl er durch eine generelle Rechtsnorm oder besondere Anordnung zum Schweigen verpflichtet ist (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 353b Rn. 7a, 9). Der Tathandlung ist somit ein Verstoß gegen die dienstlichen Vorschriften des Angeklagten immanent; dieser Verstoß durfte nicht bei der Strafzumessung erneut zu dessen Lasten verwertet werden.
9Entsprechendes gilt für die Fälle des hier abgeurteilten Betrugs nach § 263 StGB. Das Oberlandesgericht hat jeweils einen besonders schweren Fall nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 StGB angenommen, weil der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt und seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht habe. Bei der Strafzumessung hat es ausdrücklich zum Nachteil des Angeklagten darauf abgestellt, er habe zwei Regelbeispiele des besonders schweren Betruges erfüllt. Vor diesem Hintergrund stellt es einen durchgreifenden Rechtsfehler dar, dass das Oberlandesgericht den Verstoß gegen die Dienstvorschriften noch einmal strafschärfend berücksichtigt hat; denn § 46 Abs. 3 StGB gilt bei Merkmalen von Regelbeispielen entsprechend (, NStZ-RR 2004, 262).
10b) Das Landgericht hat gegen den nicht vorbestraften Angeklagten wegen der vollendeten Betrugstaten Einzelfreiheitsstrafen zwischen acht und zehn Monaten verhängt und dabei zu dessen Lasten die Höhe des jeweils verursachten Schadens gewertet. Diese Würdigung wird jedenfalls in den Fällen von den Feststellungen nicht getragen, in denen der Schaden lediglich 100 € oder 200 € betrug.
11c) Der Senat muss nicht entscheiden, ob darüber hinaus ein entscheidungserheblicher rechtlicher Mangel des Urteils darin zu sehen ist, dass das Oberlandesgericht das Entfallen der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 StGB verneint, in seine diesbezügliche Würdigung indes nur einen Teil der zahlreichen, von ihm selbst an anderer Stelle aufgeführten und damit als bestimmend im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO angesehenen Strafmilderungsgründe eingestellt hat.
12III. Der Senat hebt den gesamten Strafausspruch und die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht die Gelegenheit zu geben, die Rechtsfolgen für den Angeklagten auf der Grundlage in sich stimmiger Feststellungen insgesamt neu zu bemessen.
Becker von Lienen Hubert
Schäfer Mayer
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Fundstelle(n):
TAAAD-61615