BVerwG Beschluss v. - 3 B 50/10

Berufliche Rehabilitierung; Ausschluss von Leistungen bei Spitzeltätigkeit für die Staatssicherheit; fehlende Drittgefährdung

Gesetze: § 4 BerRehaG

Instanzenzug: VG Meiningen Az: 8 K 327/09 Urteil

Gründe

1Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der zuvor getroffenen Feststellung, dass Leistungen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) nicht nach § 4 BerRehaG ausgeschlossen sind. Der Beklagte stützte die Rücknahme darauf, dass der Kläger in der Zeit seiner Inhaftierung in einer Jugendstrafanstalt zwischen 1969 und 1972 als Informant für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig gewesen sei und in diesem Zeitraum Berichte über Mitinhaftierte geliefert habe. Widerspruch und Klage gegen diesen Bescheid blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat die freiwillige Spitzeltätigkeit als erwiesen angesehen.

2Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (1.) noch ein Verfahrensmangel (2.) liegen vor.

31. Die vom Kläger als im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage:

"Hat ein minderjähriger Jugendlicher, der an das MfS lediglich unwahre, 'fantasierte' und erfundene 'Informationen' weitergibt, was dem MfS bei entsprechender Prüfung auch bekannt wird, im Sinne des § 4 BerRehaG eine erhebliche, gegen die Gemeinschaftsordnung verstoßende Handlung verwirklicht?"

geht schon daran vorbei, dass der Kläger bereits volljährig war, als er im fraglichen Zeitraum (ab November 1970) seine handschriftlich gefertigten Mitteilungen weitergab.

4Davon abgesehen ist die Frage nur einer Beurteilung im Einzelfall zugänglich. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht die Frage bejaht, weil die - unzutreffend gesteigerten - Berichte des Klägers dem MfS Anlass zu weiteren Maßnahmen gegen die bespitzelten Personen gegeben hätten. Anders kann es sich verhalten, wenn Berichte wegen ihres unverwertbaren Inhalts objektiv ungeeignet sind, Dritte zu gefährden ( BVerwG 3 C 11.05 - Buchholz 428.7 § 16 StrRehaG Nr. 2). Das hat das Verwaltungsgericht hier aber nicht festgestellt.

52. Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sind nicht genügend bezeichnet.

6a) Zu Unrecht rügt der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO), weil das Verwaltungsgericht seinen Vortrag ignoriert habe, dass er den Leutnant des MfS, der in der Jugendstrafanstalt die Gespräche mit ihm geführt habe, nicht als Stasi-Mitarbeiter erkannt habe. Das Verwaltungsgericht ist auf diese Behauptung eingegangen und hat sie als nicht glaubhaft bewertet (UA S. 7). Im Übrigen hat es seine Bewertung maßgeblich darauf gestützt, dass der Kläger eine Spitzeltätigkeit unter Inkaufnahme einer Drittschädigung ausgeübt habe. Dies verstößt regelmäßig gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit, ohne dass es von Bedeutung ist, auf welche Weise genau der Informant zu seiner Tätigkeit bewegt worden ist, solange die IM-Tätigkeit nicht unfreiwillig erfolgte (vgl. BVerwG 3 PKH 16.09 - ZOV 2010, 151 und BVerwG 3 C 23.01 - BVerwGE 116, 100 = Buchholz 428.8 § 4 BerRehaG Nr. 1). Für eine Unfreiwilligkeit ist nichts dargetan, denn hierfür kommt es nicht darauf an, ob der Kläger meinte, seine Berichte für das MfS oder - weil der Kontakt über vermeintliche Erzieher hergestellt wurde - für die Anstaltsleitung zu erstellen.

7b) Auch die auf die Sachverhalts- und Beweiswürdigung zielende Rüge dringt nicht durch.

8Der Kläger sieht eine logisch widersprüchliche Argumentation darin, dass das Verwaltungsgericht einerseits nicht ausgeschlossen habe, dass es sich bei den von einem Leutnant des MfS angefertigten Protokollen um Fälschungen handele, es dies sodann aber ohne überzeugende Begründung verneine. Dass diese Argumentation allgemeingültige Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt, deren Einhaltung vom Revisionsgericht überprüft werden kann (stRspr, vgl. BVerwG 3 B 32.09 - ZOV 2010, 35), zeigt die Beschwerde nicht auf. Denn das Verwaltungsgericht hat beide Annahmen geprüft, aber eine von ihnen - die Möglichkeit der Fälschung - im Ergebnis als widerlegt angesehen. Sollte dies in der Sache unzutreffend sein, läge darin ein nicht dem Verfahrensrecht, sondern ein dem sachlichen Recht zuzurechnender Mangel.

9Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Fundstelle(n):
EAAAD-59787