Leitsatz
Die Beachtung der Rechte, die einem Ausländer nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen zustehen, muss für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar sein. Die Belehrung des Ausländers über diese Rechte, seine Reaktion hierauf und, sofern verlangt, die unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung von der Inhaftierung sind daher aktenkundig zu machen .
Gesetze: Art 36 Abs 1 Buchst b KonsÜbk Wien
Instanzenzug: Az: 8 T 24/10 Beschlussvorgehend Az: 44 XIV 3210 B Beschluss
Gründe
I.
1Der Betroffene, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste im Oktober oder November 2008 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde 2009 bestandskräftig zurückgewiesen. Trotz entsprechender Aufforderungen reiste der Betroffene nicht aus.
2Am wurde der Betroffene festgenommen. Auf Antrag des Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht am gegen ihn Haft zur Sicherung der Abschiebung nach Marokko bis längstens und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Nach der Belehrung, dass das für ihn zuständige Konsulat bzw. die Botschaft von seiner Inhaftierung informiert werde, wenn er dies wünsche, bat der Betroffene um eine entsprechende Unterrichtung und um Benachrichtigung seiner Schwester.
3Die gegen die Haftanordnung gerichtete Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der inzwischen aus der Haft entlassene Betroffene die Feststellung erreichen, dass die Beschlüsse des Amts- und des Landgerichts ihn in seinen Rechten verletzt haben.
II.
4Die - ungeachtet der Erledigung der Hauptsache statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726, 727 Rn. 9) und auch im Übrigen zulässige - Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die Rechte des Betroffenen aus Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK nicht gewahrt worden sind. Dies stellt einen grundlegenden Verfahrensmangel dar, der die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung zur Folge hat (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 223/09, FGPrax 2010, 212 Rn. 17 f.; BVerfG, NJW 2007, 499, 500 f.).
5Nach der genannten Vorschrift sind die konsularischen Vertretungen des Heimatstaates eines Betroffenen auf Verlangen unverzüglich von dessen Inhaftierung zu unterrichten (Satz 1); auf dieses Recht ist der Betroffene unverzüglich hinzuweisen (Satz 3). Das Gericht hat deshalb neben der Belehrung des Betroffenen sicherzustellen, dass eine von diesem verlangte Unterrichtung der konsularischen Vertretung unverzüglich erfolgt. Da es sich bei den Rechten aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen um Verfahrensgarantien handelt, muss deren Beachtung für die Rechtsmittelinstanzen nachvollziehbar sein und daher aktenkundig gemacht werden. Die Belehrung des Betroffenen, seine Reaktion hierauf und die unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung (sofern verlangt) sind zu dokumentieren. Unterbleibt dies, kann nicht festgestellt werden, dass die Verfahrensgarantien des Wiener Übereinkommens gewahrt worden sind; dies wirkt zugunsten des Betroffenen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 218/09, InfAuslR 2010, 359, 360 für den Haftantrag).
6So verhält es sich hier. Ausweislich des Protokolls über die Anhörung des Betroffenen vom ist dieser von dem Amtsgericht zwar über sein Recht belehrt worden, die Unterrichtung seiner konsularischen Vertretung zu verlangen. Dass die von ihm verlangte Unterrichtung erfolgt ist, lässt sich der Verfahrensakte dagegen nicht entnehmen; diese enthält keinen Hinweis auf eine schriftliche oder telefonische Kontaktaufnahme mit dem Konsulat. Lediglich hinsichtlich der Bitte des Betroffenen um Benachrichtigung seiner Schwester findet sich in einer Protokollabschrift ein Erledigungsvermerk; dass sich dieser auch auf die Benachrichtigung des Konsulats beziehen soll, ist nach seiner räumlichen Anordnung auszuschließen.
7Der Verstoß gegen Art. 36 WÜK ist nicht dadurch geheilt worden, dass die marokkanische Botschaft im späteren Verlauf des Verfahrens Kenntnis von der Inhaftierung des Betroffenen erhalten hat. Das Recht auf konsularische Hilfe kann nur dann effektiv in Anspruch genommen werden, wenn die Vertretung des jeweiligen Heimatlandes, wie in Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 WÜK vorgeschrieben, unverzüglich von der Inhaftierung unterrichtet wird (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 223/09, FGPrax 2010, 212 Rn. 17 aE).
III.
8Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, den Beteiligten zu 2 zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Anlagen des Betroffenen zu verpflichten (Senat, Beschluss vom - V ZB 223/09, FGPrax 2010, 212 f. Rn. 19).
Krüger Stresemann Czub
Roth Brückner
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Fundstelle(n):
SAAAD-58994