Altersteilzeit im öffentlichen Dienst - genereller Ausschluss des Blockmodells - Ermessensausübung
Gesetze: Art 86 GG, Art 87 GG, § 3 AltTZG 1996, § 311a BGB, § 315 BGB, § 106 GewO, § 2 Abs 2 S 1 AltTZTV, § 3 Abs 2 AltTZTV, § 366 SGB 3, § 366a SGB 3, § 367 SGB 3, § 71a SGB 4, § 77a SGB 4, § 87 SGB 4, § 88a Abs 3 S 1 Nr 4 BG SH vom , § 3 Abs 3 AltTZTV
Instanzenzug: Az: 3 Ca 3138/08 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 9 Sa 1375/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.
2Der im Juni 1949 geborene Kläger ist seit Oktober 2001 mit einer Unterbrechung von mehreren Monaten als Arbeitsvermittler für die beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) tätig. Vom bis bestand zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis.
3Die Beklagte ist eine rechtsfähige bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (Art. 87 Abs. 2 Satz 1 GG, § 367 Abs. 1 SGB III). Sie ist nach Art. 86 Satz 1 GG an allgemeine Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung gebunden. Die Bundesregierung muss den Haushaltsplan der BA genehmigen (§ 71a Abs. 2 SGB IV). Für die Beklagte gelten sinngemäß die Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung (§ 77a Satz 1 SGB IV) und die Aufsichtsregelungen der §§ 87 ff. SGB IV. Die BA hat aus den Überschüssen der Einnahmen über die Ausgaben eine Rücklage zu bilden (§ 366 SGB III).
4Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist kraft vertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom idF des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom (TV ATZ) anzuwenden.
Der TV ATZ lautet auszugsweise:
6Das Bundesministerium des Innern (BMI) teilte mit Rundschreiben vom mit, der Rechnungsprüfungsausschuss habe in seiner Sitzung vom beschlossen, dass die Bewilligung von Altersteilzeit für Beamte ab sofort (Stichtag ) nur noch im Teilzeitmodell möglich sei. Ausgenommen seien bestimmte Personalabbaubereiche. Mit Rundschreiben vom übertrug das BMI diese Regelung auf Altersteilzeitarbeitsverträge mit Arbeitnehmern. Das BMI führte zur Begründung aus, die tariflichen Regelungen begründeten keinen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Arbeitszeitmodell während der Altersteilzeit. Altersteilzeitarbeitsverhältnisse dürften zu keinen zusätzlichen finanziellen Belastungen für den Bundeshaushalt führen. Die Rundschreiben wurden der BA im März 2006 über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit der Bitte um Beachtung zugeleitet. Mit E-Mail-Info Personal vom teilte die BA ihren Beschäftigten mit, für Beamte und Arbeitnehmer sei die Vereinbarung von Altersteilzeit im Blockmodell mit Blick auf die Rundschreiben des BMI ab sofort in aller Regel ausgeschlossen. Ausgenommen seien lediglich Kraftfahrer.
7Der Kläger bat mit Schreiben vom darum, einen Altersteilzeitarbeitsvertrag im Blockmodell zu schließen. Die Arbeitsphase sollte von Juli 2009 bis Dezember 2011 dauern, die Freistellungsphase von Januar 2012 bis Juni 2014. Die Beklagte lehnte den Antrag unter dem ab. Sie stützte sich bei der Ausübung ihres Ermessens darauf, dass die Zahl der im Blockmodell durchgeführten Altersteilzeitarbeitsverhältnisse in den vergangenen Jahren im Bereich der BA stark zugenommen habe. Daher sei von einer zunehmenden finanziellen Belastung des Haushalts der BA in den kommenden Jahren auszugehen. Es sei nicht mehr möglich, im bisherigen Umfang Ersatzstellen auszubringen. Durch Blockaltersteilzeit werde der Dienstbetrieb in nicht hinnehmbarer Weise eingeschränkt.
8Der Kläger fragte unter dem an, ob die Beklagte den Altersteilzeitantrag weiter ablehne. Die BA erwiderte mit Schreiben vom , dem Kläger stehe es frei, Altersteilzeitarbeit im Teilzeitmodell zu beantragen.
9Der Kläger meint, finanzielle Belastungen, die mit einem tariflich vorgesehenen Altersteilzeitverteilungsmodell verbunden seien, stellten keinen Sachgrund dar, der dem individuellen Verteilungswunsch entgegengehalten werden könne. Sonst werde das Blockmodell faktisch abgeschafft. Störungen des Betriebsablaufs habe die Beklagte in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen. Jedenfalls überwögen die Interessen des Klägers die Belange der Beklagten, weil er an einer Augenerkrankung leide und seine Ehefrau sich bereits in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinde.
Der Kläger hat beantragt,
11Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, sie habe sich die Weisungen der Rundschreiben des BMI zu eigen machen müssen, um Restriktionen im Haushaltsverfahren zu vermeiden. Nach der Bundeshaushaltsordnung dürften Rücklagen für das kommende Haushaltsjahr grundsätzlich nicht gebildet werden. Haushaltsmittel, die im Haushaltsjahr nicht in Anspruch genommen würden, verfielen. § 366 SGB III sehe zwar vor, dass die Beklagte aus den Überschüssen der Einnahmen über die Ausgaben eine Rücklage zu bilden habe. Derartige Überschüsse seien jedoch nicht vorhanden. Der nach § 366a SGB III einzurichtende Versorgungsfonds erfasse Rücklagen für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse nicht. Außerdem sei nicht sichergestellt, dass die Stelle des Klägers bei Eintritt in die Freistellungsphase nachbesetzt werden könne.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zustimmung zu dem Antrag des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
13Die Revision ist unbegründet. Die Klage hat Erfolg.
14A. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
15I. Der Antrag ist so zu verstehen, dass die Beklagte verurteilt werden soll, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags anzunehmen. Mit Rechtskraft eines obsiegenden Urteils gilt die Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben (vgl. nur Senat - 9 AZR 608/08 - Rn. 23, AP BGB § 311a Nr. 3 = EzA ZPO 2002 § 894 Nr. 1). Zu welchem Zeitpunkt die fingierte Abgabe der Annahmeerklärung wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht.
16II. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll hier im Blockmodell in der Zeit vom bis durchgeführt werden. Die bisher geschuldete Arbeitszeit soll halbiert und insgesamt in der ersten Hälfte des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses erbracht werden. Daran soll sich die Freistellungsphase anschließen. Die Arbeitsphase soll von Juli 2009 bis Dezember 2011 dauern, die Freistellungsphase von Januar 2012 bis Juni 2014. Das ergibt sich aus dem ersten Altersteilzeitantrag vom und dem Klageantrag. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll sich inhaltlich nach den Regelungen des TV ATZ richten.
17B. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Abschluss des verlangten Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell aus § 2 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 2 Buchst. a TV ATZ iVm. § 106 Satz 1 GewO und § 315 Abs. 1 BGB.
18I. Der auf Annahme des Vertragsangebots gerichtete Antrag ist nicht schon deshalb unbegründet, weil der Kläger die rückwirkende Änderung des Arbeitsverhältnisses ab verlangt. Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom (BGBl. I S. 3138) kommt die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung mit Rückwirkung in Betracht. Ein Vertragsangebot kann auch dann angenommen werden, wenn es auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Eine Rückdatierung des Änderungsvertrags vor Eintritt der Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung mit Rechtskraft des Urteils nach § 894 Satz 1 ZPO ist dagegen ausgeschlossen (vgl. für die st. Rspr. Senat - 9 AZR 155/09 - Rn. 35; - 9 AZR 608/08 - Rn. 15 f., AP BGB § 311a Nr. 3 = EzA ZPO 2002 § 894 Nr. 1; - 9 AZR 643/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31). Im Unterschied zum alten Recht ist in § 311a Abs. 1 BGB klargestellt, dass ein Vertrag selbst dann nicht nichtig ist, wenn er hinsichtlich der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann (vgl. nur Senat - 9 AZR 111/07 - Rn. 26 mwN, BAGE 126, 264).
19II. Der Kläger erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 iVm. Abs. 1 TV ATZ.
201. Er vollendete mit dem das 60. Lebensjahr.
21a) Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger bei der Ablehnung seiner Anträge durch die Beklagte mit Schreiben vom und noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet hatte, sondern diese Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ erst im Juni 2009 erfüllte.
22b) Der Senat kann offenlassen, ob ein Arbeitgeber auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ stets verpflichtet ist, über den Antrag auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags zu entscheiden, wenn das Angebot abgegeben wird, bevor der Anspruchsteller das 60. Lebensjahr vollendet hat. Ferner kann auf sich beruhen, ob diese Pflicht schon über ein Jahr vor Vollendung des 60. Lebensjahres besteht. Die Beklagte ließ sich hier vorbehaltlos auf die Altersteilzeitanträge des Klägers ein. Sie berief sich nicht auf die fehlende Vollendung des 60. Lebensjahres oder eine noch nicht mögliche Prognose der künftigen Verhältnisse. Die BA lehnte die Anträge vielmehr aus Sachgründen ab (vgl. Senat - 9 AZR 643/08 - Rn. 19 f., AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31).
232. Der Kläger wird von der Beklagten seit Oktober 2001 mit einer Unterbrechung von etwas mehr als fünf Monaten in der Zeit vom bis , dh. in der Summe seit weit über fünf Jahren vor dem gewünschten Beginn der Altersteilzeitarbeit am beschäftigt. Die Unterbrechung ist für die Vollendung der fünfjährigen Beschäftigungszeit des § 2 Abs. 1 Buchst. b TV ATZ unschädlich (vgl. Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz Altersteilzeit 5. Aufl. S. 49 f.).
243. Der Kläger stand in dem Fünfjahreszeitraum vor Beginn der Altersteilzeitarbeit (§ 2 Abs. 1 Buchst. c TV ATZ) mindestens 1.080 Kalendertage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis nach dem SGB III.
254. Der Kläger wahrte die Dreimonatsfrist des § 2 Abs. 2 Satz 2 TV ATZ sowohl mit seinem ersten Altersteilzeitantrag vom als auch mit seinem zweiten Antrag vom . Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis sollte erst am beginnen.
26III. Der Kläger hat nach § 2 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Nur die von ihm gewünschte Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell (§ 3 Abs. 2 Buchst. a TV ATZ) entspricht billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB). Die von der Beklagten ermessensfehlerhaft nicht abgegebene Annahmeerklärung ist vom Senat zu ersetzen.
271. Die Beklagte wendet sich nicht gegen das „Ob“ des Anspruchs auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Sie beruft sich insbesondere nicht auf dringende dienstliche oder betriebliche Gründe iSv. § 2 Abs. 3 TV ATZ oder die Überschreitung der in § 2 Abs. 1 TV ATZ iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AltTZG enthaltenen Überforderungsgrenze.
28a) Beide Einschränkungen beziehen sich auf den Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags „an sich“, nicht auf die Verteilung der Arbeitszeit. Die BA lehnt lediglich eine Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell ab.
29b) Der Streitfall unterscheidet sich darin von dem das die Beklagte heranzieht (- 2 C 21.03 - juris Rn. 10 ff., BVerwGE 120, 382). Diese Entscheidung behandelt die Frage der dem „Ob“ des Anspruchs auf Altersteilzeit entgegenstehenden dringenden dienstlichen Belange iSv. § 88a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 LBG Schleswig-Holstein aF im Beamtenbereich. Verfahrensgegenstand war kein Vollanspruch (vgl. zu der Abgrenzung im Arbeitnehmerbereich Senat - 9 AZR 643/08 - Rn. 23 ff., AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31). Es ging um einen Anspruch auf Ausübung billigen Ermessens hinsichtlich der Begründung eines Altersteilzeitbeamtenverhältnisses in der Zeit zwischen der Vollendung des 55. und des 60. Lebensjahres.
302. Ermessensgerecht ist hier nur die Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell.
31a) Der Arbeitnehmer hat nach §§ 2, 3 TV ATZ keinen Vollanspruch auf eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber hat vielmehr nach billigem Ermessen über die Verteilung der Arbeitszeit zu entscheiden (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB).
32aa) Das allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers aus § 106 Satz 1 GewO für die Verteilung der Arbeitszeit im Altersteilzeitarbeitsverhältnis zeigt sich vor allem an § 3 Abs. 3 TV ATZ. Danach kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, dass sein Wunsch nach einer bestimmten Verteilung der Arbeitszeit mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung erörtert wird. Die Regelung wäre überflüssig, wenn der Arbeitnehmer die Verteilung der Arbeitszeit selbst bestimmen könnte (vgl. Senat - 9 AZR 393/06 - Rn. 37, BAGE 121, 55).
33bb) Für die Verteilung der Arbeitszeit durch Weisung des Arbeitgebers sprechen auch Wortlaut, Zusammenhang und Zweck von §§ 2, 3 TV ATZ. § 2 Abs. 2 Satz 1 TV ATZ begründet ausdrücklich nur einen Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. § 3 Abs. 2 TV ATZ sieht vor, dass die während der Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses zu leistende Arbeit im Block- oder im Teilzeitmodell verteilt werden „kann“. Der in der Präambel festgehaltene Zweck des TV ATZ kann sowohl im Block- als auch im Teilzeitmodell erreicht werden. Älteren Beschäftigten soll ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglicht werden. Dadurch sollen vorrangig Auszubildenden und Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet werden.
34b) Der Arbeitnehmer kann sein Angebot auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags jedoch - wie hier der Kläger - auf ein bestimmtes Modell der Verteilung der Arbeitszeit beschränken. Einen solchen Antrag kann der Arbeitgeber nur einheitlich annehmen oder ablehnen. Zu einer Annahme des Angebots auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags im Blockmodell ist der Arbeitgeber nach §§ 2, 3 TV ATZ lediglich dann verpflichtet, wenn jede andere Entscheidung über die Verteilung der Arbeitszeit billigem Ermessen widerspräche.
35c) Die Entscheidung der Beklagten, die Arbeitszeit nicht im Blockmodell zu verteilen, wird diesem Maßstab nicht gerecht. Sie widerspricht billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand.
36aa) Die Grenzen billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. Senat - 9 AZR 643/08 - Rn. 26 und 29, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31).
37bb) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. Senat - 9 AZR 624/06 - Rn. 29 mwN, AP AVR Diakonisches Werk § 1 Nr. 14). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (Senat - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b und B IV 1 der Gründe, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 15; str., zu der Kontroverse GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 10). Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist dann geboten, wenn die Tatsachen, die die Ablehnung rechtfertigen sollen, feststehen und nur eine zustimmende Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht (Senat - 9 AZR 643/08 - Rn. 29 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31).
38cc) Der Senat muss nach diesen Grundsätzen selbst entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB entscheiden. Er hat die Beklagte zur Abgabe der Annahmeerklärung mit der gewünschten Arbeitszeitverteilung im Blockmodell zu verurteilen. Nur die Annahme des Angebots auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags mit einer Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell entspricht der Billigkeit. Die erforderlichen Tatsachen sind festgestellt.
39(1) Nach der Rechtsprechung des Senats genügt im Rahmen billigen Ermessens jeder sachliche Grund, der sich auf den Übergang in die Altersteilzeit bezieht, um einen Altersteilzeitantrag - das „Ob“ des Abschlusses eines Altersteilzeitarbeitsvertrags - abzulehnen. Dazu können auch finanzielle Gründe gehören (vgl. Senat - 9 AZR 643/08 - Rn. 31 mwN, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 44 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 31). Der Senat hat für die Verteilung der Arbeitszeit nach § 3 Abs. 2 TV ATZ demgegenüber bisher offengelassen, welche Gesichtspunkte der Arbeitgeber bei seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat (vgl. Senat - 9 AZR 393/06 - Rn. 38, BAGE 121, 55).
40(2) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte wird vertreten, bei der Ermessensentscheidung nach § 3 Abs. 2 TV ATZ könnten wie bei § 2 Abs. 1 TV ATZ alle sachlichen Gründe berücksichtigt werden, die sich auf den Übergang in die Altersteilzeit bezögen oder sich aus dem Wechsel in die Altersteilzeit im Blockmodell ergäben (vgl. - zu II 2 b der Gründe [Revision eingelegt unter - 9 AZR 182/10 -]; - 13 Sa 749/09 - zu I 2 b cc der Gründe, LAGE ATG § 3 Nr. 11 [Revision eingelegt unter - 9 AZR 848/09 -]; - zu II 2 b bb der Gründe [Revision eingelegt unter - 9 AZR 188/10 -]; - 10 Sa 817/08 - zu II 2 b cc (1) der Gründe [Revision eingelegt unter - 9 AZR 320/09 -]). Dieser Ansatz wird damit begründet, dass finanzielle Gründe sogar die vollständige Ablehnung eines Altersteilzeitantrags rechtfertigen könnten. Sie müssten es deshalb erst recht erlauben, eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit abzulehnen, auf die kein Rechtsanspruch bestehe.
41(3) Der Senat stimmt diesen Überlegungen nicht zu.
42(a) Welche tatsächlichen Umstände in die Ermessensabwägung einzubeziehen sind, richtet sich nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand (vgl. Senat - 9 AZR 624/06 - Rn. 30, AP AVR Diakonisches Werk § 1 Nr. 14; - zu II 2 b bb (1) der Gründe, EzTöD 700 TV ATZ Nr. 12). Geht es - wie hier - um die Verteilung der Arbeitszeit, können alle sachlichen Gründe berücksichtigt werden, die sich auf die Lage der Arbeitszeit als solche beziehen. Das kann wegen der Aufgabenstellung des Arbeitnehmers im Einzelfall auch zu einem Vorrang des Teilzeitmodells führen. Daran ist beispielsweise zu denken, wenn eine Nachbesetzung mit einer langen Einarbeitung verbunden ist und beide Arbeitnehmer deswegen zeitlich überlappend beschäftigt werden sollen (vgl. Senat - 9 AZR 624/06 - aaO).
43(b) Derartige Gründe, die sich auf den Betriebsablauf beziehen, hat die Beklagte nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen. Die Annahme der BA, sie könne die Stelle bei Eintritt des Klägers in die Freistellungsphase nicht nachbesetzen, ist nicht auf im Einzelnen nachvollziehbares Tatsachenvorbringen gestützt. Es handelt sich um eine vage Befürchtung, auf die der Kläger nicht sachgerecht erwidern kann. Die Beklagte beruft sich letztlich auf ihr Interesse an Vertragskontinuität. Dieses Interesse ist kein Sachgrund für die Ablehnung der Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell, wenn keine anderen sachlich berechtigten Belange hinzutreten.
44(c) Die Beklagte beruft sich vor allem auf das Rundschreiben des BMI vom , in dem ausgeführt wurde, Altersteilzeitarbeitsverhältnisse dürften zu keinen zusätzlichen Belastungen für den Bundeshaushalt führen. Dieses Rundschreiben wurde der BA über das BMAS zugeleitet. Die Beklagte machte es sich mit E-Mail-Info Personal vom zu eigen. Sie nimmt an, die erhöhte wirtschaftliche Belastung durch das Blockmodell schlage sich in den Kosten für die Insolvenzsicherung und darin nieder, dass sie wegen der kameralistischen Haushaltsführung keine Rückstellungen bilden könne.
45(aa) Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob eine höhere wirtschaftliche Belastung durch das Blockmodell in bestimmten Fällen als Sachgrund gegen die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeführt werden kann (dagegen Senat - 9 AZR 624/06 - Rn. 30, AP AVR Diakonisches Werk § 1 Nr. 14; ebenso - zu II 2 b bb der Gründe [Revision eingelegt unter - 9 AZR 225/10 -]).
46(bb) Eine - unterstellte - höhere wirtschaftliche Belastung durch das Blockmodell kann hier nicht allein als Sachgrund für die Ablehnung des Verteilungswunschs herangezogen werden, weil die tariflichen Vorschriften weder dem Block- noch dem Teilzeitmodell den Vorrang geben. Die nötige Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls steht generellen Vorentscheidungen des Arbeitgebers, wie er eine Tarifnorm in der Praxis umsetzt, zwar nicht entgegen (vgl. Senat - 9 AZR 706/99 - zu B II 1 c bb aE der Gründe, BAGE 96, 363). Das Rundschreiben des BMI vom , das sich die Beklagte unter dem zu eigen machte, geht aber darüber hinaus. Es schließt eines der beiden tariflich vorgesehenen Arbeitszeitverteilungsmodelle gänzlich aus. Die Regelung in § 3 Abs. 3 TV ATZ „liefe“ teilweise „leer“, wenn der Arbeitgeber aus finanziellen oder haushaltswirtschaftlichen Gründen von vornherein bestimmen könnte, dass ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nur im Teilzeitmodell durchgeführt werden darf. Der übereinstimmende Wille der Tarifvertragsparteien würde unterlaufen. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt. Der Einzelarbeitsvertrag der Parteien nimmt auf den TV ATZ Bezug. Die Beklagte hat sich damit verpflichtet, den nicht durch Gewerkschaftsmitgliedschaft originär tarifgebundenen Kläger tarifgerecht zu behandeln.
47(cc) Die Interessen des Klägers an der Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell überwiegen nach den festgestellten Tatsachen gegenüber den Belangen der Beklagten.
48(aaa) Mit dem Wunsch nach Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell bringt der Arbeitnehmer eine bestimmte Lebensplanung zum Ausdruck. Der Arbeitgeber ist im Gegenzug gehalten, Sachgründe gegen die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell vorzubringen. Sonst überwiegen die Belange des Arbeitnehmers. Dafür spricht insbesondere § 3 Abs. 3 TV ATZ. Der Arbeitgeber wird durch diese Regelung verpflichtet, den Wunsch des Arbeitnehmers nach einer bestimmten Verteilung der Arbeitszeit mit dem Ziel einer Einigung zu erörtern.
49(bbb) Die mit dem Wunsch nach Verteilung der Arbeitszeit im Blockmodell ausgedrückte Lebensplanung zeigt sich hier deutlich daran, dass sich die Ehefrau des Klägers bereits in der Freistellungsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befindet. Die von der Beklagten vorgebrachten Umstände sind mit den genannten Argumenten keine sachlich berechtigten betriebsorganisatorischen oder wirtschaftlichen Gegengründe.
C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2820 Nr. 46
XAAAD-53450