Instanzenzug: Az: 17 Ca 4181/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 4 Sa 411/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht.
2Der Kläger war seit dem Jahre 2003 bei der Beklagten als „Director General Technology Strategy Management“ beschäftigt, zuletzt im Bereich „Com MD (Mobile Devices)“. Aufgrund eines Vertrages vom mit der BenQ Corporation (Sitz in Taiwan) übertrug die Beklagte mit Wirkung vom die Vermögensgegenstände dieses Geschäftsbereiches in Deutschland im Wege der Einzelrechtsübertragung („Asset Deal“) auf die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG (im Folgenden: BenQ Mobile). Diese Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet. Gesellschafter waren die BenQ Mobile Management GmbH und die BenQ Wireless GmbH. Am wurde die BenQ Mobile in das Handelsregister beim Amtsgericht München eingetragen. Die beiden Gesellschafter der BenQ Mobile verfügten über ein Stammkapital von jeweils 25.000,00 Euro. Im Zusammenhang mit der Übertragung der Vermögensgegenstände von der Beklagten auf die BenQ Mobile zahlte die Beklagte an die BenQ Corporation einen dreistelligen Millionenbetrag.
Die Beklagte informierte mit Schreiben vom die Mitarbeiter des Geschäftsbereiches „Com MD“ (Mobile Devices) über die „Übertragung der Aktivitäten“ dieses „Geschäftsgebietes“. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:
4Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die BenQ Mobile zunächst nicht. Am 9./ schloss er mit dieser einen Aufhebungsvertrag zum . Als Abfindung sollte er 48.500,00 Euro erhalten.
5Nachdem die BenQ Mobile am einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte, wurde dieses zum eröffnet. Der Kläger hatte mit Schreiben vom gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen.
6Der Kläger meint, er sei auch noch im September 2006 berechtigt gewesen, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu widersprechen, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB durch die Unterrichtung der Beklagten über den Betriebsübergang nicht in Gang gesetzt worden sei. Diese Unterrichtung habe nämlich nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprochen. So sei er insbesondere nicht über die Identität der Betriebserwerberin und den Grund des Betriebsübergangs unterrichtet worden.
Der Kläger hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt,
8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
9Sie ist der Ansicht, den Kläger mit Schreiben vom ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB über den beabsichtigten Betriebsübergang unterrichtet zu haben. Deshalb sei der Widerspruch des Klägers mit Schreiben vom wegen Ablaufs der einmonatigen Widerspruchsfrist verspätet. Auf jeden Fall sei das Recht zum Widerspruch aber verwirkt. Auch habe der Kläger durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages mit der BenQ Mobile auf sein Widerspruchsrecht verzichtet.
10Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben und die Klage auf Vergütung, Urlaubsabgeltung und Jahressonderzahlung abgewiesen. Nachdem der Kläger seine Leistungsanträge im Berufungsverfahren zurückgenommen hatte, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.
Gründe
12Die Revision der Beklagten ist begründet. Zwischen den Parteien besteht über den hinaus kein Arbeitsverhältnis mehr. Dieses war gem. § 613a Abs. 1 BGB auf die BenQ Mobile übergegangen. Der vom Kläger am gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses erklärte Widerspruch ist wegen Verwirkung unwirksam.
13A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
14Die Berufung der Beklagten sei unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen eines wirksamen Widerspruchs nicht auf die BenQ Mobile übergegangen sei. Der Widerspruch des Klägers vom sei nicht verspätet gewesen, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB aufgrund einer nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB genügenden Unterrichtung durch die Beklagte über den beabsichtigten Betriebsübergang nicht in Gang gesetzt worden sei. So enthalte das Unterrichtungsschreiben vom nicht die Anschrift der Betriebsübernehmerin. Außerdem fehle es an der Angabe des Grundes für den Übergang (§ 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB).
15Das Widerspruchsrecht des Klägers sei nicht verwirkt oder entsprechend § 144 BGB als ausgeschlossen anzusehen. Es könne offenbleiben, ab wann das für die Annahme einer Verwirkung erforderliche Zeitmoment zu laufen beginne, weil es selbst bei der Annahme der Erfüllung des Zeitmoments am Umstandsmoment fehle. So ergebe sich ein solches nicht allein aus der Weiterarbeit des Klägers bei der BenQ Mobile. Dass der Kläger durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages mit der BenQ Mobile gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe, sich endgültig (auch) aus den Rechtsbeziehungen mit ihr zu lösen, sei nicht anzunehmen. Dies würde voraussetzen, dass der Kläger in Kenntnis vom Bestehen seines Widerspruchsrechts gehandelt hätte und er davon hätte ausgehen müssen, die Beklagte werde Kenntnis von seiner vertraglichen Ausscheidensregelung mit der BenQ Mobile erhalten oder bereits haben. An diesen beiden Voraussetzungen fehle es. Aus den gleichen Gründen sei auch das Widerspruchsrecht des Klägers nicht in entsprechender Anwendung des § 144 BGB ausgeschlossen.
16B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
17Die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den hinaus fortbesteht, ist unbegründet.
18I. In einer Reihe von gleichgelagerten Fällen hat der Senat entschieden, dass das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom über den beabsichtigten Betriebsteilübergang auf die BenQ Mobile den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht genügt (vgl. - 8 AZR 740/08 -; - 8 AZR 538/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114 und - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).
19II. Die unzulängliche Unterrichtung durch die Beklagte hatte die einmonatige Widerspruchsfrist für den Kläger (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) nicht in Lauf gesetzt (st. Rspr., vgl. Senat - 8 AZR 808/07 - mwN, AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 105), so dass sein Widerspruch vom nicht verspätet war.
20III. Das Recht des Klägers zum Widerspruch war zum Zeitpunkt seiner Ausübung am jedoch verwirkt.
211. Der Senat hat bereits mehrmals entschieden, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers verwirken kann (vgl. zB - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).
22Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.
23Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann ( - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).
24Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei (BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles (Senat - 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64). Dabei ist davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können (Senat - 8 AZR 538/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114). Außerdem ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat - 8 AZR 431/06 - mwN, aaO).
252. Die Voraussetzungen für eine Verwirkung liegen im Streitfall vor.
26a) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt zwar grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben (vgl. - EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 116). Vom Revisionsgericht ist das Berufungsurteil jedoch darauf zu überprüfen, ob das Tatsachengericht die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl. - mwN, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr. 1).
27b) Vorliegend ist dem Landesarbeitsgericht ein - auch revisionsrechtlich zu beachtender - Rechtsfehler unterlaufen. Es hat nämlich die Voraussetzungen für das Vorliegen des Umstandsmoments, welches zusammen mit dem Zeitmoment zur Verwirkung des Widerspruchsrechts führen kann, verkannt.
28c) Das Zeitmoment ist erfüllt.
29Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment beginnt nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen zu laufen. Damit setzt auch nicht erst die Kenntnis des Arbeitnehmers von der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung die Frist für die Beurteilung des Vorliegens des Zeitmoments in Lauf. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgeschriebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei der das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind (vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106).
30Erfolgt die Prüfung entsprechend diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das so genannte Zeitmoment einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufes, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalles, zu denen auch der jeweilige Informationsstand des Berechtigten gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Grundsätzlich ist der gesamte Zeitablauf seit der Rechtsentstehung von Bedeutung, im Falle der Beklagten jedenfalls der Zeitraum ab Ende September 2005, weil zu diesem Zeitpunkt die aus ihrer Sicht durch ihr Unterrichtungsschreiben vom in Gang gesetzte gesetzliche einmonatige Widerspruchsfrist (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) für den Kläger ablief.
31Der Kläger hat sein Widerspruchsrecht erst fast ein Jahr nach dem vollzogenen Betriebsübergang am ausgeübt, nämlich mit Schreiben vom . Vor Ablauf eines Monats nach der Unterrichtung in Schriftform muss der Arbeitgeber wegen der in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normierten Monatsfrist mit einem Widerspruch des Arbeitnehmers rechnen. Durch die Unterrichtung über den Betriebsübergang gibt der Arbeitgeber grundsätzlich zu erkennen, dass er mit dieser die Widerspruchsfrist von einem Monat in Gang setzen will und nach Fristablauf die Erklärung von Widersprüchen nicht mehr erwartet (Senat - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).
32Dies gilt auch, wenn die Unterrichtung unvollständig oder fehlerhaft war. Der Zeitraum von 13 Monaten zwischen der Unterrichtung über den Betriebsübergang und der Erklärung des Widerspruchs und von fast einem Jahr nach Ablauf der gesetzlichen Widerspruchsfrist ist grundsätzlich geeignet, das Vorliegen des Zeitmoments zu bejahen und erfüllt im Streitfall insbesondere auch deshalb das Zeitmoment, weil der Kläger durch den Abschluss seines Aufhebungsvertrages mit der BenQ Mobile ein besonders gewichtiges Umstandsmoment gesetzt hatte (vgl. Senat - 8 AZR 740/08 - und - 8 AZR 220/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 6).
33d) Der Kläger hat durch sein Verhalten, insbesondere durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages mit der BenQ Mobile am 9./ das Umstandsmoment verwirklicht.
34Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Das ist gegeben, wenn er aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers annehmen durfte, dieser habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat (vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106; - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354).
35Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer (zunächst) widerspruchslos beim Betriebserwerber weiterarbeitet und von diesem die Arbeitsvergütung entgegennimmt, stellt ebenso wenig eine Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses dar (vgl. Senat - 8 AZR 225/07 -; - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347) wie Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber, durch welche einzelne Arbeitsbedingungen, zB Art und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung, Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden. Als Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses stellen sich nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers dar, durch welche es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, zB Abschluss eines Aufhebungsvertrages (Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106) bzw. die Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung (Senat - 8 AZR 175/07 - aaO), oder durch welche das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt wird (zB die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses; Senat - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).
36Aufgrund des Abschlusses des Aufhebungsvertrages zwischen dem Kläger und der BenQ Mobile am 9./ durfte die Beklagte davon ausgehen, der Kläger werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben (Erfüllung des Umstandsmoments).
37e) Es ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unerheblich, ob und gegebenenfalls ab wann die Beklagte von dem Abschluss des Aufhebungsvertrages Kenntnis hatte.
38Auf die Verwirkung darf sich die Beklagte berufen, unabhängig davon, ob ihr alle vom Kläger verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind. Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber mit Erfolg auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen darf.
39Die Unterrichtungspflicht des § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Betriebsinhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, legt dies nahe, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber auch hinsichtlich des Informationsstandes zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich aufzufassen. Auch Art. 3 Abs. 2 der RL 2001/23/EG fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber (Betriebsveräußerer) als auch gegenüber dem neuen Inhaber (Betriebserwerber) erklären darf. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6, „ein anderes“ normiert (§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber dürfen sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).
40f) Unzutreffend ist die Annahme des Klägers, die Beklagte habe sich wegen der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung über den Betriebsteilübergang nicht darauf verlassen dürfen, der Kläger werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben, so dass die Berufung der Beklagten auf die Verwirkung des Widerspruchsrechts ihrerseits gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde. Folgte man dieser Überlegung des Klägers, würde das zu einem widersinnigen Ergebnis führen. Einerseits behielte der Kläger sein Widerspruchsrecht deshalb länger als in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normiert (einen Monat ab Zugang der Unterrichtung), weil die Unterrichtung nicht ordnungsgemäß war. Andererseits könnte das Widerspruchsrecht deshalb nicht verwirken, weil der Kläger nicht entsprechend den Vorgaben des § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet worden war. Dies hätte zur Folge, dass - entgegen der Rechtsprechung - die Verwirkung des Rechts zum Widerspruch im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung durch den alten Arbeitgeber in der Regel nicht eintreten könnte. Dies widerspräche jedoch dem Grundsatz, dass jedes Recht verwirken kann.
41Anderes könnte nur dann gelten, wenn für die Beklagte handelnde Mitarbeiter den Kläger in Schädigungsabsicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise (§ 826 BGB) im Rahmen des § 613a Abs. 5 BGB falsch unterrichtet hätten. Wem ein solcher Vorwurf zu machen wäre, hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger jedoch nicht vorgetragen.
42g) Eine Berufung der Beklagten auf die Verwirkung des Widerspruchsrechts könnte allerdings dann gegen Treu und Glauben verstoßen und damit unzulässig sein, wenn die BenQ Mobile sich ihrerseits deshalb nicht mit Erfolg auf die Verwirkung berufen könnte, weil sie den Kläger treuwidrig zum Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 9./ veranlasst und damit das Umstandsmoment unter Verstoß gegen § 242 BGB herbeigeführt hätte. Für das Vorliegen eines solchen Verstoßes trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast, wenn er sich auf die Nichtverwirklichung des Umstandsmoments berufen will (Senat - 8 AZR 740/08 -).
43Für eine solche Darlegung wäre es erforderlich, dass der Kläger vorgetragen hätte, die für die BenQ Mobile handelnden Personen, welche ihn zum Abschluss des Aufhebungsvertrages veranlasst hatten, hätten bei Abschluss desselben gewusst, dass die BenQ Mobile wegen der sich abzeichnenden Insolvenz die vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen werde. Das hat der Kläger aber weder konkret dargelegt noch ist solches aus dem Akteninhalt erkennbar. Auch betrachtet der Kläger selbst den Aufhebungsvertrag offensichtlich nach wie vor als wirksam. Insbesondere hat er seine auf Abschluss dieses Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten.
C. Der Kläger hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Fundstelle(n):
WAAAD-52970