Betriebsübergang - fehlerhafte Unterrichtung - Widerspruch - Verwirkung
Gesetze: § 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 S 1 BGB, § 186 BGB, § 242 BGB, § 425 Abs 1 BGB
Instanzenzug: ArbG Wesel Az: 8 Ca 1702/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 6 Sa 469/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen nach dem Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsübergangs weiter ein Arbeitsverhältnis besteht.
2Der Kläger war seit dem bei der Beklagten als Einrichter im Bereich „Com MD (Mobile Devices)“ beschäftigt. Sein letzter Bruttomonatsverdienst belief sich auf 2.200,00 Euro.
3Aufgrund eines Vertrages vom mit der BenQ Corporation (Sitz in Taiwan) übertrug die Beklagte mit Wirkung vom die Vermögensgegenstände dieses Geschäftsbereiches in Deutschland im Wege der Einzelrechtsübertragung („Asset Deal“) auf die BenQ Mobile GmbH & Co. OHG (im Folgenden: BenQ Mobile OHG). Diese Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet. Gesellschafter waren die BenQ Mobile Management GmbH und die BenQ Wireless GmbH. Am wurde die BenQ Mobile OHG in das Handelsregister beim Amtsgericht München eingetragen. Die beiden Gesellschafter der BenQ Mobile OHG verfügten über ein Stammkapital von jeweils 25.000,00 Euro. Im Zusammenhang mit der Übertragung der Vermögensgegenstände von der Beklagten auf die BenQ Mobile OHG zahlte die Beklagte an die BenQ Corporation einen dreistelligen Millionenbetrag.
Die Beklagte informierte mit Schreiben vom die Mitarbeiter des Geschäftsbereiches „Com MD“ (Mobile Devices) über die „Übertragung der Aktivitäten“ dieses „Geschäftsgebietes“. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:
5Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die BenQ Mobile OHG zunächst nicht und arbeitete für diese ab dem weiter.
6Nachdem der Kläger erfuhr, dass für die BenQ Mobile OHG ein Insolvenzverfahren drohte, kündigte er im September 2006 das Arbeitsverhältnis mit der Betriebserwerberin zum und wechselte zu einem neuen Arbeitgeber. Die BenQ Mobile OHG stellte am Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen, dem zum stattgegeben wurde.
7Mit Anwaltsschreiben vom widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin gegenüber der Beklagten. Diese wies den Widerspruch mit Schreiben vom als unbegründet zurück und kündigte am vorsorglich ein etwa bestehendes Arbeitsverhältnis zum . Hiergegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Wesel erhoben (- 8 Ca 3171/07 -).
8Der Kläger meint, er habe auch noch im April 2007 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen können, weil die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB durch die Unterrichtung der Beklagten über den Betriebsübergang nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Unterrichtung sei in mehrfacher Hinsicht grob fehlerhaft erfolgt, die Beklagte habe arglistig Tatsachen verschwiegen.
Der Kläger hat beantragt
10Zur Begründung ihres Antrages auf Klageabweisung hat die Beklagte die Ansicht vertreten, den Kläger mit Schreiben vom ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 BGB über den beabsichtigten Betriebsübergang unterrichtet zu haben. Daher sei der Widerspruch wegen Ablaufs der einmonatigen Widerspruchsfrist verspätet. Jedenfalls sei aber das Recht zum Widerspruch verwirkt. Durch die Eigenkündigung und den Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber habe der Kläger auf sein Widerspruchsrecht verzichtet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Gründe
12Die Revision des Klägers ist unbegründet, da die Klage unbegründet ist. Das zwischen den Parteien früher bestehende Arbeitsverhältnis ist ab nach § 613a Abs. 1 BGB auf die BenQ Mobile OHG übergegangen. Der von dem Kläger am gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses erklärte Widerspruch ist wegen Verwirkung unwirksam.
13A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
14Zwar sei die Unterrichtung der Beklagten über den Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB fehlerhaft gewesen und habe die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt. Der Kläger habe aber sein Recht zum Widerspruch verwirkt. Dies ergebe sich einmal aus dem langen Zeitraum zwischen Betriebsübergang und der vorausgegangenen Information einerseits und dem Widerspruch des Klägers im April 2007 andererseits. Der Kläger habe zum anderen das Umstandsmoment verwirklicht, da er vor Ausübung des Widerspruchsrechts eine Eigenkündigung erklärt habe. Davon wie von dem Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber habe die Beklagte im September 2006 Kenntnis erhalten, da sie aufgrund eines Dienstleistungsvertrages mit der BenQ deren Personalakten führte und somit auch über den konkreten Verlauf des Arbeitsverhältnisses des Klägers im Bild war.
15B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
16I. Die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund seines Widerspruchs vom nicht zum auf die BenQ Mobile OHG übergegangen ist, sondern mit der Beklagten fortbesteht, ist unbegründet.
171. In einer Reihe von gleichgelagerten Fällen hat der Senat entschieden, dass das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom über den beabsichtigten Betriebsteilübergang auf die BenQ Mobile OHG den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht genügt (vgl. - 8 AZR 740/08 -; - 8 AZR 538/08 - AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114 und - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).
182. Die unzulängliche Unterrichtung durch die Beklagte hatte die einmonatige Widerspruchsfrist für den Kläger (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) nicht in Lauf gesetzt (st. Rspr., vgl. Senat - 8 AZR 808/07 - mwN, AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 105).
193. Das Recht des Klägers zum Widerspruch war im Zeitpunkt seiner Ausübung am verwirkt.
20a) Der Senat hat bereits mehrmals entschieden, dass das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers verwirken kann (vgl. zB - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347).
21Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.
22Schon nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Inkrafttreten des § 613a Abs. 5 und 6 BGB konnte das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. An dieser Rechtsprechung hat der Senat im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum auch nach der neuen Rechtslage festgehalten. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann ( - 8 AZR 431/06 - mwN, BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64).
23Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei (BR-Drucks. 831/1/01 S. 2) bzw. sechs Monaten (BT-Drucks. 14/8128 S. 4) nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalles (Senat - 8 AZR 431/06 - BAGE 121, 289 = AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64). Dabei ist, wie der Senat bereits zur Verwirkung der Geltendmachung eines Betriebsübergangs ( - 8 AZR 106/99 -) ausgeführt hat, davon auszugehen, dass bei schwierigen Sachverhalten die Rechte des Arbeitnehmers erst nach längerer Untätigkeit verwirken können. Außerdem ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (Senat - 8 AZR 431/06 - mwN, aaO).
24b) Die Beurteilung der Frage, ob ein Recht verwirkt ist, obliegt zwar grundsätzlich den Tatsachengerichten, die den ihnen zur Begründung des Verwirkungseinwandes vorgetragenen Sachverhalt eigenverantwortlich zu würdigen haben (vgl. - EzAÜG AÜG § 10 Fiktion Nr. 116). Vom Revisionsgericht ist das Berufungsurteil jedoch darauf zu überprüfen, ob das Tatsachengericht die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl. - mwN, EzA BGB 2002 § 242 Verwirkung Nr. 1).
25c) Vorliegend hat das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Widerspruchsrechts im Ergebnis richtig bestimmt.
26aa) Das Zeitmoment ist erfüllt.
27Die Frist für das für die Verwirkung maßgebliche Zeitmoment beginnt nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und seine Folgen zu laufen (vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106). Damit setzt auch nicht erst die Kenntnis des Arbeitnehmers von der Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung die Frist für die Beurteilung des Vorliegens des Zeitmoments in Lauf. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgeschriebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, die in den §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei der das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind.
28Erfolgt die Prüfung entsprechend diesen Grundsätzen, so ist es nicht geboten, ähnlich wie bei gesetzlichen, gerichtlichen oder vertraglichen Fristen für das so genannte Zeitmoment einen bestimmten Fristbeginn, wie etwa die Kenntnis des Berechtigten von bestimmten Tatsachen festzulegen. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Verpflichtete aufgrund des Zeitablaufes, in dem der Berechtigte sein Recht nicht ausgeübt hat, und den Umständen des Einzelfalles, zu denen auch der jeweilige Informationsstand des Berechtigten gehört, darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Grundsätzlich ist der gesamte Zeitablauf seit der Rechtsentstehung von Bedeutung, im Falle der Beklagten jedenfalls der Zeitraum ab Ende September 2005, weil zu diesem Zeitpunkt die aus ihrer Sicht durch ihr Unterrichtungsschreiben vom in Gang gesetzte gesetzliche einmonatige Widerspruchsfrist (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) für den Kläger ablief.
29Der Kläger hat sein Widerspruchsrecht erst über 18 Monate nach dem vollzogenen Betriebsübergang vom ausgeübt, nämlich mit Anwaltsschreiben vom . Vor Ablauf eines Monats nach der Unterrichtung in Schriftform muss der Arbeitgeber wegen der in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normierten Monatsfrist mit einem Widerspruch des Arbeitnehmers rechnen. Durch die Unterrichtung über den Betriebsübergang gibt der Arbeitgeber grundsätzlich zu erkennen, dass er mit dieser die Widerspruchsfrist von einem Monat in Gang setzen will und nach Fristablauf die Erklärung von Widersprüchen nicht mehr erwartet (Senat - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).
30Dies gilt auch, wenn die Unterrichtung unvollständig oder fehlerhaft war. Der Zeitraum von über 19 Monaten zwischen der Unterrichtung über den Betriebsübergang und der Erklärung des Widerspruchs und von über 18 Monaten nach Ablauf der hypothetischen gesetzlichen Widerspruchsfrist ist nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich geeignet, das Vorliegen des Zeitmoments zu bejahen und erfüllt im Streitfall insbesondere auch deshalb das Zeitmoment, weil der Kläger durch die Eigenkündigung und die Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses mit einem dritten Arbeitgeber ein besonders gewichtiges Umstandsmoment gesetzt hatte (vgl. - 8 AZR 740/08 - und - 8 AZR 220/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 6).
31bb) Der Kläger hat durch die Eigenkündigung im September 2006 zum und die sich anschließende Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses zu einem dritten Arbeitgeber das Umstandsmoment verwirklicht.
32Das Umstandsmoment ist erfüllt, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen durfte, der Widerspruch werde nicht mehr ausgeübt. Dies ist dann der Fall, wenn er aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers annehmen durfte, dieser habe den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber und diesen damit als seinen neuen Arbeitgeber akzeptiert (vgl. Senat - 8 AZR 188/07 -; - 8 AZR 407/07 - AP BGB § 613a Nr. 348). Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Betriebserwerber disponiert hat (vgl. Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106; - 8 AZR 1016/06 - NZA 2008, 1354).
33Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer (zunächst) widerspruchslos beim Betriebserwerber weiterarbeitet und von diesem die Arbeitsvergütung entgegennimmt, stellt ebenso wenig eine Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses dar (vgl. Senat - 8 AZR 225/07 -; - 8 AZR 175/07 - AP BGB § 613a Nr. 347) wie Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber, durch welche einzelne Arbeitsbedingungen, zB Art und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung oder die Höhe der Arbeitsvergütung, geändert werden. Als Disposition über den Bestand des Arbeitsverhältnisses stellen sich nur solche Vereinbarungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers dar, durch welche es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, zB Abschluss eines Aufhebungsvertrages (Senat - 8 AZR 174/07 - AP BGB § 613a Nr. 363 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 106) bzw. die Hinnahme einer vom Betriebserwerber ausgesprochenen Kündigung (Senat - 8 AZR 175/07 - aaO), oder durch welche das Arbeitsverhältnis auf eine völlig neue rechtliche Grundlage gestellt wird (zB die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses; Senat - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).
34Aufgrund der Eigenkündigung und der Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses mit einem dritten Arbeitgeber durfte die Beklagte davon ausgehen, der Kläger werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben (Erfüllung des Umstandsmoments).
354. Entgegen den mit der Revision vorgebrachten Überlegungen ist es unerheblich, ob und ggf. ab wann die Beklagte von der Eigenkündigung des Klägers und seinem neuen Arbeitsverhältnis Kenntnis hatte und wodurch. Auf die Verletzung etwaiger Datenschutzbestimmungen, auf die sich der Kläger beruft, kommt es nicht an, da sich die Beklagte auf Verwirkung berufen darf, unabhängig davon, ob ihr alle von dem Kläger verwirklichten Umstandsmomente bekannt geworden sind.
36Bei der Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Verpflichteten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Jedenfalls im unmittelbaren Verhältnis zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber sieht das Gesetz grundsätzlich eine gemeinsame Verpflichtung und Berechtigung beider aus dem Arbeitsverhältnis vor. Daraus folgt, dass immer dann, wenn sich der Betriebserwerber als neuer Arbeitgeber mit Erfolg auf Verwirkungsumstände berufen könnte, diese auch der Betriebsveräußerer als früherer Arbeitgeber für sich in Anspruch nehmen darf.
37Die Unterrichtungspflicht des § 613a Abs. 5 BGB trifft als Gesamtschuldner sowohl den bisherigen Arbeitgeber als auch den neuen Betriebsinhaber. Der von einem Betriebsübergang betroffene Arbeitnehmer erlangt die Fortdauer seines Widerspruchsrechts sowohl durch Informationsfehler des einen wie des anderen. Wenn das Gesetz in der Frage der Informationspflicht zum Betriebsübergang den alten und neuen Arbeitgeber als Einheit sieht, legt dies nahe, Betriebsveräußerer und Betriebserwerber auch hinsichtlich des Informationsstandes zum Arbeitnehmerverhalten einheitlich aufzufassen. Auch Art. 3 Abs. 2 der RL 2001/23/EG fingiert einen gleichen Informationsstand von Veräußerer und Erwerber über die Rechte und Pflichten der übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Entscheidend kommt hinzu, dass nach § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB der Arbeitnehmer den Widerspruch sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber (Betriebsveräußerer) als auch gegenüber dem neuen Inhaber (Betriebserwerber) erklären darf. Der Widerspruch kann aber nicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber verwirkt sein, weil dieser die eingetretenen „Umstände“ kennt, gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber wegen dessen Unkenntnis jedoch nicht. Für das Schuldverhältnis von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber als Gesamtschuldner gegenüber dem Arbeitnehmer als Berechtigtem ist in § 613a BGB, insbesondere in dessen Abs. 6, „ein anderes“ normiert (§ 425 Abs. 1 BGB). Neuer und alter Arbeitgeber dürfen sich wechselseitig auf die Kenntnis des anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (Senat - 8 AZR 357/08 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113; - 8 AZR 220/07 - AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 6).
385. Indem die Beklagte sich auf die Verwirkung des Widerspruchsrechts beruft, verstößt sie nicht ihrerseits gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
39a) Das Landesarbeitsgericht hat nur festgestellt, dass die Beklagte nicht ausreichend informiert hat. Es hat jedoch nicht ausdrücklich festgestellt, dass die Beklagte bewusst und zielgerichtet Falschinformationen weitergegeben hat, um die Arbeitnehmer und damit auch den Kläger von einem Widerspruch abzuhalten. Dagegen hat der Kläger keinen zulässigen und begründeten Revisionsangriff erhoben, sodass der Senat an diese Feststellungen gebunden ist (§ 559 Abs. 2 ZPO). Weiter hat der Kläger selbst in der Revisionsinstanz eingeräumt, mit seiner Eigenkündigung auf eine für ihn deutlich gewordene wirtschaftliche Schieflage der Betriebserwerberin reagiert zu haben. Dies steht im Widerspruch zu seinem Vorbringen, er sei durch arglistige Täuschung im Informationsschreiben vom von der Einlegung eines Widerspruchs abgehalten worden. Denn als er erkannte oder erkennen musste, dass die von der Beklagten gegebenen Informationen falsch waren, reagierte er nicht mit einem Widerspruch, sondern mit einer Eigenkündigung des auf die Betriebserwerberin übergegangenen Arbeitsverhältnisses. Der Kläger zog es vor, ein neues, ganz anderes Arbeitsverhältnis zu begründen.
40b) Im Übrigen führt auch die nicht ordnungsgemäße Unterrichtung über den Betriebsteilübergang nicht dazu, dass die Beklagte sich nicht auf die Verwirkung des Widerspruchsrechts berufen könnte. Dies wäre ein widersinniges Ergebnis. Einerseits behielte der Kläger sein Widerspruchsrecht wegen der fehlerhaften Unterrichtung länger, als in § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB normiert. Andererseits könnte das Widerspruchsrecht deshalb nicht verwirken, weil der Kläger nicht entsprechend den Vorgaben des § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet worden war. Dies hätte zur Folge, dass im Falle einer fehlerhaften Unterrichtung durch den alten Arbeitgeber eine Verwirkung des Rechts zum Widerspruch in der Regel nicht eintreten könnte. Dies widerspräche dem Grundsatz, dass jedes Recht verwirken kann.
II. Der Kläger hat nach § 97 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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Fundstelle(n):
ZAAAD-52969