Konkurrentenklage - Auswahlverfahren - Abbruch
Leitsatz
1. Bricht ein öffentlicher Arbeitgeber ein Auswahlverfahren zur Besetzung einer Stelle aus sachlichen Gründen ab, gehen die Verfahrensrechte der Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG unter.
2. Beanstandet ein Gericht im einstweiligen Verfügungsverfahren, der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes habe gegen seine aus Art. 33 Abs. 2 iVm. Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete Pflicht, die Leistungsbewertungen und die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, verstoßen, berechtigt dies zum Abbruch des Auswahlverfahrens. Die fehlende schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen stellt einen nicht heilbaren erheblichen Verfahrensmangel dar.
Gesetze: Art 19 Abs 4 GG, Art 33 Abs 2 GG, § 69 Abs 3 S 1 ArbGG
Instanzenzug: ArbG Magdeburg Az: 3 Ca 1757/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Az: 4 Sa 254/08 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Besetzung der Stelle/des Dienstpostens des Präsidenten/der Präsidentin der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (im Folgenden: LLFG).
Der Kläger ist bei dem beklagten Land seit 1993 im Angestelltenverhältnis beschäftigt, zuletzt in der Position des Leiters der Abteilung II der LLFG, Zentrum für Acker- und Pflanzenbau. In dieser Tätigkeit war er ständiger Vertreter des Präsidenten der LLFG. Er ist in Vergütungsgruppe I BAT-O (nunmehr: E 15 Ü TV-L) eingruppiert. Das LLFG gehört zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt des beklagten Landes (im Folgenden: MLU). Mit Datum vom schrieb das MLU die Stelle des Präsidenten/der Präsidentin der LLFG aus. Die Besetzung war zum vorgesehen. Die Stelle war mit der Besoldungsgruppe B 3 Landesbesoldungsgesetz oder einer entsprechenden Angestelltenvergütung bewertet. Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom . Es bewarben sich insgesamt sieben Bedienstete (Angestellte und Beamte) des beklagten Landes. Die Bewerber wurden dienstlich beurteilt und zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Neben dem Kläger erzielten die Bewerber B und Dr. K das Bewertungsergebnis C/B (C = übertrifft die Leistungsanforderungen; B = stark befähigt). Ab dem übernahm der Kläger die Amtsgeschäfte des Präsidenten der LLFG. Die beim MLU gebildete Auswahlkommission schlug mit Schreiben vom sowohl den Kläger als auch die Mitbewerber Dr. A und B für die Besetzung der Stelle vor. Das Referat 12 (Personalreferat) des MLU teilte der damaligen Ministerin mit Schreiben vom mit, die Hausleitung habe sich am für den von der Auswahlkommission vorgeschlagenen Bewerber B entschieden. Damit sei das Auswahlverfahren im Hause abgeschlossen. Am teilte das MLU dem Kläger mit, dass die Besetzung der Stelle mit Herrn B vorgesehen sei. In dem Vermerk einer Sachbearbeiterin des Referats 12 des MLU vom heißt es ua.:
Mit Schreiben vom teilte die damalige Ministerin des MLU dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, die Stelle mit Herrn B als dem bestgeeigneten Bewerber zu besetzen. Am präzisierte der ausgeschiedene Präsident Dr. Ha die Anlassbeurteilung für den Kläger. Entsprechende Ergänzungen zu den Verwendungsvorschlägen erfolgten auch für die Mitbewerber B und Dr. K. Mit Schreiben vom bat das MLU den Ministerpräsidenten um Zustimmung zur beabsichtigten Übertragung der Aufgabe des Präsidenten der LLFG an Herrn B. Mit Schreiben vom erklärte der Ministerpräsident gegenüber der damaligen Ministerin:
4Mit Urteil vom (- 4 SaGa 3/07 -) untersagte das Landesarbeitsgericht dem beklagten Land im einstweiligen Verfügungsverfahren, die ausgeschriebene Stelle des Präsidenten/der Präsidentin der LLFG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die vom Kläger erhobene Konkurrentenklage zu besetzen. Es stützte seine Entscheidung ua. darauf, dass die wesentlichen Auswahlerwägungen nicht schriftlich niedergelegt worden seien. Mit Vermerk vom des Referats 12, unterzeichnet von der Oberregierungsrätin R, wurde die Stellenausschreibung zur Nachbesetzung des Dienstpostens des Präsidenten der LLFG mit der Begründung aufgehoben, das Stellenbesetzungsverfahren könne aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht mehr ordnungsgemäß abgeschlossen werden. Dies wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben des MLU vom mitgeteilt. Mit Schreiben vom erklärte die damalige Ministerin des MLU vorsorglich nochmals, dass die Stellenausschreibung vom wegen erheblicher gerichtlich festgestellter Verfahrensfehler aufgehoben werde.
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens sei rechtswidrig. Insbesondere sei die Oberregierungsrätin R für die Abbruchentscheidung nicht zuständig gewesen. Ihm sei als am besten geeigneten Bewerber die Stelle zu übertragen.
Der Kläger hat beantragt,
7Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom in der Hauptsache für erledigt erklärt. Es hat die Auffassung vertreten, das Stellenbesetzungsverfahren sei rechtmäßig abgebrochen worden. Rechte des Klägers würden daher nicht mehr bestehen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts.
Gründe
9A. Die Revision des beklagten Landes ist begründet und führt zur Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts.
10I. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht schon deshalb aufzuheben, weil es nicht die Berufungsanträge wörtlich wiedergibt.
111. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 ArbGG soll der Tatbestand des Berufungsurteils, wenn die Revision statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands enthalten. Dazu gehört auch die Wiedergabe der Anträge (GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 69 Rn. 12). Fehlt es hieran, muss das Berufungsurteil wenigstens erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat ( - zu I der Gründe, BGHZ 154, 99). Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG ist eine Bezugnahme ua. auf Protokolle zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
122. Die Voraussetzungen einer zulässigen Bezugnahme sind hier gegeben. Das Landesarbeitsgericht nimmt im Tatbestand seines Urteils hinsichtlich der von den Parteien in der Berufungsverhandlung zuletzt gestellten Anträge auf Seite 2 des Protokolls vom Bezug. Ausweislich dieses Protokolls haben die Parteien ihre Anträge aus der mündlichen Verhandlung vom wiederholt. Dort wird auf die schriftsätzlich angekündigten Anträge Bezug genommen. Damit lässt sich feststellen, welche Anträge im Berufungsverfahren gestellt worden sind.
13II. Die einseitige Erledigungserklärung des beklagten Landes verhindert keine Sachentscheidung. Das beklagte Land hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom in der Hauptsache für erledigt erklärt, weil es die Besetzung der Stelle des Präsidenten/der Präsidentin der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau abgebrochen habe. Ein Beklagter kann den Rechtsstreit nicht einseitig für erledigt erklären. Er kann über den Streitgegenstand nicht verfügen (Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 91a Rn. 52).
14III. Die Klage ist im Hauptantrag und in den Hilfsanträgen unbegründet.
151. Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, dem Kläger die Stelle des Präsidenten der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau zu übertragen. Dieser Verpflichtung steht der wirksame Abbruch des Auswahlverfahrens entgegen.
16a) Bricht der öffentliche Arbeitgeber das Stellenbesetzungsverfahren aus einem sachlich nachvollziehbaren Grund ab, gehen die Verfahrensrechte der Bewerber nach Art. 33 Abs. 2 GG unter. Die Durchführung einer Stellenausschreibung zwingt den Dienstherrn nicht, den Dienstposten mit einem der Auswahlbewerber zu besetzen. Die Ausschreibung ist lediglich ein Hilfsmittel zur Gewinnung geeigneter Bewerber ( 2 C 14.98 - juris-Rn. 26, NVwZ-RR 2000, 172). Der Bewerberverfahrensanspruch verdichtet sich nur dann zu einem Besetzungsanspruch, wenn das Auswahlverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wurde und die Auswahl nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zugunsten des Anspruchstellers ausgefallen war oder hätte ausfallen müssen (Senat - 9 AZR 277/08 - Rn. 18, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 70 = EzA GG Art. 33 Nr. 36).
17b) Ein Einstellungsanspruch des Klägers kann nach diesen Grundsätzen nur gegeben sein, wenn die Bestenauslese zum Zeitpunkt des Abbruchs des Stellenbesetzungsverfahrens ohne Verletzung der Bewerberverfahrensansprüche der anderen Bewerber gemäß Art. 33 Abs. 2 GG zugunsten des Klägers abgeschlossen war und nur der sachwidrige Abbruch des Besetzungsverfahrens seine Einstellung verhinderte. Das war nicht der Fall.
18aa) Es ist schon fraglich, ob das Auswahlverfahren, wie der Kläger meint, zu seinen Gunsten abgeschlossen war. Das könnte sich nur aus der Stellungnahme des Referats 12 (Personalreferat) vom ergeben. Dort führte es aus, der Kläger sei nach der vorliegenden Beurteilungssituation der beste Bewerber. Hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dies sei die Ergebnismitteilung einer abschließenden Bestenauslese zugunsten des Klägers gemäß Art. 33 Abs. 2 GG. Es handelt sich erkennbar lediglich um eine interne Bewertung der Beurteilungssituation durch einen Sachbearbeiter. Es ist nicht festgestellt, dass der handelnde Sachbearbeiter zu einer abschließenden verbindlichen Bestenauslese befugt gewesen wäre.
19bb) Hier kann dahinstehen, ob eine Bestenauslese nur zugunsten des Klägers hätte ausfallen können; denn das beklagte Land brach das Auswahlverfahren vor der Besetzung der Stelle nicht ohne Rechtsgrund ab.
20(1) Der Dienstherr darf ein eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit beenden und von einer ursprünglich geplanten Einstellung oder Beförderung absehen. Das für den Abbruch des Auswahlverfahrens maßgebliche organisations- und verwaltungspolitische Ermessen ist ein anderes als das bei einer Stellenbesetzung zu beachtende Auswahlermessen (vgl. 2 C 14.98 - juris-Rn. 26, NVwZ-RR 2000, 172).
21(2) Der Abbruch des Besetzungsverfahrens wirkt nur dann in der Weise, dass er die Ansprüche nach Art. 33 Abs. 2 GG beseitigt, wenn er aus sachlichen Gründen erfolgt (Senat - 9 AZR 277/08 - Rn. 23, AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 70 = EzA GG Art. 33 Nr. 36). Die konkrete Stellenausschreibung dient der verfahrensmäßigen Absicherung des Bewerberverfahrensanspruchs potentieller Bewerber. Aus diesem Grund darf das Auswahlverfahren nur aus sachlichen Gründen abgebrochen werden ( - Rn. 8, NVwZ-RR 2009, 344; - 2 BvR 2494/06 - Rn. 7, ZTR 2007, 586). Mit jedem Abbruch einer Ausschreibung und der anschließenden erneuten Ausschreibung der zu besetzenden Stelle kann die Bewerbersituation verändert werden. Die Berufsfreiheit und das Recht der Bewerber auf Chancengleichheit erlauben daher den Abbruch eines laufenden Verfahrens nur unter der Voraussetzung, dass hierfür sachlich nachvollziehbare Gründe vorhanden sind (vgl. - aaO; - 1 BvR 2231/02, 1 BvR 572/03, 1 BvR 586/03, 1 BvR 629/03 - zu B II 1 b der Gründe, NJW-RR 2005, 998). Dabei dürfen auch keine sachlichen Gründe für einen Abbruch selbst geschaffen werden, um eine nach der Bestenauslese unabweisbare Entscheidung zugunsten eines bestimmten Bewerbers zu verhindern. Die Vereitelung des Bewerberverfahrensanspruchs eines Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG ist unzulässig (vgl. Senat - 9 AZR 277/08 - Rn. 23, aaO). Ein Verfahrensabbruch, der gegen diese Grundsätze verstößt, ist rechtswidrig.
22(3) Gemessen daran ist der Abbruch des Besetzungsverfahrens nicht zu beanstanden. Er erfolgte wegen der dem beklagten Land im einstweiligen Verfügungsverfahren vorgeworfenen Mängel. Das Verfahren in dieser Situation abzubrechen, war sachlich nachvollziehbar. Dafür, dass das beklagte Land - wie der Kläger geltend macht - den Grund für den Abbruch selbst geschaffen hat, um die zugunsten des Klägers als des nach seiner Ansicht objektiv bestgeeigneten Bewerbers vorzunehmende Stellenbesetzung zu vereiteln, fehlen tatsächliche Feststellungen.
23(a) Nach dem Vermerk des Referats 12 vom erfolgte der Abbruch wegen der vom Landesarbeitsgericht im einstweiligen Verfügungsverfahren festgestellten erheblichen Verfahrensmängel.
24(b) Es kann ein sachlicher Grund für die vorzeitige Beendigung des Auswahlverfahrens zur Besetzung einer Beförderungsstelle sein, wenn ein Gericht die durch den Arbeitgeber getroffene Auswahlentscheidung beanstandet und die gerichtlichen Erwägungen zumindest bedenkenswert erscheinen. In einem derartigen Fall liegt es im Ermessen des Dienstherrn, ein an wesentlichen Fehlern leidendes Auswahlverfahren nicht unter Heilung dieser Fehler weiterzubetreiben und mit einem neuen Verfahren „ganz von vorn“ zu beginnen (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 6 A 604/05 - juris-Rn. 23). Die gerichtliche Beanstandung einer Auswahlentscheidung stellt grundsätzlich einen sachlichen Grund für den Abbruch eines Auswahlverfahrens dar, sofern die Ausführungen des Gerichts dem Dienstherrn berechtigten Anlass geben, seine Entscheidungsfindung zu überdenken. In einem solchen Fall ist der Dienstherr auch nicht gehalten, den Rechtsweg auszuschöpfen ( - zu II der Gründe, NVwZ-RR 2007, 404).
25(c) Das Landesarbeitsgericht hat in seinem Urteil in dem einstweiligen Verfügungsverfahren ( - 4 SaGa 3/07 -) ua. einen Verfügungsanspruch bejaht, weil die wesentlichen Auswahlerwägungen nicht schriftlich niedergelegt worden seien (Seite 12, zu II 2 b aa der Gründe). Es kommt nicht darauf an, ob diese Beanstandung aus dem summarischen einstweiligen Verfügungsverfahren auch einer eingehenden Prüfung im Hauptsachverfahren standhalten würde. Die Ausführungen des Gerichts gaben dem beklagten Land jedenfalls berechtigten Anlass, seine Entscheidungsfindung zu überdenken und das Verfahren abzubrechen.
26(aa) Die fehlende schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen stellt einen nicht heilbaren erheblichen Verfahrensmangel dar. Die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes sind verpflichtet, die Leistungsbewertungen und die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Diese Pflicht folgt aus Art. 33 Abs. 2 iVm. Art. 19 Abs. 4 GG. Sie gilt damit sowohl für Beamte als auch für Arbeiter und Angestellte. Ein dem späteren Konkurrentenklageverfahren vorgelagertes Auswahlverfahren darf nicht so ausgestaltet sein, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert ( - zu 1 der Gründe, NJW 1990, 501). Das wäre dann der Fall, wenn der unterlegene Bewerber keine oder nur eine lückenhafte Kenntnis über die Auswahlgründe hätte. Er könnte nicht sachgerecht darüber entscheiden, ob er die Auswahlentscheidung hinnehmen oder gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen soll (vgl. Hessischer - juris-Rn. 5, ZTR 1997, 526). Das Dokumentationsgebot ist für die Transparenz der Auswahlentscheidung unverzichtbar (vgl. für Prüfungsentscheidungen 6 C 3.92 - zu 2 der Gründe, BVerwGE 91, 262). Es ist auch für eine Konkurrentenklage zwingende Voraussetzung zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, denn nur die schriftliche Dokumentation gewährleistet eine gleiche und zuverlässige Information. Sie stellt sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind. Sie ermöglicht zudem eine Selbstkontrolle des Auswählenden. Aus Art. 33 Abs. 2 iVm. Art. 19 Abs. 4 GG folgt deshalb die Verpflichtung, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen (Senat - 9 AZR 72/02 - zu A II 2 b bb der Gründe, BAGE 104, 295).
27(bb) Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, den Mangel zu heilen und das Verfahren fortzusetzen. Denn ein solcher Mangel ist nicht heilbar.
28Die Annahme, die Auswahlerwägungen könnten auch erstmals im Rahmen eines gerichtlichen Konkurrentenklageverfahrens dargelegt werden, mindert die Rechtsschutzmöglichkeiten des unterlegenen Bewerbers in unzumutbarer Weise. Dies gilt nicht nur im Hinblick darauf, dass ohne die Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen eine substantiierte Begründung der Klage kaum - oder jedenfalls nur sukzessive auf die Erwiderung des Arbeitgebers hin - möglich ist. Insbesondere ist es dem unterlegenen Bewerber nicht zuzumuten, die Auswahlentscheidung „ins Blaue hinein“ in einem gerichtlichen Verfahren angreifen zu müssen, um überhaupt nur die tragenden Erwägungen der Auswahlentscheidung zu erfahren. Im Übrigen stellt nur die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind, und erweist sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG ( - Rn. 22, ZTR 2007, 707).
29c) Entgegen der Ansicht des Klägers handelte das beklagte Land auch nicht missbräuchlich (§ 242 BGB), wenn es sich auf den Abbruch des Verfahrens berief, obwohl es den Bewerbern bereits die Auswahlentscheidung zugunsten des Mitbewerbers B durch Schreiben des MLU vom mitgeteilt hatte. Entschließt sich der Dienstherr zum Abbruch eines Auswahlverfahrens, nachdem er den Bewerbern bereits eine Auswahlentscheidung mitgeteilt hat, so bringt er durch die Mitteilung über den Abbruch zugleich zum Ausdruck, dass er an der zuvor mitgeteilten Auswahlentscheidung nicht mehr festhält. Der von einem sachlichen Grund getragene Abbruch des Auswahlverfahrens hat zwangsläufig zur Folge, dass die zuvor mitgeteilte Auswahlentscheidung gegenstandslos wird ( - zu 1 der Gründe, DÖD 2005, 116).
30d) Es kann dahinstehen, ob die Referentin R im Personalreferat nach dem Organisationsplan berechtigt war, die Entscheidung zu treffen, das Verfahren abzubrechen. Gemäß Abschn. I Nr. 4 Buchst. a Doppelbuchst. bb iVm. Abschn. I Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc des Runderlasses des MLU vom (MBl. LSA S. 440, 441) behielt sich das MLU für Angestellte der Vergütungsgruppe Ia BAT-O und aufwärts die Einwilligungsbefugnis für Versetzungen auch im Bereich der LLFG vor (Abschn. I Nr. 1 Buchst. b Runderlass des MLU vom ). Die Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt wiederholte (vorsorglich) die Aufhebung der Stellenausschreibung mit Schreiben vom .
312. Der erste Hilfsantrag des Klägers, seine Bewerbung neu zu bescheiden, ist aus denselben Gründen unbegründet. Da das beklagte Land das Stellenbesetzungsverfahren berechtigt abbrach, kommt eine Neubescheidung nicht in Betracht.
323. Der zweite Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung, dass der Abbruch des Auswahlverfahrens unwirksam ist, ist ebenfalls unbegründet.
33a) Der Antrag bedarf zunächst der Auslegung. Der Abbruch kann nicht, wie nach dem Wortlaut des Antrags geltend gemacht, unwirksam, sondern als Realakt allenfalls rechtswidrig sein (vgl. zum Rechtscharakter der Auswahlentscheidung: Senat - 9 AZR 672/06 - Rn. 12, BAGE 124, 80). Tatsächlich erstrebt der Kläger die Durchsetzung seines Bewerberverfahrensanspruchs durch Fortsetzung des (seiner Auffassung nach rechtswidrig) abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens.
34b) Der Antrag ist aus denselben Gründen wie der Hauptantrag unbegründet, da das beklagte Land das Stellenbesetzungsverfahren berechtigt abbrach. Es ist deshalb nicht verpflichtet, das Auswahlverfahren fortzusetzen.
B. Da die Berufung des Klägers zurückzuweisen ist, verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung, die auf § 91 Abs. 1 ZPO beruht. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung (§ 97 Abs. 1 ZPO) und als unterliegende Partei auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2010 S. 2172 Nr. 36
BB 2010 S. 2884 Nr. 47
NJW 2010 S. 3595 Nr. 49
SAAAD-52659