BAG Urteil v. - 3 AZR 894/08

Instanzenzug: Az: 17 Ca 8671/07 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 6 Sa 530/08 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung für dem Kläger von seiner ehemaligen Arbeitgeberin gewährte Hausbrandleistungen und einen Zuschuss zum Anpassungsgeld einzustehen hat.

Der Kläger ist am geboren. Er war ab dem Jahr 1984 bei der D GmbH beschäftigt. Am schlossen der Kläger und seine Arbeitgeberin eine „Vereinbarung“, die ua. folgenden Wortlaut hat:

3Der Kläger ist Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins. Er erhält Anpassungsgeld vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.

4Die ehemalige Arbeitgeberin zahlte dem Kläger einen Zuschuss zum Anpassungsgeld von monatlich 448,35 Euro. Außerdem hat er ihr gegenüber Hausbrandkohle für das Jahr 2007 im Wert von 315,77 Euro geltend gemacht.

5Über das Vermögen der D GmbH als ehemaliger Arbeitgeberin des Klägers hat das Amtsgericht Dortmund am das Insolvenzverfahren eröffnet.

6Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagte sei sowohl für die Hausbrandleistungen als auch für das Anpassungsgeld einstandspflichtig. Hinsichtlich der Hausbrandleistungen hat er deshalb für das Jahr 2007 315,77 Euro und hinsichtlich des Anpassungsgeldes für die Monate von Dezember 2006 bis September 2007 - unter Berücksichtigung gezahlter 900,00 Euro - 3.583,50 Euro verlangt.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

8Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte sieht sich nicht einstandspflichtig.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den zuletzt gestellten Klageantrag weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

10Die Revision ist unbegründet. Der Beklagte ist nicht einstandspflichtig für Hausbrandleistungen, die die Arbeitgeberin an den Kläger zu erbringen hatte, und den Zuschuss zum Anpassungsgeld. Es liegen keine Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor, für die der Beklagte einstandspflichtig sein könnte.

11I. Hinsichtlich des Begriffs der betrieblichen Altersversorgung sind folgende Grundsätze maßgebend:

121. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG handelt es sich um betriebliche Altersversorgung, wenn Leistungen der Alters-, der Invaliditäts- oder der Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugesagt sind. Die Zusage muss einem Versorgungszweck dienen und die Leistungspflicht nach dem Inhalt der Zusage durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis, nämlich Alter, Invalidität oder Tod ausgelöst werden. Erforderlich und ausreichend ist weiter, dass durch die vorgesehene Leistung ein im Betriebsrentengesetz angesprochenes biometrisches Risiko teilweise übernommen wird. Die Altersversorgung deckt einen Teil der „Langlebigkeitsrisiken“, die Hinterbliebenenversorgung einen Teil der Todesfallrisiken und die Invaliditätssicherung einen Teil der Invaliditätsrisiken ab. Die Risikoübernahme muss in einer Versorgung bestehen. Der Begriff der Versorgung ist weit auszulegen. Versorgung sind alle Leistungen, die den Lebensstandard des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Versorgungsfall verbessern sollen(vgl.  - Rn. 21 ff., AP BetrAVG § 1 Nr. 56 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 92).

132. Bei der rechtlichen Beurteilung ist dabei darauf abzustellen, welches Ereignis die Versorgung auslöst, nicht darauf, aus welchem Grund die Zusage erteilt wurde. Es ist deshalb nicht Voraussetzung für betriebliche Altersversorgung, dass damit Betriebstreue belohnt wird, auch wenn dies regelmäßig der Fall ist( - zu I 2 der Gründe, AP BetrAVG § 7 Nr. 58 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 35). Der Leistungsbegriff des Betriebsrentengesetzes umfasst dabei nicht nur Geldleistungen, sondern auch Sach- und Nutzungsleistungen, insbesondere Deputate, selbst wenn derartige Leistungen auch den aktiven Arbeitnehmern gewährt werden ( - Rn. 43, BAGE 120, 330).

143. Bei der Abgrenzung der vom Betriebsrentenrecht erfassten Risiken knüpft das Gesetz an die gesetzliche Rentenversicherung an. Das führt dazu, dass in anderen Versicherungszweigen der gesetzlichen Versicherung abgesicherte Risiken, insbesondere das der Arbeitslosigkeit und das der Krankheit sich von den Versorgungsrisiken des Betriebsrentenrechts unterscheiden(vgl.  - Rn. 19, EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 6). Auch eine reine Notlagenunterstützung - entsprechend dem Sozialhilferecht - ist keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung (vgl.  - AP BetrAVG § 1 Nr. 31 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 68).

15Die Anknüpfung an das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung verlangt allerdings keinen vollen Gleichklang. Grundsätzlich ist in der Versorgungsordnung der Leistungsfall zu definieren. Der Regelungsgeber ist nicht gehalten, sich den Regeln der gesetzlichen Sozialversicherung anzuschließen und für die betriebliche Versorgung gleiche oder entsprechende Regeln aufzustellen( - zu B 2 a der Gründe, AP BetrAVG § 1 Invaliditätsrente Nr. 8 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 53). Wie sich schon aus § 6 BetrAVG ergibt, ist es aber umgekehrt auch zulässig, wenn die Leistungsvoraussetzungen an die Rentenberechtigung aus dem Sozialversicherungsrecht anknüpfen, soweit dadurch Voraussetzungen definiert werden, die der Absicherung eines der genannten biometrischen Risiken dienen. Gleiches gilt, wenn an andere gesetzliche Regelungen angeknüpft wird.

16II. Entsprechend diesen Grundsätzen stellen weder der Zuschuss zum Anpassungsgeld noch die Hausbrandleistung betriebliche Altersversorgung, für die der Beklagte einstehen müsste, dar.

171. Das gilt zunächst für den Zuschuss zum Anpassungsgeld.

18a) Rechtsgrundlage für Anpassungsgeld im Bergbau sind die Richtlinien vom (BAnz. Nr. 218 vom S. 16032 f.). Der Zuschuss zum Anpassungsgeld ist eine daran geknüpfte Versorgungsleistung.

19Eine an das Anpassungsgeld geknüpfte Versorgungsleistung deckt keines der im Betriebsrentengesetz angesprochenen biometrischen Risiken, insbesondere nicht das Altersrisiko, ab. Voraussetzung für die Gewährung von Anpassungsgeld ist nämlich(Nr. 3.2 der Richtlinie), dass der Arbeitnehmer wegen einer ministeriell genehmigten Stilllegungs- oder Rationalisierungsmaßnahme entlassen worden ist. Ebenso wie das aufgestockte Anpassungsgeld knüpft die betriebliche Versorgungsleistung deshalb nicht an das „Langlebigkeitsrisiko“ Alter, sondern den Verlust des Arbeitsplatzes und damit an das Risiko der Arbeitslosigkeit an. Dieses Risiko ist nicht im Betriebsrentengesetz angesprochen ( - Rn. 16 ff., AP BetrAVG § 1 Nr. 58). Letztlich geht es um die Überbrückung einer erwarteten Arbeitslosigkeit; dafür vorgesehene Leistungen sind keine betriebliche Altersversorgung (vgl.  - zu A der Gründe mwN, EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 9).

20b) Entgegen der Auffassung des Klägers liegt darin auch keine unzulässige Altersdiskriminierung. Das AGG gilt nicht, da es sich um die Anwendung von im Betriebsrentengesetz enthaltenen Regelungen handelt(§ 2 Abs. 2 Satz 2 AGG;  - Rn. 22 ff., BAGE 125, 133). Auch Unionsrecht steht dem Ergebnis nicht entgegen:

21Maßgeblich wären allenfalls die Grundsätze der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(ABl. EG Nr. L 303 vom S. 16), mit dem der nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Grundrechtscharta der Europäischen Union primärrechtlich gesicherte Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen ua. des Alters konkretisiert wird (vgl.  - [Kücükdeveci] ABl. EU Nr. C 63 vom S. 4).

22Danach wäre die Festsetzung einer Altersgrenze als Voraussetzung für Alters- oder Invaliditätsleistungen zulässig, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt(Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie). Eine mittelbare Anknüpfung an das Lebensalter durch die gesetzliche Abgrenzung der Leistungsrisiken des Beklagten als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung wäre danach erst recht zulässig.

23Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage ist eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 EG-Vertrag bzw. Art. 267 AEUV entbehrlich(„acte clair“, zB  - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415, 3430 f.).

242. Ebenso wenig hat der Kläger Anspruch auf Hausbrandleistungen unter Voraussetzungen, die an die Abdeckung eines biometrischen Risikos nach dem Betriebsrentengesetz anknüpfen.

25Der Kläger hat nicht behauptet, eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten. Ein Anspruch auf Leistung von Hausbrandkohle beruht deshalb entweder darauf, dass der Kläger Anpassungsgeld erhält oder dass er Bergmannsversorgungsscheininhaber ist. In beiden Fällen wird nicht an ein biometrisches Risiko angeknüpft. Soweit es um eine Anknüpfung an die Zahlung von Anpassungsgeld geht, gilt das oben(II. 1.) Gesagte. Aber auch soweit der Anspruch auf Hausbrand daran anknüpft, dass der Kläger Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins ist, ergibt sich nichts anderes.

Rechtsgrundlage für die Erteilung von Bergmannsversorgungsscheinen ist das „Gesetz über einen Bergmannsversorgungsschein im Land Nordrhein-Westfalen (Bergmannsversorgungsscheingesetz - BVSG NW)“ vom (GV.NRW. S. 635), zuletzt geändert durch Gesetz vom (GV.NRW. S. 299). Zielrichtung dieses Gesetzes ist - unabhängig von den Voraussetzungen für die Erteilung des Bergmannsversorgungsscheins (§ 2 BVSG NW) - die Eingliederung in das Arbeitsleben, insbesondere durch den besonderen Kündigungsschutz (§§ 10 ff. BVSG NW). Dementsprechend sieht das Gesetz keine besondere Altersvoraussetzung vor und knüpft deshalb nicht an das „Langlebigkeitsrisiko“ an. Das Gesetz kommt ferner Arbeitnehmern nicht zugute, die aufgrund ihrer Berufsunfähigkeit dem Arbeitsmarkt ohnehin nicht mehr zur Verfügung stehen (vgl. LSG NW - L 2 KN 180/04 -). Es dient damit auch nicht der Abdeckung des Invaliditätsrisikos.

Fundstelle(n):
JAAAD-47676