Gesamtleistungsbewertung - beitragsgeminderte Zeit - Schulausbildung - Zeiten der beruflichen Ausbildung - Zuschlag - Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz
Auf der Grundlage des ab dem geltenden Rechts ist der Zuschlag an Entgeltpunkten für beitragsgeminderte Zeiten einer schulischen oder beruflichen Ausbildung jeweils getrennt zu ermitteln.
Gesetze: § 54 Abs 3 S 1 SGB 6 vom , § 54 Abs 3 S 2 SGB 6 vom , § 54 Abs 3 S 3 SGB 6 vom , § 54 Abs 3 S 4 SGB 6 vom , § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB 6 vom , § 58 Abs 1 S 1 Nr 4a SGB 6, § 64 SGB 6, § 66 Abs 1 Nr 3 SGB 6, § 67 SGB 6, § 70 Abs 3 SGB 6, § 71 Abs 2 S 1 SGB 6 vom , § 71 Abs 2 S 2 SGB 6 vom , § 71 Abs 2 S 1 SGB 6 vom , § 71 Abs 2 S 1 SGB 6 vom , § 71 Abs 2 SGB 6 vom , § 255a SGB 6, § 254b SGB 6, § 254d SGB 6, § 300 Abs 1 SGB 6, § 300 Abs 2 SGB 6, Art 1 Nr 14 SGB6uaÄndG, Art 1 Nr 14 WFG, RRG 1992, RRG 1999, Art 3 Abs 1 GG
Instanzenzug: Az: S 73 RA 4959/00 Urteilvorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Az: L 8 R 76/05 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger begehrt höhere Altersrente unter Anrechnung eines höheren Werts für beitragsgeminderte Zeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung.
2Der im 1934 geborene Kläger, der sein Berufsleben bis zum in der DDR zurückgelegt hat, besuchte vom bis zum die Oberschule in L., an der er die Reifeprüfung ablegte. Während der Zeit des Schulbesuchs ging er vom 13.7. bis , im Anschlussmonat Juli 1952 sowie vor Aufnahme eines Studiums in der Zeit vom 1.9. bis einer nach dem Recht der DDR versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Das im Oktober 1952 aufgenommene Studium des Maschinenbaus an der Technischen Hochschule D. schloss er am mit der Verleihung des akademischen Grades eines Dipl.-Ing. ab.
3Auf seinen Antrag auf Kontenklärung stellte die Beklagte mit Bescheid vom die rentenrechtlichen Zeiten bis verbindlich fest. Der Widerspruch des Klägers richtete sich dagegen, dass die Beklagte nur 36 anstelle von 58 Monaten an Ausbildungs-Anrechnungszeiten berücksichtigt habe.
4Mit Bescheid vom bewilligte die Beklagte dem Kläger ab Regelaltersrente (RAR) auf der Grundlage von 64,5878 Entgeltpunkten (<EP> Ost). Bei der Bewertung beitragsgeminderter Zeiten stellte sie insgesamt 19 Monate als "Monate mit Beiträgen für nachgewiesene berufliche Ausbildung" ein, darunter die Monate Juli bis September 1951 sowie Juli und Oktober 1952, und errechnete für diese Zeiten 1,2977 EP (Ost). Da sich für denselben Zeitraum bereits 1,8141 EP (Ost) aus den Entgelten der versicherungspflichtigen Beschäftigungen ergaben, berücksichtigte die Beklagte für die vorgenannten Zeiträume keine zusätzlichen EP. Nach dem liegende Ausbildungszeiten - insgesamt 30 Monate - wies die Beklagte wegen "Überschreitung der Höchstdauer" als "Lücken im Versicherungsverlauf" aus.
5Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger die volle Berücksichtigung der schulischen Anrechnungszeiten sowie die Berücksichtigung der Zeiten vom 13.7 bis , vom 11. bis und vom 1.9. bis ausschließlich als Beitragszeiten. In der Folge berechnete die Beklagte die RAR des Klägers mit Bescheid vom von Beginn an auf der Grundlage von 66,6697 EP (Ost) neu, ließ den Gesamtleistungswert für die 19 "Monate mit Beiträgen für nachgewiesene berufliche Ausbildung" jedoch unverändert, weil die bereits berücksichtigten EP aus Beitragszeiten für denselben Zeitraum gleich geblieben waren.
6Die Widersprüche des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheide vom 25.9. und zurück.
7Mit seiner Klage hat der Kläger ua begehrt, die Zeiten seiner Ferienarbeit vom 13.7. bis und vom 11. bis sowie die Zeit seiner abgebrochenen Ausbildung vom 1. bis zum nicht als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung zu berücksichtigen. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte durch Bescheid vom die RAR des Klägers auf der Grundlage von 66,6925 EP (Ost) von Beginn an neu berechnet. Hinsichtlich der EP für die berufliche Ausbildung des Klägers ergab sich keine Änderung. Gleiches gilt für die weiteren Bescheide vom und .
8Durch Urteil vom hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 29.1. und 16.(gemeint: 26.)11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom sowie der Bescheide vom 3.4., und verurteilt, eine gesonderte Vergleichsberechnung für die Bewertung der Monate Juli bis September 1951, Juli und Oktober 1952 als beitragsgeminderte Zeiten vorzunehmen; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil auf die Berufung der Beklagten lediglich hinsichtlich der angefochtenen Bescheide geändert, im Übrigen die Berufung aber zurückgewiesen (Urteil vom ). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Klagegegenstand sei nur noch der zeitlich letzte wertfestsetzende Verwaltungsakt in dem Bescheid vom . Die vorhergehenden Bescheide seien durch diesen Verwaltungsakt ersetzt worden. Die Verurteilung der Beklagten, im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung für beitragsgeminderte Zeiten eine gesonderte Vergleichsberechnung für die Bewertung der Monate Juli bis September 1951 sowie Juli und Oktober 1952 vorzunehmen, in denen Beitragszeiten mit Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung zusammenfielen, sei zu Recht erfolgt. § 71 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) berechtige nicht dazu, Anrechnungszeiten, in denen der Kläger eine Schul- bzw Hochschulausbildungszeit zurückgelegt habe, mit Zeiten zu einer Gruppe zusammenzufassen, die kraft Gesetzes als Zeiten der beruflichen Ausbildung gälten. § 71 Abs 2 SGB VI sehe seit Januar 1996 eine auf bestimmte Gruppen bezogene Gesamtleistungsbewertung anstelle der vorher geltenden "Summenregelung" vor. Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung (schulische Ausbildung iS des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI) einerseits sowie Zeiten einer beruflichen Ausbildung (§ 54 Abs 3 Satz 2 SGB VI) andererseits stellten getrennte Gruppen dar. Denn Zeiten der beruflichen Ausbildung unterfielen nicht der Definition von Anrechnungszeiten; sie würden vom Wortlaut des Gesetzes - durch das Bindewort "und" - vielmehr als gesonderte Zeiten aufgeführt. Sie stellten im Rahmen der "Gruppenregelung" mithin eine eigenständige Gruppe dar.
9Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 71 Abs 2 SGB VI idF des Rentenreformgesetzes 1999 (RRG 1999) und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Die Pflichtbeitragszeiten des Klägers vor Vollendung des 25. Lebensjahres (13.7. bis , 11. bis , 11. bis , 1.9. bis und bis ) unterfielen der Fiktion der beruflichen Ausbildung gemäß § 54 Abs 3 Satz 3 SGB VI; diese Pflichtbeiträge seien demnach beitragsgeminderte Zeiten, für die ein Zuschlag an EP nach § 71 Abs 2 Satz 1 SGB VI zu ermitteln sei. Beitragsgeminderte Zeiten auf Grund einer beruflichen Ausbildung erhielten gemäß § 74 SGB VI einen begrenzten Gesamtleistungswert von 75% bzw maximal 0,0625 EP für einen Kalendermonat. Auf Grund der Übergangsvorschrift des § 263 Abs 3 SGB VI iVm Anlage 18 zum SGB VI (idF des RRG 1999) werde bei einem Rentenbeginn im April 1999 der Wert 75 durch den Wert 82 ersetzt mit maximalen EP pro Kalendermonat in Höhe von 0,0683. Dies sei im Bescheid vom - und ihm folgend im Bescheid vom - rechtsfehlerfrei umgesetzt worden (Anlage 4 Seite 4 und 5 des Bescheids vom ). Die Aufteilung der Zeiten vom 13.7. bis und für Juli und Oktober 1952 (Zusammenfallen von Beitragszeiten mit Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung) sowie von Zeiten, in denen eine berufliche Ausbildung stattgefunden habe, in zwei verschiedene Blöcke, sei vom Gesetz nicht geboten. Denn bei dem Übergang von der ursprünglichen "Summenregelung" für alle Zeiten insgesamt auf einen Abgleich der Werte für einzelne Gruppen von beitragsgeminderten Zeiten habe der Gesetzgeber nur zwischen folgenden Gruppen unterschieden: Sonstige beitragsgeminderte Zeiten (mit dem vollen Gesamtleistungswert zu bewerten), beitragsgeminderte Zeiten wegen Arbeitsunfähigkeit/Arbeitslosigkeit (grundsätzlich mit dem 80%igen Gesamtleistungswert zu bewerten) und beitragsgeminderte Zeiten wegen des Besuchs einer Schule, Fachschule oder Hochschule (grundsätzlich mit dem 75%igen Gesamtleistungswert - maximal 0,0625 EP je Kalendermonat - zu bewerten).
10Das Gesetz differenziere mithin nicht nach den Arten der gleichzeitig zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten, sondern danach, ob auf Grund von Beitragszahlungen ein dem Durchschnitt des Versicherungslebens entsprechender Wert an EP im maßgeblichen Zeitraum durch die "erworbenen" EP bereits erreicht sei. Anrechnungszeiten wegen beruflicher und schulischer Ausbildung sollten hiernach eine einheitliche Gruppe bilden. Von der Unterteilung in drei Gruppen sei auch das RRG 1999 nicht abgewichen. Die Einordnung der beruflichen Ausbildung (von bisher § 58 Abs 1 Nr 4a, Satz 2 und 3 SGB VI) unter den § 54 SGB VI sei zur Klarstellung erfolgt, dass es sich hierbei um beitragsgeminderte Zeiten handele. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/8011 zu Art 1 Nr 23 <§ 54>, Nr 25 <§ 58> und Nr 32 <§ 71>); danach sollte klargestellt werden, dass es sich bei der beruflichen Ausbildung um beitragsgeminderte Zeiten handele (Formulierung: "aus systematischen Gründen"). Da Zeiten der beruflichen Ausbildung nicht mehr Anrechnungszeiten sein könnten, sei die "Folgeänderung" in § 71 Abs 2 Satz 1 SGB VI mit der Formulierung erfolgt: "… wegen einer schulischen Ausbildung und als Zeiten wegen einer beruflichen Ausbildung". Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gehe im Nichtannahmebeschluss vom (1 BvR 1243/04 - SozR 4-2600 § 71 Nr 3) davon aus, dass "die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bei der Anwendung der Vorschrift des § 71 Abs 2 Satz 1 SGB VI auf die jeweiligen von einer der drei genannten Gruppen von beitragsgeminderten Zeiten umfassenden Zeiträume insgesamt abstellen durften". Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung würden ebenso wie Zeiten wegen beruflicher Ausbildung den begrenzten Gesamtleistungswert von 75% bzw maximal 0,75 EP pro Jahr gemäß § 74 SGB VI bzw von 82% bzw maximal 0,0683 EP pro Kalendermonat durch § 263 Abs 3 SGB VI erhalten und damit innerhalb der vom Gesetzgeber gewollten Gruppenzuteilung durch § 71 Abs 2 Satz 1 SGB VI mit den Zeiten wegen beruflicher Ausbildung liegen.
11Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
12Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
13Die Beklagte hat im Revisionsverfahren den Ausführungsbescheid vom vorgelegt und diesen auf Anforderung des Senats näher erläutert.
Gründe
14Die Revision der Beklagten erweist sich als unbegründet. Die angegriffene Entscheidung des LSG steht im Ergebnis mit Bundesrecht in Einklang. Das Berufungsgericht hat zutreffend das Urteil des SG bestätigt, das im Ergebnis zutreffend die Beklagte verurteilt hatte, die Höhe der Rente des Klägers auf der Grundlage einer gesonderten Bewertung der streitigen Monate Juli bis September 1951 sowie Juli und Oktober 1952 als beitragsgeminderte Zeiten festzustellen, in denen Beitragszeiten mit Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung zusammenfallen.
15Zutreffend hat das LSG zunächst ausgeführt, dass Klagegegenstand nur ein wertfeststellender Verwaltungsakt ist, der gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorhergehende wertfeststellende Verwaltungsakte ersetzt (BSG SozR 4-2600 § 307b Nr 4 RdNr 14). Dies ist vorliegend der Neufeststellungsbescheid vom , der eine vollständige (Neu-)Berechnung der RAR des Klägers enthält und gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens geworden ist. Er ersetzt die vorher ergangenen Bescheide, sodass es sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht nur um eine "wiederholende Verfügung" gegenüber dem davor zuletzt ergangenen Bescheid vom handelt.
16Gemäß §§ 254b, 64 SGB VI ist der Monatsbetrag einer Rente, die auf der Grundlage von im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bemessen wird, das Produkt aus den unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP Ost (§ 254d SGB VI), dem Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) und dem aktuellen Rentenwert Ost (§ 255a SGB VI). Die genannten Faktoren sind mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander zu vervielfältigen. Persönliche EP ergeben sich unter anderem aus Zuschlägen für beitragsgeminderte Zeiten (§ 66 Abs 1 Nr 3, § 71 Abs 2 SGB VI), in denen Beitragszeiten mit beitragsfreien Zeiten zusammentreffen (§ 54 Abs 3 SGB VI). Maßgeblich sind diese Vorschriften mit Rücksicht auf den Beginn der Rente des Klägers im April 1999 in der jeweils zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (vgl § 300 Abs 1, Abs 2 SGB VI; BSG SozR 4-2600 § 300 Nr 2 RdNr 9 f).
17Bei den betroffenen Zeiträumen handelt es sich jeweils um beitragsgeminderte Zeiten iS von § 54 Abs 3 SGB VI. Hiernach sind in der vorliegend maßgeblichen Fassung der Norm durch das RRG 1999 vom (BGBl I 2998) beitragsgeminderte Zeiten Kalendermonate, die sowohl mit Beitragszeiten als auch mit Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit oder Ersatzzeiten (5. Kapitel) belegt sind (Satz 1). Als beitragsgeminderte Zeiten gelten nach Satz 2 aaO außerdem Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine Berufsausbildung (Zeiten einer beruflichen Ausbildung). Als derartige Zeiten einer beruflichen Ausbildung gelten wiederum stets die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (Satz 3). Auf die ersten 36 Kalendermonate werden die im Fünften Kapitel geregelten Anrechnungszeiten wegen einer Lehre angerechnet (Satz 4). Die Voraussetzungen einer beitragsgeminderten Zeit liegen damit vorliegend unabhängig von einem tatsächlichen Zusammentreffen mit beitragsfreien Zeiten schon deshalb vor, weil das Gesetz die in Frage stehenden Zeiträume einer entgeltlichen Beschäftigung vom 13.7. bis , 11. bis und 1. bis jeweils fiktiv als Zeiten einer entsprechenden Berufsausbildung erfasst (Sätze 2, 3 aaO). Gleichzeitig sind aber auch die Voraussetzungen des Grundtatbestandes des Satzes 1 aaO deshalb gegeben, weil zusätzlich die Monate Juli bis September 1951, Juli 1952 und Oktober 1952 jeweils teilweise mit eigenständig zu berücksichtigenden Anrechnungszeiten einer schulischen Ausbildung (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI) und teilweise mit Beitragszeiten belegt sind, auch wenn es sich bei letzteren kraft gesetzlicher Fiktion ihrerseits bereits um beitragsgeminderte Zeiten handelt. Dies hat die Beklagte zu Unrecht unberücksichtigt gelassen und hat ausgehend von einem angenommenen gesetzlichen Gebot, beide Arten insofern zu einer "Gruppe" zusammenzufassen, EP für die streitigen Monate allein auf der Grundlage von deren Zugehörigkeit zu den Zeiten der Berufsausbildung ermittelt. Hätte sie demgegenüber auch das Zusammentreffen von gesondert zu berücksichtigenden Zeiten der schulischen Ausbildung mit Beitragszeiten in diesen Monaten beachtet, hätte der Kläger unter Berücksichtigung der allein hierin durch beitragspflichtige Einkünfte erworbenen EP weitere 0,2050 EP als Zuschlag erworben, wie der Ausführungsbescheid zum und die von der Beklagten während des Revisionsverfahrens hierzu gegebenen Erläuterungen zeigen.
19Im Gegensatz zur Vorgängerregelung wird damit zunächst unabhängig von der Unterteilung der beitragsfreien Zeiten im Einzelnen in jedem Fall eine größere Trennschärfe hinsichtlich der zeitlichen und sachlichen Zuordnung von bereits erworbenen EP erzielt. Gegebenenfalls hohe beitragspflichtige Entgelte und Einnahmen wirken sich nun nicht mehr automatisch zu Lasten aller anderen beitragsfreien Zeiträume aus. Der Paradigmenwechsel verwirklicht damit verstärkt das ursprüngliche Anliegen des Gesetzes bei der Bewertung beitragsgeminderter Zeiten, als Minimum deren sich nach der Vergleichsbewertung der Gesamtleistungsbewertung ergebenden Wert als beitragsfreie Zeit zu erhalten und dem Versicherten trotz zeitgleicher Erfüllung des Tatbestandes einer beitragsfreien Zeit erzielte geringe beitragspflichtige Entgelte/Einnahmen möglichst nicht zum Nachteil gereichen zu lassen. Es ist ohne Weiteres einsichtig, dass dieses Ziel umso besser erreicht werden kann, je präziser die Zuordnung beitragspflichtiger Entgelte/Einnahmen und der hierdurch erworbenen EP vorgenommen wird.
22Auch wenn in der ab geltenden Fassung Zeiten der Berufsausbildung noch nicht erfasst waren, wird aus diesen Ausführungen doch deutlich, dass nach der Vorstellung der Entwurfsverfasser EP auf der Grundlage beitragsversicherten Erwerbseinkommens während Zeiten einer schulischen Ausbildung - zB eines als Beispiel ausdrücklich benannten Fernstudiums - gerade auch nur insofern relevant sein sollten. Zeiten der schulischen Ausbildung waren hiernach für sich zu nehmen, und während der entsprechenden Kalendermonate erworbene EP für Beitragszeiten waren zur Ermittlung eines Zuschlages nur dieser Art von Zeiten bzw deren EP-Bewertung im Rahmen der Vergleichsbewertung der Gesamtleistungsbewertung gegenüberzustellen. Eine Belastung ("Saldierung") anderer Arten beitragsfreier Zeiten wie solche wegen Krankheit oder (!) Arbeitslosigkeit durch hohe EP-Werte aufgrund einer Pflichtbeitragszeit wegen Vollerwerbstätigkeit während des Fernstudiums sollte ausgeschlossen bleiben.
24Indem die Wörter "als Anrechnungszeiten wegen des Besuchs einer Schule, Fachschule oder Hochschule" durch die Wörter "wegen einer … schulischen Ausbildung" ersetzt wurden, trug das Gesetz zunächst der Zusammenfassung der Regelungsgegenstände des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI in der ebenfalls ab dem geltenden Fassung dieser Norm (Besuch einer Schule, Fachschule oder Hochschule sowie Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme) unter dem gemeinsamen Begriff der "Zeiten einer schulischen Ausbildung" Rechnung. Zudem erfasste es nunmehr als fiktive Anrechnungszeiten wegen Berufsausbildung ausdrücklich auch die - seit dem - in § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4a, Satz 2, 3 SGB VI geregelten ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen, die bis dahin grundsätzlich als Beitragszeiten behandelt und im Rahmen von § 70 Abs 3 SGB VI besonders bewertet worden waren (vgl hierzu im Einzelnen BVerfG in SozR 4-2600 § 58 Nr 7 = BVerfGE 117, 272). Derartige Zeiten der Berufsausbildung hatten damit "eine Art Doppelfunktion", weil sie zum einen fiktiv als beitragsfreie Zeiten eingestuft wurden, während es sich andererseits tatsächlich um Beitragszeiten handelte und sich damit beitragsgeminderte Zeiten ergaben (vgl zur Rechtslage durch das WFG, BVerfG SozR 4-2600 § 58 Nr 7 = BVerfGE 117, 272 ff). Im Kontext des § 71 Abs 2 Satz 1 SGB VI steht einer Zusammenfassung von Zeiten schulischer und beruflicher Ausbildung schon der klare Wortlaut der seit dem geltenden Fassung entgegen. Die nahezu durchgehende Verbindung aller ausdrücklich aufgeführten Tatbestände einer "beitragsfreien" Anrechnungszeit und aller sonstigen beitragsfreien Zeiten mit "oder" und die gesetzliche Anordnung deren Bewertung als beitragsfreie Zeiten nach der Vergleichsbewertung "jeweils" der Summe der EP für die entsprechenden Beitragszeiten gegenüberzustellen, erlaubt eine derartige Gruppenbildung von vorneherein nicht. In diesem Sinne spricht auch die Begründung der Entwurfsverfasser von einer "Änderung … redaktioneller Natur" (BT-Drucks 13/4610 S 23 rechte Spalte) und legt nicht etwa nahe, es hätte zusammen mit der Berücksichtigung der Anrechnungszeiten wegen Berufsausbildung auch deren Zusammenfassung mit Zeiten der Schulausbildung angeordnet werden sollen, um den Zuschlag an EP für beitragsgeminderte Zeiten insofern tatbestandsübergreifend zu ermitteln.
26Damit wurde berücksichtigt, dass nach der Aufhebung von § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4a sowie der Sätze 2 und 3 aaO durch Art 1 Nr 58 Buchst a und b des RRG 1999 mit Wirkung vom Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine "Berufsausbildung" aus rechtssystematischen Gründen nicht mehr den Anrechnungszeiten zugeordnet wurden und nunmehr ausdrücklich als beitragsgeminderte Zeiten galten (§ 54 Abs 3 Satz 2 SGB VI). Dies machte es im Zusammenhang von § 71 Abs 2 Satz 1 SGB VI erforderlich, die "Zeiten wegen einer beruflichen Ausbildung" nunmehr eigenständig und außerhalb der Anrechnungszeiten aufzuführen. Der Anschluss mit "und" macht gerade diese Verselbständigung deutlich und kann gerade nicht isoliert als Beleg für die - jedenfalls nunmehrige - Bildung einer gemeinsamen Gruppe aus Zeiten der schulischen und der beruflichen Ausbildung herangezogen werden. Weder gibt es nämlich Anlass von einer Änderung des vor dem gesetzlich ausgestalteten Verhältnisses beider Arten von Zeiten ("oder") auszugehen, noch legt erst recht die nunmehrige Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Arten beitragsfreier Zeiten einen entsprechenden Regelungswillen des Gesetzgebers nahe. In Übereinstimmung hiermit wird die Änderung von § 71 Abs 2 Satz 1 SGB VI zum auch in den sog Materialien lediglich als "Folgeänderung zur Änderung der §§ 54 und 58 Abs 1 Nr 4a, Sätze 2 und 3" bezeichnet (BT-Drucks 13/8011 S 57).
27Die Bildung von "Gruppen" im Rahmen von § 71 Abs 2 SGB VI kann unter diesen Umständen nur in der Weise vonstatten gehen, dass alle/nur Zeiten, die gemeinsam den Tatbestand einer beitragsfreien Zeit erfüllen, zusammengefasst werden. Nur insofern kann jeweils ein Vergleich der Summe der EP auf der Grundlage der Vergleichsbewertung der Gesamtleistungsbewertung und der Summe der EP für Beitragszeiten durchgeführt werden. Nur dies entspricht schließlich dem mit dem Paradigmenwechsel zum eingeführten Verbot der übergreifenden "Saldierung".
29Derartige Argumente wären im Kontext des § 71 Abs 2 SGB VI ohne Erkenntniswert und würden dort im Übrigen zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen. Die Orientierung an den durch beitragspflichtige Einkünfte erworbenen Entgeltpunkten (hinsichtlich der Anrechnungszeiten wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit) soll bei § 71 Abs 2 SGB VI gerade in den Hintergrund treten. Erst recht ist dieser Norm, die sich allein auf einen monatlichen Binnen-Vergleich der tatsächlich durch beitragsversicherte Einkünfte erworbenen EP mit dem sich aus der Vergleichsbewertung der Gesamtleistungsbewertung ergebenden Wert beschränkt, eine Begrenzung auf die sich zeitlich und sachlich hiervon unterscheidenden EP-Werte für andere Zeiten fremd. Schließlich wäre unverständlich, wollte man alle in § 71 Abs 2 SGB VI nicht ausdrücklich erwähnten Tatbestände einer beitragsfreien Zeit dessen Wortlaut entsprechend nur isoliert erfassen, während insbesondere Zeiten der Krankheit und Arbeitslosigkeit ohne erkennbaren gemeinsamen Bezug zur Frage der in entsprechenden Kalendermonaten gleichzeitig erzielten beitragspflichtigen Einkünfte zusammengefasst würden.
32Dies geht indessen von einer unzutreffenden Vorstellung über den Inhalt des künftigen Satzes 2 des § 71 Abs 2 SGB VI aus und findet auch in der vorstehend wiedergegebenen Begründung der Bundesregierung hierzu keine Grundlage. Die vorgeschlagene Ergänzung/Präzisierung von § 71 Abs 2 SGB VI ist ohne Weiteres auch mit dem vorstehend dargelegten Verständnis des Senats vom Inhalt des künftigen Satzes 1 vereinbar. Nicht nur die vom Ausschuss für einschlägig erachtete, sondern schlechthin jede Unterteilung des bisher einheitlichen Zeitraums für die Bemessung des Zuschlags an EP für beitragsgeminderte Zeiten macht nämlich eine Regelung dazu erforderlich, wie die sich für - wie auch immer gebildete - Teilzeiträume ermittelten EP zu verteilen sind. Soweit die Beklagte schließlich meint, der Rechtslage ab dem einen Beleg für die von ihr präferierte Zusammenfassung von Zeiten der schulischen und der beruflichen Ausbildung entnehmen zu können, verkennt sie, dass Zeiten der beruflichen Ausbildung damals weder von § 71 Abs 2 Satz 1 SGB VI noch von § 74 SGB VI erfasst waren. Das Gesetz schweigt daher in der Fassung ab notwendig auch hinsichtlich der konkreten Zuordnung derartiger Zeiten.
33Auch bei keiner der vorliegend in Betracht kommenden Änderungen des § 74 SGB VI wurde ausdrücklich oder sinngemäß in den Blick genommen, dass sich die jeweiligen Änderungen gleichzeitig im Anwendungsbereich von § 71 Abs 2 SGB VI auswirken könnten.
37Der von der Beklagten angeführte (Nichtannahme-) (SozR 4-2600 § 71 Nr 3) spricht unabhängig von der Frage seiner Bindungswirkung in formeller wie in materieller Hinsicht nicht gegen die Auffassung des Senats. Das BVerfG ist im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung des § 71 Abs 2 SGB VI am Maßstab von Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) zu dem Ergebnis gekommen, dass verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, wenn Versicherten hiernach ein Zuschlag nur unter Berücksichtigung der EP für Beitragszeiten angerechnet wird. Es hat darüber hinaus bestätigt, dass schon der Wortlaut von § 71 Abs 2 SGB VI die Bildung von Gruppen nahelege und damit der Auffassung des dortigen Beschwerdeführers widersprochen, der einen kalendermonatlichen Vergleich gefordert hatte. Hinsichtlich der Frage der Gruppenbildung im Einzelnen hat das BVerfG indessen gerade darauf hingewiesen, dass die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts Sache der Fachgerichte sei. Im Blick hierauf kann der Aussage, dass das BVerfG keinen Auslegungsfehler erkennen konnte, der auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts beruht (!), gerade nichts Näheres für die einfachgesetzliche Richtigkeit der von der Beklagten auch damals zu § 71 Abs 2 SGB VI idF des RRG 1999 vertretenen Auffassung entnommen werden.
38Das vorliegend für zutreffend erachtete Verständnis von § 71 Abs 2 Satz 1 SGB VI vermeidet schließlich Schwierigkeiten, die sich andernfalls im Blick auf Art 3 Abs 1 GG ergäben. Dieses Grundrecht gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Im Anwendungsbereich des seit 1996 entscheidend geänderten § 71 Abs 2 SGB VI geht der Gesetzgeber, wie dargestellt, davon aus, dass sich EP für Beitragszeiten nicht über diejenige Art von beitragsfreien Zeiten hinaus zu Lasten des Zuschlages an EP auswirken sollen, mit denen sie in den Kalendermonaten beitragsgeminderter Zeiten zusammentreffen (Verbot der "Saldierung"). Sollten dennoch Zeiten zu "Gruppen" zusammengefasst werden, die unterschiedliche Tatbestände beitragsfreier Zeiten erfüllen, bedarf dies vor dem vom Gesetzgeber im Ausgang verfolgten Ziel, dem Grundanliegen der Gesamtleistungsbewertung durch eine trennscharfe Zuordnung von EP für Beitragszeiten Rechnung zu tragen, der Rechtfertigung. Eine derartige Rechtfertigung wäre insbesondere dann gegeben, wenn sich eine tatbestandsübergreifende Zusammenfassung von beitragsfreien Zeiten im Ergebnis nicht zu Lasten des Versicherten und seines gesetzlichen Anspruchs auf den Zuschlag an EP auswirkt. Dies könnte ungeachtet des "Saldierungsverbots" etwa dann der Fall sein, wenn bestimmte unterschiedliche Zeiten typischerweise mit Erwerbseinkommen in bestimmter Höhe zusammentreffen und daher davon ausgegangen werden könnte, dass ihre Zusammenfassung zu einer Gruppe typischerweise ohne nennenswerte Auswirkung bleibt. Indessen ist aus dem Gesetz und seiner Entstehungsgeschichte nicht erkennbar, dass bisher derartige Überlegungen zur Rechtfertigung einer Gleichbehandlung von Tatbeständen, wie insbesondere der Zeiten wegen schulischer und beruflicher Ausbildung, erst recht aber auch der unter dem Begriff der "sonstigen beitragsfreien Zeiten" zusammengefassten heterogenen Zeiten, angestellt worden wären. Eine derartige Zusammenfassung drängt sich im Blick auf das Regelungsziel des § 71 Abs 2 SGB VI ("vor dem Gesetz") auch nicht etwa wegen entsprechender offen zu Tage liegender empirischer Befunde auf.
39Der Senat verkennt nicht, dass der von ihm für richtig erachtete Lösungsweg die Bestimmung der Rentenhöhe in der Verwaltungspraxis aufwändiger macht. Dies reicht jedoch für sich nicht aus, den Gesichtspunkt einer weitgehenden Verwirklichung gesetzlicher Ansprüche der Versicherten hintanzustellen. Dem Gesetzgeber steht es de lege ferenda frei, innerhalb der beitragsfreien Zeiten Gruppen zu bilden. Eine derartige Vorgehensweise kann jedoch bei Aufrechterhaltung des "Saldierungsverbots" vor Art 3 Abs 1 GG nur dann Bestand haben, wenn hierfür ein Rechtfertigungsgrund im vorstehend beschriebenen Sinne benannt werden kann.
40Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2010:270410UB5R6208R0
Fundstelle(n):
CAAAD-46034