Anhörungsrüge - Richterablehnung wegen Befangenheit
Gesetze: § 178a SGG, § 60 Abs 1 SGG, § 62 SGG, § 42 Abs 2 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG
Instanzenzug: SG Marburg Az: S 8/5 AL 943/03 Urteilvorgehend Hessisches Landessozialgericht Az: L 6 AL 1/05 Beschluss
Tatbestand
1Der Senat hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom mit Beschluss vom - B 11 AL 76/09 B - als unzulässig verworfen. Gegen diesen seinem Prozessbevollmächtigten am zugestellten Beschluss hat dieser mit einem am selben Tage beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom Anhörungsrüge und Gegenvorstellung erhoben.
2Daneben hat der Kläger selbst mit einem von ihm verfassten und unterzeichneten Schreiben ebenfalls vom die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Gehörsrüge, hilfsweise eine Gegenvorstellung beantragt. In diesem Schreiben lehnt der Kläger die beteiligten Richter - Dr. W., Dr. L., Dr. R - wegen Vorbefassung ab.
Gründe
3Der Senat kann trotz der Erklärung des Klägers, er lehne die beteiligten Richter ab, in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung entscheiden (dazu 1.). Der Antrag auf Bewilligung von PKH (dazu 2.) bleibt ebenso ohne Erfolg wie die Anhörungsrüge (dazu 3.) und die Gegenvorstellung (dazu 4.).
41. Der Senat kann trotz der vom Kläger erklärten Ablehnung der am Ausgangsbeschluss beteiligten Richter in der üblichen, nach dem Geschäftsverteilungsplan des BSG vorgeschriebenen Besetzung entscheiden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen des Klägers in seinem eigenen Schreiben vom bereits deswegen unbeachtlich ist, weil es nicht von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten herrührt (§ 73 Abs 4 SGG). Denn die Ablehnungsgesuche sind jedenfalls offensichtlich unzulässig und damit unbeachtlich.
5Die vom Kläger geäußerte Auffassung, bei der Entscheidung über eine Anhörungsrüge sei der iudex a quo wegen Vorbefassung "stets als befangen" anzusehen, ist unzutreffend; vielmehr ist es gerade der Sinn der Anhörungsrüge, dem iudex a quo die Möglichkeit der Selbstkorrektur einzuräumen (vgl ua , mit Hinweis auf , NVwZ-RR 2009, 662 f). Da der Kläger überdies keine konkreten Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit eines der abgelehnten Richter anführt (vgl § 60 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 42 Abs 2 Zivilprozessordnung <ZPO>), sondern im Wesentlichen nur inhaltliche Einwendungen gegen den Ausgangsbeschluss unter teilweiser Wiederholung seines dem Senat bereits bekannten Vorbringens erhebt, sind seine Ablehnungsgesuche auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bereits deshalb rechtsmissbräuchlich (vgl ua , veröffentlicht in juris; Beschluss des Senats vom , B 11 AL 13/09 C, mwN). Dass kein konkreter Befangenheitsgrund geltend gemacht werden kann, ergibt sich schließlich daraus, dass der vom Kläger für die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung beauftragte Prozessbevollmächtigte davon abgesehen hat, ein Ablehnungsgesuch anzubringen.
62. Dem Kläger steht auch keine PKH für eine Anhörungsrüge bzw eine Gegenvorstellung zu, da seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a SGG, § 114 ZPO).
7Voraussetzung für den Erfolg einer Anhörungsrüge ist insbesondere, dass das Gericht in der angegriffenen Entscheidung den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG). Anhaltspunkte für eine solche Verletzung ergeben sich indes weder aus dem Vortrag des Prozessbevollmächtigen des Klägers in dessen Schriftsatz vom noch aus den Ausführungen des Klägers in seinem eigenen Schreiben vom selben Datum. Diesem Vorbringen ist nur zu entnehmen, dass der Kläger den Ausgangsbeschluss vom für inhaltlich unrichtig hält. Dagegen werden keine konkreten Gesichtspunkte aufgezeigt, die darauf hindeuten könnten, das BSG habe entweder nicht hinreichend Gelegenheit zur Äußerung gegeben oder habe irgendein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen. Anhaltspunkte für eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sind auch sonst nicht zu erkennen.
8Eine Gegenvorstellung (zur Statthaftigkeit auch nach Einführung der Anhörungsrüge vgl , BVerfGE 122, 190 = NJW 2009, 829) hätte nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn dem Gericht eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder des Willkürverbots vorgehalten werden könnte (vgl ua BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 3, Nr 5). Im vorliegenden Fall zeigen die vom Kläger vorgebrachten Gründe keine schwerwiegende Rechtsverletzung auf, insbesondere nicht die Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder des Willkürverbots. Von einer Missachtung von Verfahrensgrundrechten oder des Willkürverbots kann auch unabhängig vom Vortrag des Klägers keine Rede sein, da der angegriffene Beschluss vom eingehend mit Hinweisen auf die einschlägige Rechtsprechung begründet worden ist.
93. Die vom Prozessbevollmächtigten erhobene Anhörungsrüge ist unzulässig.
10Zulässigkeitsvoraussetzung der Anhörungsrüge ist nach § 178a Abs 2 Satz 5 SGG iVm § 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG die nachvollziehbare Darlegung, dass das BSG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Daran fehlt es.
11Der Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt im Schriftsatz vom lediglich vor, nach Auffassung des Klägers sei es diesem nicht abzuverlangen, zu der Besorgnis der Befangenheit im Hinblick auf die am Beschluss des Hessischen LSG mitwirkenden Richter Gründe näher darzulegen; ausreichend sei, dass ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben könne. Damit macht der Kläger lediglich geltend, er stimme der Auffassung des BSG, das die Nichtzulassungsbeschwerde wegen Fehlens einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügenden Begründung als unzulässig verworfen hat, nicht zu. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt jedoch von vornherein nicht der Anspruch, dass das Gericht der Argumentation des Klägers folgt.
124. Auch die vom Prozessbevollmächtigten erhobene Gegenvorstellung ist unzulässig.
13Wie unter 2. bereits ausgeführt setzt nach der Rechtsprechung des BSG eine zulässige Gegenvorstellung die Bezeichnung einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder des Willkürverbots voraus (ua BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5). Anhaltspunkte für solche Verletzung liegen aber nach den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten nicht vor. Vorsorglich wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass der Senat nach nochmaliger Überprüfung an seiner Entscheidung vom in vollem Umfang festhält.
145. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs 4 Satz 3 SGG).
156. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2010:250210BB11AL2209C0
Fundstelle(n):
GAAAD-45347