BFH Beschluss v. - VI S 1/10

Darlegung eines Gehörsverstoßes; Antrag auf Tatbestandsberichtigung

Gesetze: FGO § 139 Abs. 3, FGO § 133a, FGO § 108, GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Mit Beschluss vom VI B 115/09 hat der Senat auf die Beschwerde des Antragsgegners (Finanzamt) den  (E) dahin abgeändert, dass die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2007 vom in Gestalt der Änderungsbescheide vom 10. März und sowie der Einspruchsentscheidung vom bis zu einen Monat nach Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache ohne Sicherheitsleistung insoweit aufgehoben wird, als Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer der Antragstellerin lediglich in Höhe von 1.250 € nicht als Werbungskosten bei den Einkünften der Antragstellerin aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt worden sind. Die Beschwerde der Antragsteller und Rügeführer (Antragsteller), die auf die Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2008 zielte, wurde zurückgewiesen. Die Antragsteller wenden sich gegen den ihnen am zugegangenen Beschluss mit der Anhörungsrüge. Der entsprechende Schriftsatz ist am beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.

2 II. Die Anhörungsrüge führt nicht zum Erfolg.

3 1. Die gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO in seiner ab dem geltenden Fassung entspricht.

4 Nach dieser Bestimmung muss in der Anhörungsrüge —und zwar innerhalb der Frist des § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO— „dargelegt” werden, dass die Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO vorliegen. Darlegen, das schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne von „erläutern” und „erklären” zu verstehen ist (vgl. , BFHE 90, 369, BStBl II 1968, 98; , Neue Juristische Wochenschrift 1996, 1554, m.w.N.), heißt in diesem Zusammenhang: Schlüssig, substantiiert und nachvollziehbar darstellen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen der Rügeführer sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren (hier dem Beschwerdeverfahren VI B 115/09) nicht habe äußern können, welches entscheidungserhebliche Vorbringen des Rügeführers das Gericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen habe und woraus der Rügeführer dies meint folgern zu können (z.B. , BFH/NV 2009, 409; vgl. auch z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 133a Rz 12, m.w.N.). Denn so wie das Darlegungserfordernis nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dazu führt, dass hinsichtlich aller Revisionszulassungsgründe auch Anforderungen an die Klarheit, Verständlichkeit und Überschaubarkeit des Beschwerdevorbringens zu stellen sind (vgl. im Einzelnen , BFHE 222, 54, BStBl II 2008, 878), verlangt auch die in § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO geforderte Darlegung, dass derartige Mindestanforderungen an die Ausführungen zur Begründung einer Anhörungsrüge zu stellen sind (, BFH/NV 2009, 1131).

5 Daran fehlt es im Streitfall. Die Antragsteller tragen zunächst im Rahmen eines zugleich erhobenen Antrags auf Tatbestandsberichtigung gemäß § 108 FGO vor, dass der Senat im Beschluss vom den Geschehensablauf irreführend dargestellt habe. Ein Gehörsverstoß wird damit jedoch nicht behauptet. Im Übrigen erschöpft sich die Begründung der Anhörungsrüge in der Anfechtung der Kostenentscheidung. Der Senat habe aufgrund der irreführenden Sachverhaltsdarstellung nicht nach billigem Ermessen über die Kosten des Beschwerdeverfahrens entschieden und auch im Verlauf des Verfahrens den Sach- und Streitstand nicht gebührend berücksichtigt. Deshalb seien den Antragstellern zu Unrecht die Kosten des Beschwerdeverfahrens in vollem Umfang auferlegt worden. Allerdings ist mit diesem Vorbringen ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ebenfalls nicht substantiiert dargelegt.

6 2. Die Anhörungsrüge wäre aber auch unbegründet, denn die Antragsteller zielen mit ihren Ausführungen im Kern gegen die Richtigkeit der Kostenentscheidung. Mit diesem Vorbringen können sie im Rahmen des § 133a FGO jedoch nicht gehört werden. Denn die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die Richtigkeit einer Kostengrundentscheidung zu überprüfen.

7 3. Der von den Antragstellern gestellte Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 i.V.m. § 113 Abs. 1 FGO) des Beschlusses vom ist unzulässig.

8 Zwar ist § 108 FGO sinngemäß auch auf einen Beschluss anwendbar (§ 113 Abs. 1 FGO). Ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung einer vom BFH gemäß § 132 FGO durch Beschluss getroffenen Entscheidung über die Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung ist aber wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Ein berechtigtes Interesse an einer Tatbestandsberichtigung kann nur insoweit bestehen, als damit die Grundlagen für eine Rechtsmittelentscheidung geschaffen werden sollen (BFH-Beschlüsse vom VII B 83/93, BFH/NV 1994, 189; vom IV B 33/94, BFH/NV 1995, 228). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, weil gegen den Beschluss des Senats wegen Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung kein Rechtsmittel gegeben ist.

9 4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133a Abs. 4 Satz 4 FGO).

10 5. Der Antrag, die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), ist im Verfahren über die Anhörungsrüge unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren; zuständig ist daher das Gericht des ersten Rechtszugs, im Streitfall das FG.

11 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Gerichtskosten richten sich nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz i.d.F. des Anhörungsrügengesetzes vom (BGBl I 2004, 3220) —GKG— (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Es fällt eine Festgebühr von 50 € an. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 1467 Nr. 8
JAAAD-44643