BFH Beschluss v. - V B 38/08

Ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler bei der Berechnung der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage nicht entscheidungserheblich, wenn sich die Bemessungsgrundlage nach dem vertraglich vereinbarten Entgelt richtet

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 118 Abs. 2, UStG § 10 Abs. 1, UStG § 10 Abs. 4, UStG § 10 Abs. 5, EStG § 7 Abs. 4

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) liegen weder im Hinblick auf eine Divergenz noch im Hinblick auf einen schweren Rechtsanwendungsfehler vor.

3 1. Die Zulassung einer Revision wegen Divergenz erfordert, dass das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem festgestelltem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der Bundesfinanzhof (BFH), der Gemeinsame Senat, der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG (BFH-Beschlüsse vom IX B 105/09, nicht veröffentlicht —n.v.—; vom IV B 99/08, BFH/NV 2010, 167).

4 a) Im Streitfall kann dahingestellt bleiben, ob das FG mit seinen Ausführungen zur Höhe der Abschreibung und der Berechnung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 und 5 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) eine andere Rechtsauffassung als der BFH vertritt. Eine derartige Abweichung wäre jedenfalls nicht entscheidungserheblich, weil sie lediglich die Höhe der gesetzlichen Mindestbemessungsgrundlage betrifft. Auf diese kommt es jedoch nicht an, wenn diese —wie im Streitfall— nicht niedriger ist als die vertraglich vereinbarte Miete.

5 b) Nach der Gesetzessystematik (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 UStG) ist das nach § 10 Abs. 1 UStG vereinbarte Entgelt mit den bei der Ausführung der Umsätze entstandenen Kosten zu vergleichen. Diese sind nur dann als Mindestbemessungsgrundlage anzusetzen, wenn das vereinbarte Entgelt niedriger ist.

6 c) Das FG ist in seinem Urteil (S. 15 ff.) jedoch davon ausgegangen, dass die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) und ihre Vertragspartnerin kein niedrigeres als das sich nach der Mindestbemessungsgrundlage ergebende Entgelt vereinbart haben. Zu diesem Ergebnis ist das FG durch Auslegung des Mietvertrages in der Fassung vom gekommen. Wenn darin auf eine kostendeckende Miete nach Maßgabe der linearen Regel-AfA gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgestellt werde, komme nur die AfA nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG in Höhe von 4 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Betracht. Denn die vermietete Immobilie habe zum Betriebsvermögen der Klägerin gehört, nicht Wohnzwecken gedient und der Bauantrag sei nach dem gestellt worden. Wenn die Klägerin abweichend von der ertragsteuerlich zulässigen Abschreibung andere Maßstäbe für die Ermittlung der Miete habe heranziehen wollen, hätte es nahe gelegen, den Mietvertrag so zu formulieren wie den geänderten Mietvertrag vom . Für eine von der Vereinbarung abweichende „tatsächliche Übung” gebe es keinen objektiv erkennbaren Anhaltspunkt (s. unter 2.c bb).

7 2. Die Zulassung der Revision wegen Vorliegens eines sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers setzt voraus, dass die Entscheidung des FG als objektiv willkürlich oder unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint. Es muss sich also um einen offensichtlichen materiellen oder formellen Fehler handeln (vgl. , BFH/NV 2007, 2067, unter II.2.b).

8 a) Soweit die Klägerin geltend macht, ein derart gravierender Fehler liege darin, dass das FG auch solche Kosten in die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Abschreibung einbezogen habe, für die keine Vorsteuer herauszurechnen war, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit eines etwaigen Fehlers. Wie im Rahmen der Divergenzrüge bereits ausgeführt wurde, betrifft ein derartiger Fehler nur die Höhe der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 und 5 UStG. Maßgeblich für die Bemessungsgrundlage ist jedoch das —höhere— vertraglich vereinbarte Entgelt.

9 b) Mit ihrem Vorbringen, das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beteiligten eine Abschreibung in Höhe von 4 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vereinbart hätten, rügt die Klägerin im Ergebnis eine fehlerhafte Vertragsauslegung. Der Einwand einer fehlerhaften Auslegung von Verträgen im Rahmen der Urteilsfindung betrifft jedoch einen materiellen Fehler, der als solcher die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen kann (BFH-Beschlüsse vom X B 146/05, BFH/NV 2007, 1125; vom IV B 95/02, BFH/NV 2004, 949).

10 c) Ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler liegt auch nicht darin, dass das FG eine für die Streitjahre wirksame Änderung des Mietvertrags vom abgelehnt hat.

11 aa) Der Mietvertrag vom änderte zwar ausweislich der Vorbemerkung I. 2. Absatz den Mietvertrag vom . Die Wirkungen dieser Vertragsänderungen sollten aber erst ab dem eintreten und betreffen daher nicht die Streitjahre.

12 bb) Eine Änderung des Mietvertrags vom durch einen abweichenden Vertragsvollzug („tatsächliche Übung”) hat das FG im Hinblick auf die seiner Ansicht nach widersprüchlichen —steuerlich relevanten— Erklärungen hinsichtlich der Höhe der Mieterlöse und der Höhe der Umsätze ausgeschlossen. Dabei handelt es sich um eine Schlussfolgerung tatsächlicher Art, die das FG aufgrund des festgestellten Sachverhalts im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung gezogen hat. Hierbei hat es weder gegen die Verfahrensordnung noch gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, sodass seine Schlussfolgerung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist (§ 118 Abs. 2 FGO).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 1117 Nr. 6
WAAAD-42498