BGH Beschluss v. - 2 StR 27/10

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Strafverfahren: Anwaltsverschulden bei Vorlage einer Fristsache ohne Briefumschlag

Gesetze: § 44 StPO

Instanzenzug: Az: 90 Js 160/07 - 111 - 9/09 Urteil

Gründe

1Zu dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:

2"1. Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist dem Nebenkläger nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Für die Frage, inwieweit der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt für Verschulden seines Kanzleipersonals haftet, kommt es darauf an, ob dieses sorgfältig ausgewählt und überwacht wird und ob eine zur Verhinderung von Fristüberschreitungen taugliche Büroorganisation vorhanden ist (Meyer-Goßner StPO 52. Auflage § 44 Rn 19f., KK-Maul StPO 6. Auflage § 44 Rn 34f. jeweils m.w.N.).

32. Die Begründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfordert grundsätzlich eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumung gekommen ist (BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 1; KK-Maul a.a.O. § 45 Rn 6). Daran fehlt es vorliegend.

4a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob in der Büroorganisation des Prozessbevollmächtigten, wonach die am Wochenende eingehende Post zusammen mit der am Montag eingehenden Post bearbeitet wird, überhaupt eine zur Verhinderung von Fristüberschreitungen taugliche Büroorganisation zu sehen ist. Denn insofern wäre eine Handhabung dergestalt, dass die Wochenendpost dem Briefkasten entnommen und bearbeitet wird, bevor die Montagspost eingeht, geeignet, derartige Fehler beim Posteingang und damit der Fristberechnung von vornherein zu vermeiden.

5b) Jedenfalls fehlt es an einem Vortrag von Tatsachen, die eine unverschuldete Fristversäumnis des Prozessbevollmächtigten selbst begründen könnten. So wird zwar eine klare Anweisung, dass Fristsachen einschließlich der Briefumschläge dem Anwalt vorzulegen sind, vorgetragen. Es ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb im vorliegenden Fall, in dem der Briefumschlag dem Rechtsanwalt nicht vorgelegt wurde, dieser sich nicht nach diesem erkundigt hat. Dass das Urteil bereits mit dem Eingangsstempel vom versehen war, vermag insofern ein fehlendes Verschulden nicht zu begründen, da - aus guten Gründen - die klare Anweisung bestand, die Fristsachen einschließlich der Briefumschläge dem Anwalt vorzulegen. Zu dem erforderlichen Tatsachenvortrag gehört jedoch, dass der Antragsteller einen Sachverhalt vorträgt, der ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden ausschließt (BGHR a.a.O. Tatsachenvortrag 5). …"

6Nach alledem waren der Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet und die Revision der Nebenkläger mangels fristgerechter Begründung als unzulässig zu verwerfen.

Fundstelle(n):
PAAAD-42068