Auslegung einer tariflichen Entgeltsicherungsklausel - § 11 Abs 6 ERTV Deutsche Telekom AG - Wechsel von sog. Nichtvertriebstätigkeit in eine Vertriebstätigkeit
Gesetze: § 1 TVG
Instanzenzug: Az: 76 Ca 12100/07 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 5 Sa 2572/07 Urteil
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die zutreffende Entgeltstufe für die Vergütung der Klägerin nach einem Entgeltgruppenwechsel. Die gewerkschaftlich organisierte Klägerin war bis zum bei der Beklagten zu 1) und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis galt kraft beiderseitiger Tarifbindung der Entgeltrahmentarifvertrag der Deutschen Telekom AG idF vom (ERTV) und der Entgelttarifvertrag der Deutschen Telekom AG idF vom (ETV) . Bis zum Ende des Monats November 2006 arbeitete die Klägerin in der Privatkundenniederlassung N der Beklagten zu 1). Sie erhielt eine Vergütung nach der Entgelttabelle für Arbeitnehmer, die nicht in Vertriebsfunktionen beschäftigt sind (Entgeltgruppen T) , nach der Entgeltgruppe T 4, Gruppenstufe 4, der Anlage 1b zu § 2 Abs. 1 ETV. Ab dem wurde die Klägerin infolge einer Organisationsmaßnahme der Beklagten zu 1) auf dem Arbeitsplatz „Accounter Vertrieb/Kundenbetreuung Platin“ beschäftigt. Die Beklagte zu 1) ordnete diese Tätigkeit der Klägerin den Entgelttabellen für Arbeitnehmer, die in Vertriebsfunktionen beschäftigt sind (Entgeltgruppen V), und dabei der Entgeltgruppe V 2, Gruppenstufe 1, der Anlage 2b zu § 3 Abs. 1 ETV zu. Eine Bewertung der Tätigkeit der Klägerin durch die tariflich vorgesehene Bewertungskommission fand nicht statt.
2 Nach der Entgeltgruppe V 2, Gruppenstufe 1 ETV ergab sich für die Klägerin ein geringeres Bruttomonatsentgelt gegenüber ihrer vorherigen Tätigkeit. Im Monat April 2007 änderte die Beklagte zu 1) die Entgeltabrechnungen der Klägerin rückwirkend zum , behielt die nach ihrer Auffassung erfolgten Überzahlungen im ersten Quartal 2007 ein und zahlte auch nachfolgend nur das geringere Entgelt. Mit Schreiben vom widersprach die Klägerin den Kürzungen und verlangte die einbehaltenen Abzüge, was die Beklagte zu 1) ablehnte. Zum übernahm die Beklagte zu 2) den Betrieb im Wege eines Betriebsübergangs.
3 Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von beiden Beklagten die Differenz zwischen den Monatsentgelten der vormaligen Entgeltgruppe T 4, Gruppenstufe 4 ETV und der Entgeltgruppe V 2, Gruppenstufe 1 ETV für die Monate Januar bis Mai 2007 sowie die Feststellung einer Vergütungspflicht nach der Entgeltgruppe V 2, Gruppenstufe 3 ETV. Der Wechsel von der Entgeltgruppe T 4 ETV zur Entgeltgruppe V 2 ETV sei eine Höhergruppierung iSd. tariflichen Entgeltsicherungsklausel des § 11 Abs. 6 ERTV. Deshalb schuldeten ihr die Beklagten das Entgelt derjenigen Gruppenstufe der Entgeltgruppe V 2 ETV, welches am nächsten über ihrem bisherigen Monatsentgelt liege.
Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - in der Sache zuletzt beantragt,
5 Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. § 11 Abs. 6 ERTV könne schon deshalb nicht herangezogen werden, weil das in § 5 ERTV vorgesehene Eingruppierungsverfahren durch die tarifliche Bewertungskommission noch nicht abgeschlossen sei. Zudem könne § 11 Abs. 6 ERTV bei einem Wechsel von den Entgeltgruppen T zu denen der Gruppe V nur mit der Maßgabe angewendet werden, dass die Tabellenentgelte der Gruppe T mit einem Faktor von 90 vH umzurechnen seien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision streben die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revisionen.
Gründe
7Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgeben. Die Klage ist unbegründet. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung erster Instanz.
8I. Die Klage ist insgesamt zulässig. Bei dem Eingruppierungsfeststellungsantrag besteht auch hinsichtlich der aufgeführten Entgeltstufe das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Dieses liegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats bei der Feststellung einer konkreten Entgeltstufe vor, wenn neben der Entgeltgruppe die Zuordnung zu einer Entgeltstufe zwischen den Parteien - wie vorliegend - umstritten ist und durch den Feststellungsantrag dieser umstrittene Teil eines Vergütungsanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig geklärt und weitere gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden werden können ( - Rn. 15, BAGE 124, 240; - 4 AZR 613/04 - Rn. 13, AP BAT-O § 27 Nr. 4; - 4 AZR 242/06 - Rn. 10, ZTR 2007, 616).
9II. Die Klage ist insgesamt unbegründet. Die Klägerin kann für die Monate Januar bis einschließlich Mai 2007 weder ihr vormaliges Entgelt beanspruchen noch die begehrte Stufenzuordnung in Anwendung des § 11 Abs. 6 ERTV verlangen. Bei einem Wechsel von einer Tätigkeit iSd. Entgeltgruppen T des ETV in eine Tätigkeit, in der Vertriebsfunktionen ausgeübt werden und die Entgeltgruppen V maßgebend sind, handelt es sich nicht um eine Höhergruppierung iSd. § 11 Abs. 6 ERTV. Das ergibt die Auslegung des ERTV und des ETV (zu den Maßstäben der Auslegung etwa - zu I 2 a bb [2] [c] [bb] der Gründe, BAGE 113, 291, 299).
10Dabei muss der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob einer Anwendung des § 11 Abs. 6 ERTV im vorliegenden Fall bereits entgegensteht, dass es an einer abschließenden Entscheidung der tariflichen Bewertungskommission nach § 4 und § 5 ERTV hinsichtlich der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit fehlt, wie es die Beklagten meinen, oder ob - was näher liegt und auch vom Landesarbeitsgericht angenommen wurde - der im Anwendungsbereich des ERTV nach dessen § 10 Abs. 1 und 2 bestehende Grundsatz der Tarifautomatik (vgl. - Rn. 21 ff., NZA-RR 2008, 358) dazu führt, dass der Vergütungsanspruch bereits aus der Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale folgt, ohne dass es einer Maßnahme des Arbeitgebers oder einer Bewertung einer tariflichen Kommission nach bestimmten Vorgaben bedarf. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von letzterem ausgeht, ist ihr Begehren unbegründet.
111. Für das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist im Verhältnis zur Beklagten zu 1) der ERTV nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG und gegenüber der Beklagten zu 2) sind dessen Bestimmungen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts infolge des Betriebsübergangs von der Beklagten zu 1) auf diese jedenfalls nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB maßgebend.
122. Ob das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats aufgrund des übereinstimmenden Vortrags der Parteien in den Tatsacheninstanzen und der vorläufigen Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin zur Entgeltgruppe V 2 ETV durch die Beklagte zu 1) anhand einer pauschalen, nicht näher begründeten Überprüfung davon ausgehen konnte, die Klägerin erfülle das Tätigkeitsmerkmal dieser Entgeltgruppe (vgl. zum Maßstab der pauschalen Überprüfung etwa - Rn. 21, ZTR 2009, 581; - 4 AZR 613/04 - AP BAT-O § 27 Nr. 4; - 4 AZR 371/03 - mwN, AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 301) oder es hierzu an ausreichenden Feststellungen fehlt, wie die Revision nunmehr geltend macht, und bereits deshalb nicht von einer Tätigkeit der Klägerin ausgegangen werden kann, die das Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe V 2 ETV erfüllt, kann dahinstehen. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von ersterem ausgeht, kann sie keine Vergütung nach der Entgeltstufe 3 dieser Entgeltgruppe in Anwendung von § 11 Abs. 6 ERTV beanspruchen.
a) Die maßgebende Bestimmung des § 11 ERTV lautet ua.:
14b) Bei der Umgruppierung der Klägerin von der Entgeltgruppe T 4 ETV in die Entgeltgruppe V 2 ETV anlässlich der Übernahme einer geänderten Tätigkeit handelt es sich nicht um eine Höhergruppierung im Sinne des § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 ERTV. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegt eine Höhergruppierung iSd. § 11 Abs. 6 ERTV nicht bereits dann vor, wenn eine Arbeitnehmerin von einer Tätigkeit in den sogenannten Nichtvertriebsentgeltgruppen in eine Vertriebstätigkeit wechselt, bei der das Grundentgelt der Entgeltstufe 1 höher ist als das der vormaligen Tätigkeit. Umgruppierungen zwischen den Entgeltgruppensystemen T und V werden von § 11 Abs. 6 ERTV nicht erfasst.
15aa) Der Begriff der Höhergruppierung beschreibt grundsätzlich die Zuordnung einer Tätigkeit des Arbeitnehmers zu einer höheren Entgeltgruppe als derjenigen, in welche er zuvor eingruppiert war (s. etwa Kaiser in Richardi/ Dörner/Weber BPersVG 3. Aufl. § 75 Rn. 51). Von daher ist es nicht ausgeschlossen, auch die Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit und die damit aufgrund der Tarifautomatik verbundene Umgruppierung - verstanden als Neueinreihung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Entgeltordnung, weil die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Merkmalen derjenigen Entgeltgruppe entspricht, nach der er bisher eingruppiert ist (dazu ausf. - Rn. 51mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 38 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 41) - , die mit einem Wechsel des Entgeltgruppensystems verbunden ist, zugleich auch als Höhergruppierung zu erfassen.
16Hiergegen spricht allerdings im vorliegenden Zusammenhang bereits die Wortwahl der Tarifvertragsparteien des ERTV in dem bei der Beklagten zu 1) im Übrigen geltenden Tarifwerk. Die Tarifvertragsparteien erfassen den Wechsel von einer Vertriebs- in eine Nichtvertriebsentgeltgruppe terminologisch nicht als Fall einer Höhergruppierung oder Herabgruppierung. Soweit ein solcher Entgeltgruppenwechsel in dem bei der Beklagten zu 1) bestehenden Tarifwerk in § 1 Abs. 3 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 des von denselben Tarifvertragsparteien geschlossenen Tarifvertrages Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung der Deutschen Telekom AG (TV-Ratio) behandelt wird („Erfolgt ein Wechsel von einer Vertriebs- in eine Nichtvertriebsentgeltgruppe bzw. umgekehrt, …“), verwenden sie hierfür den abweichenden Begriff des „Wechsels“ der Entgeltgruppe. Demgegenüber enthalten die Abs. 1, 5 und Abs. 9 derselben Bestimmung des TV-Ratio die Begriffe der „Herabgruppierung“ und der „Höhergruppierung“, was zeigt, dass sie den Fall des Entgeltgruppenwechsels bereits als etwas begrifflich anderes erfassen. Dementsprechend erfolgt die Bestimmung des zu sichernden Monatsentgeltes nach § 1 Abs. 3 Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 TV-Ratio eigenständigen, von § 1 Abs. 2 Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 TV-Ratio abweichenden Berechnungsregelungen.
17bb) Auch aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen ergibt sich, dass § 11 Abs. 6 ERTV den Wechsel von den Entgeltgruppen T zu denjenigen der Gruppen V oder umgekehrt nicht erfasst.
18(1) Die Regelung in § 11 Abs. 6 ERTV zur Entgeltstufenbestimmung bei Höhergruppierungen lässt sich nicht widerspruchsfrei auf Fälle des Entgeltgruppenwechsels von den Entgeltgruppen T in eine der Entgeltgruppen V oder umgekehrt anwenden. Die Bestimmung, wann eine „Höhergruppierung“ iSd. § 11 Abs. 6 ERTV vorliegt, kann nach den tariflichen Regelungen nur für einen Aufstieg innerhalb der jeweiligen Entgeltordnung der Vertriebs- und Nichtvertriebsentgeltgruppen festgestellt werden. Hier ergibt sich die höhere Eingruppierung sowohl anhand der tariflichen Tätigkeitsmerkmale als auch der Höhe des regelmäßigen Monatsentgelts (Regelentgeltgruppen nach den Anlagen 1b und 2b zum ETV) in den jeweiligen Entgeltgruppen.
(a) Die tarifliche Bewertung der Entgeltgruppen V 1 und V 2 ERTV sowie der Entgeltgruppen T 4 und T 5 ERTV lautet nach den Anlagen 1b und 2b zum ETV ua.:
20(b) Bei einer Änderung der Tätigkeit, die mit einem Wechsel von den Entgeltgruppen T zu denen der Entgeltgruppen V oder umgekehrt verbunden ist, können die genannten Maßstäbe nicht mehr herangezogen werden, da andere tarifliche Bewertungs- und Entgeltparameter von Bedeutung sind. Ein Rückgriff auf die abstrakten Merkmale der Entgeltgruppen zur Bestimmung der Wertigkeit der ausgeübten Tätigkeit ist zwischen den beiden Entgeltgruppenordnungen T und V nicht möglich. Es ist bereits offen, ob durch die Verwendung gleicher Merkmale innerhalb der einzelnen Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppen T und V eine gleiche tarifliche Wertigkeit beschrieben werden soll. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass beispielsweise die Bewertung von Nichtvertriebstätigkeiten der Entgeltgruppe T 5 ERTV derjenigen von Vertriebstätigkeiten mit den im Übrigen gleichen Merkmalen der Entgeltgruppe V 1 ERTV entspricht oder ob die Tarifvertragsparteien die Bewertung von Vertriebs- und Nichtvertriebstätigkeiten schon im Ansatz unterschiedlich beurteilen. Eine Orientierung an den regelmäßigen Bruttomonatsentgelten der Entgeltgruppen, die dem Wortlaut nach vergleichbare Merkmale aufweisen, würde zu anderen Ergebnissen führen. Danach erwiese sich der Wechsel von der Entgeltgruppe T 5 ERTV zur Entgeltgruppe V 1 ERTV nach den Anlagen 1b und 2b ETV als Höhergruppierung, umgekehrt wäre der Wechsel wegen des niedrigeren regelmäßigen Bruttomonatsentgelts als Rückgruppierung zu bewerten, nach den tariflichen Merkmalen wäre keine von beiden Bewertungen zutreffend.
21(2) Die Bestimmung der zutreffenden Entgeltstufe nach § 11 Abs. 6 ERTV im Falle eines Wechsels zwischen den Entgeltgruppen V und T würde auch zu wenig nachvollziehbaren Ergebnissen führen, wenn man - wie es die Klägerin meint - die tarifliche Wertigkeit an den Oberbegriffen der Entgeltgruppen ausrichten würde, soweit sie dem Wortlaut nach vergleichbare Merkmale beinhalten.
22(a) Im Rahmen der Entgelttabellen der Anlagen zu § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 ETV führt die Anwendung des § 11 Abs. 6 ETV bei einer Eingruppierung in einer höheren Entgeltgruppe innerhalb der Entgeltgruppen V oder T, wenn zuvor eine höhere Entgeltstufe erreicht worden war, zu einer höheren Entgeltstufe, und zwar im Umfang von einer bis zwei Entgeltstufen. Mit einem Aufstieg in die nächsthöhere Entgeltgruppe innerhalb einer Entgeltgruppenordnung verbindet sich dann in der Regel das Überspringen einer Entgeltgruppenstufe. Erfolgt ein Entgeltgruppenaufstieg in die übernächste Entgeltgruppe, so kann sich bei einer vormaligen Eingruppierung in der Entgeltstufe 4 auch dann noch eine höhere Entgeltstufe als die Stufe 1 ergeben.
23(b) Demgegenüber würde die Anwendung von § 11 Abs. 6 ERTV auf einen Entgeltgruppenwechsel von den Entgeltgruppen T zu den Entgeltgruppen V zu Änderungen der Entgeltstufe führen, während im umgekehrten Fall der Wechsel regelmäßig ohne Folge für die maßgebende Entgeltstufe bliebe. So wäre bei einem Wechsel von der Entgeltgruppe T 5, Stufe 4 ERTV in die Entgeltgruppe V 2 deren Stufe 3 einschlägig. Im umgekehrten Fall - etwa bei einem Wechsel von der Entgeltgruppe V 1, Stufe 4 ERTV in die Entgeltgruppe T 6 ERTV - ergäbe sich keine höhere Grundstufe, obwohl - jedenfalls nach dem Verständnis der Klägerin - eine „höherwertige“ Tätigkeit ausgeübt wird.
24(3) Schließlich spricht auch die von den Tarifvertragsparteien mit § 11 Abs. 6 ERTV verfolgte Zwecksetzung dagegen, einen Entgeltgruppenwechsel von den Entgeltgruppen T zu denen der Entgeltgruppen V als Höhergruppierung iSd. § 11 Abs. 6 ERTV aufzufassen.
25(a) § 11 Abs. 6 ERTV beinhaltet einen Schutz vor einem niedrigeren Bruttomonatsentgelt für Arbeitnehmer, die nach einem Tätigkeitswechsel in eine höhere Entgeltgruppe eingruppiert sind, für die jedoch aufgrund der Regelung in § 11 Abs. 1 ERTV „an sich“ die dortige Entgeltstufe 1 maßgebend wäre. Dieser Schutz wird in Anwendung von § 11 Abs. 6 ERTV durch eine Korrektur der Entgeltstufe verwirklicht.
26(b) Ändert sich mit dem Wechsel der Entgeltgruppenordnung jedoch die Zusammensetzung des Entgelts, würde diese Korrektur zu Ergebnissen führen, die über die Entgeltsicherungsfunktion hinausgehen.
27Die Veränderung der Entgeltstufe nach § 11 Abs. 6 ERTV orientiert sich allein an den Regelentgeltgruppen der Anlagen 1b und 2b zum ETV. Zu den dort aufgeführten regelmäßigen Monatsentgelten treten jedoch variable Entgeltanteile, die bei den Vertriebs- gegenüber den Nichtvertriebstätigkeiten wesentlich höher ausfallen können. Es kann im Sinne einer sachgerechten tariflichen Regelung nicht davon ausgegangen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei der Vorschrift des § 11 Abs. 6 ERTV, die der Entgeltsicherung dient, allein die Regelentgeltgruppen als Maßstab herangezogen, den Umstand des unterschiedlich ausgestalteten variablen Entgelts aber unberücksichtigt gelassen.
28(aa) Im Bereich der Nichtvertriebstätigkeiten wird neben dem regelmäßigen Bruttomonatsentgelt ein prozentual bestimmter Budgetbetrag als Leistungsentgelt ausgeschüttet, der nach individuell bewerteter Leistung anfällt (§ 13 Abs. 3, §§ 14 ff. ERTV), während im Vertriebsbereich ein ergebnisbezogenes Entgelt gezahlt wird, das sich aus einer Zielbewertung ergibt (§ 13 Abs. 2, §§ 35 ff. ERTV iVm. dem Tarifvertrag über ein ergebnisbezogenes Entgelt im Vertrieb vom ). Dabei ist der mögliche variable Vergütungsanteil unterschiedlich hoch. Bei den Nichtvertriebstätigkeiten umfasst er einen budgetbezogenen Anteil von 7 vH der Bruttoentgeltsumme (§ 16 Abs. 2 ERTV: „Das Budget Leistungsentgelt beträgt ab je 7 vH der zum Stichtag 30. September bzw. 31. März ermittelten Bruttoentgeltsumme.“). Wird eine Vertriebstätigkeit ausgeübt, ist der zusätzlich zur regelmäßigen Bruttomonatsvergütung bestehende variable Vergütungsanteil bei Zielerreichung nach § 34 Abs. 4 ERTV iVm. den jährlichen Basisbeträgen des ergebnisbezogenen Entgelts nach der Anlage 5b des ETV gegenüber den Leistungsentgelten mindestens doppelt so hoch. Mit den nach § 16 Abs. 2 ERTV und § 3 Abs. 3 iVm. Anlagen 5a und b ETV geregelten variablen Entgeltanteilen einschließlich der Festsetzung des Budgets für das Leistungsentgelt und der Basisbeträge für den ergebnisbezogenen „Entgeltanteil Vertrieb“ regeln die Tarifvertragsparteien zudem nicht bloße Verdienstoptionen, sondern verbinden damit die Erwartung, dass diese variablen Entgeltbestandteile von den Beschäftigten typischerweise auch individuell erreicht werden.
29(bb) Die unterschiedliche Entgeltzusammensetzung in den Entgeltgruppen T und V sowie die möglichen höheren variablen Entgeltbestandteile in den Vertriebsentgeltgruppen sprechen bei einer zweckorientierten Auslegung des § 11 Abs. 6 ERTV dagegen, dessen Anwendungsbereich auch auf Tätigkeitsänderungen anzuwenden, die in der Folge zu einer Umgruppierung aus den Entgeltgruppen T in jene der Entgeltgruppen V führen. Dabei bliebe die damit verbundene Möglichkeit eines höheren ergebnisbezogenen Entgelts nach den §§ 25 ff. ERTV außer Betracht. Bei einer undifferenzierten Anwendung des § 11 Abs. 6 ERTV auf den Wechsel zwischen den Entgeltgruppen T und V würde der Wechsel in eine Vertriebstätigkeit überproportional begünstigt. Dass die Tarifvertragsparteien eine Entgeltsicherung nach § 11 Abs. 6 ERTV ohne Berücksichtigung der gesamten Entgeltzusammensetzung schaffen wollten, kann nicht angenommen werden.
(c) Für das vorliegende Ergebnis spricht schließlich auch § 1 Abs. 3 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 TV-Ratio. § 1 der Anlage 5 Abschn. 1 Unterabschn. 1 TV-Ratio lautet auszugsweise wie folgt:
31Die Festlegung des Umrechnungsfaktors in Abs. 3 zeigt, dass die Tarifvertragsparteien bei einem Wechsel in eine Vertriebstätigkeit von einem aufgrund der besonderen Entgeltstruktur zu erreichenden höheren Gesamtentgelt im Verhältnis zum regelmäßigen Monatsentgelt nach der Anlage 2b des ERTV ausgegangen sind. Deshalb wird das zu sichernde Monatsentgelt, welches nach § 7 ERTV durch das regelmäßige Monatsentgelt nach den Regelentgeltgruppen des ETV gebildet wird, durch Multiplikation mit den aufgeführten Faktoren berechnet und bei einem Wechsel in den Vertrieb gekürzt.
32c) Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 11 Abs. 6 ERTV stützen. Die Gerichte für Arbeitssachen können allenfalls eine unbewusste Tariflücke schließen (vgl. - Rn. 19, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 215; - 4 AZR 330/93 - zu II 2 der Gründe,BAGE 77, 94, 101) . Die nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang bewusst begrenzte Regelung in § 11 Abs. 6 ERTV kann daher nicht auf ein nicht mit umfasstes Regelungsziel, den Wechsel von einer Nichtvertriebs- in eine Vertriebsentgeltgruppe, erweitert werden.
III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Fundstelle(n):
DB 2010 S. 2342 Nr. 42
UAAAD-42036