BGH Beschluss v. - XII ZB 129/09

Leitsatz

Wenn das Beschwerdegericht im Verfahren der Wiedereinsetzung einer eidesstattlichen Versicherung keinen Glauben schenkt, muss es den Antragsteller darauf hinweisen und entsprechenden Zeugenbeweis erheben (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom , XII ZB 174/08, FamRZ 2010, 122) .

Gesetze: § 236 Abs 2 S 1 ZPO, § 284 ZPO, § 569 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Az: 5 UF 49/09 Beschlussvorgehend AG Bremen-Blumenthal Az: 71b F 29/08

Gründe

I.

1 Die Parteien streiten um den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin eine monatliche Ausgleichsrente in Höhe von 1.154,50 € zu zahlen. Der Beschluss ist dem Antragsgegner am zugestellt worden. Mit einem am beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsgegner gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt, diese zugleich begründet und wegen Versäumnis der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dem Schriftsatz war zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung der ReNo-Fachangestellten des Verfahrensbevollmächtigen des Antragsgegners beigefügt, wonach diese am eine an das Oberlandesgericht gerichtete Beschwerdeschrift geprüft, eingetütet und frankiert sowie kurz vor 18.00 Uhr bei der Postfiliale abgegeben hat. Auf Verfügung des Oberlandesgerichts legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom eine ergänzende eidesstattliche Versicherung der ReNo-Fachangestellten vor.

2 Das Oberlandesgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch des Antragsgegners zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

II.

3 Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

4 Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom - XII ZR 50/08 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt m.w.N.).

5 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

6 Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N. sowie Senatsbeschlüsse vom - XII ZR 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792 m.w.N. und vom - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722) dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. auch BVerfGE 88, 118, 123 ff.). Gegen diesen Grundsatz verstößt die angefochtene Entscheidung.

7 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

8 a) Im Ansatz zu Recht geht das Oberlandesgericht davon aus, dass dem Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen wäre, wenn sein Verfahrensbevollmächtigter bereits am die Beschwerdeschrift per Post an das Oberlandesgericht abgeschickt hätte, ohne dass sie dort angekommen ist. Denn dem Rechtsmittelführer dürfen Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden zugerechnet werden. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (Senatsbeschluss vom - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723). Eine am (Montag) aufgegebene Postsendung hätte diesen Anforderungen im Hinblick auf die am ablaufende Beschwerdefrist genügt.

9 b) Soweit das Oberlandesgericht den eidesstattlichen Versicherungen der ReNo-Fachangestellten und des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners keine hinreichende Glaubhaftmachung für Fertigung und Absendung einer Beschwerdeschrift am entnommen hat, hält dies den Angriffen der Rechtsbeschwerde hingegen nicht stand. Die Entscheidung verstößt insoweit gegen die Verfahrensgrundrechte des Antragsgegners auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und auf rechtliches Gehör.

10 aa) Die Entscheidung kann schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht der eidesstattlichen Versicherung der ReNo-Fachangestellten keinen Glauben geschenkt hat, ohne dem Antragsgegner Gelegenheit zu entsprechendem Beweisantritt zu geben. Denn wenn das Beschwerdegericht einer eidesstattlichen Versicherung im Verfahren der Wiedereinsetzung keinen Glauben schenkt, muss es den Antragsteller darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, entsprechenden Zeugenbeweis anzutreten ( - veröffentlicht bei Juris).

11 Unabhängig davon hätte das Oberlandesgericht prüfen müssen, ob in der Vorlage der eidesstattlichen Versicherung zugleich ein Beweisangebot auf Vernehmung der ReNo-Fachangestellten als Zeugin zu den darin genannten Tatsachen liegt (Senatsbeschluss vom - XII ZB 174/08 - FamRZ 2010, 122 f. m.w.N.). Dann liefe die Ablehnung der Wiedereinsetzung ohne die vorherige Vernehmung der Zeugin auf eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung hinaus (vgl. insoweit - ZfSch 2009, 159).

12 bb) Aber auch sonst hält die angefochtene Entscheidung den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand, weil sie gegen anerkannte Regeln der Beweiswürdigung verstößt.

13 Schon soweit das Oberlandesgericht es nicht für nachvollziehbar hält, wie sich eine Mitarbeiterin einer Rechtsanwaltskanzlei "nach über einer Woche" noch im Einzelnen mit genauem Datum an die Aufgabe bestimmter Schriftstücke erinnern könne, überzeugt dies nicht. Die hier relevante Zeit vom 27. April bis zum ist nicht so lang, dass sie ernsthafte Zweifel an dem Inhalt der eidesstattlichen Versicherung wecken könnte. Auf ausdrückliche Nachfrage hatte die ReNo-Fachangestellte ihre konkrete Erinnerung an den Vorgang hier zusätzlich mit der Namensähnlichkeit des Mandanten und eines Rechtsanwalts in der Kanzlei begründet. Die konkrete Erinnerung an diesen Vorgang hat das Oberlandesgericht deswegen auch nicht in Zweifel gezogen.

14 Die Zweifel des Oberlandesgerichts an dem genannten Datum der Aufgabe zur Post teilt der Senat nicht. Dabei ist von der eidesstattlichen Versicherung der ReNo-Fachangestellten auszugehen, wonach die an das Oberlandesgericht gerichtete Beschwerdeschrift am kurz vor 18:00 Uhr bei der Postfiliale in Bremen-Blumenthal aufgegeben wurde. Im Hinblick auf diesen eindeutigen Inhalt wäre die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts nur dann haltbar, wenn die eidesstattliche Versicherung wahrheitswidrig abgegeben wurde. Hierfür hat das Oberlandesgericht keine Anhaltspunkte aufgezeigt. Dass die ReNo-Fachangestellte das Datum der Aufgabe zur Post durch Einsicht in die in den Handakten befindliche Beschwerdeschrift vom mit eigenem Abvermerk rekonstruiert hat, kann das Gewicht der strafbewehrten eidesstattlichen Versicherung nicht erschüttern. Insoweit weist die Beschwerdebegründung zu Recht darauf hin, dass § 378 ZPO für den Zeugenbeweis sogar ausdrücklich die Einsicht in Aufzeichnungen und andere Unterlagen vorsieht, um dem Zeugen die Erinnerung an seine Wahrnehmungen zu erleichtern.

15 Dass der Abvermerk in der Handakte kein Datum trägt, steht dem Wahrheitsgehalt ebenfalls nicht entgegen. Denn nach dem Beschwerdevortrag des Antragsgegners werden fristwahrende Schriftsätze im Büro des Antragsgegnervertreters von der übrigen Post getrennt behandelt und von der dafür zuständigen ReNo-Fachangestellten abends zur Post gebracht. Wenn die ReNo-Fachangestellte daraus nach wenig mehr als einer Woche im Rückschluss die Erkenntnis gezogen hat, der Brief sei von ihr an dem Tag zur Post gegeben, an dem er gefertigt wurde, ist dieser Schluss durchaus überzeugend. An besondere Umstände, die dem im Ausnahmefall entgegenstehen könnten, hätte sich die ReNo-Fachangestellte nach so kurzer Zeit vermutlich erinnern können.

16 cc) Schließlich fehlt hier auch dem Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, wonach es einen ungewöhnlichen Vortrag darstelle, dass gerade zwei Schriftsätze an einem Tag abhanden gekommen seien, die Grundlage. Ob mit der Durchschrift der Beschwerdeschrift an den Antragsgegner am ein weiterer Schriftsatz abgeschickt wurde, hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Auf die Information des eigenen Mandanten sind die Sorgfaltsanforderungen an die Absendung der Beschwerdeschrift auch nicht übertragbar.

17 Unabhängig davon kann die Anzahl abhanden gekommener Briefe jedenfalls dann nicht gegen die eidesstattlichen Versicherungen sprechen, wenn - wie der Antragsgegner durch Vorlage eines Zeitungsberichts belegt hat - seinerzeit im Bezirk des Oberlandesgerichts eine größere Anzahl an Briefen und Päckchen beim Transport von Postfilialen zum Verteilzentrum abhanden gekommen sind.

18 c) Sollte das Berufungsgericht auch unter Berücksichtigung des erheblichen Beweiswerts der eidesstattlichen Versicherungen nicht zu einer hinreichend glaubhaft gemachten Absendung der Beschwerdeschrift am gelangen, wird es den Antragsgegner darauf hinweisen und die angebotenen Beweise erheben müssen.

Fundstelle(n):
HFR 2010 S. 869 Nr. 8
NJW 2010 S. 8 Nr. 15
KAAAD-40616