Verfahrensstillstand wegen Nichtbetreibens durch die Parteien: Nochmalige Aufforderung zur Anspruchsbegründung nach Mahnverfahren als letzte Verfahrenshandlung des Gerichts
Leitsatz
Eine nochmalige Aufforderung zur Anspruchsbegründung nach § 697 Abs. 1 Satz 1 ZPO stellt jedenfalls dann eine letzte Verfahrenshandlung des Gerichts im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB dar, wenn die Aufforderung zur Anspruchsbegründung den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zunächst gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden sollte, diese das Empfangsbekenntnis aber nicht zurückgesandt haben und ihnen deshalb die Aufforderung zur Anspruchsbegründung nochmals gegen Postzustellungsurkunde zugestellt wird .
Gesetze: § 204 Abs 2 S 2 BGB, § 697 Abs 1 S 1 ZPO
Instanzenzug: OLG Dresden Az: 9 U 1889/07 Urteilvorgehend LG Görlitz Az: 1 O 2/05 Urteil
Tatbestand
1 Die Klägerin begehrt Restwerklohn aus einem mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden nur: Beklagte) im April 1999 geschlossenen Vertrag über die Errichtung einer Reit- und Sporthalle.
2 Auf den am eingegangenen Antrag der Klägerin wurde unter anderem ein Mahnbescheid über einen Betrag von 51.069 DM (26.111,17 €) erlassen, der der Beklagten am zugestellt wurde. Am verfügte das Amtsgericht die Mitteilung des eingegangenen Widerspruchs an die Klägerin. Diese zahlte am weitere Gerichtskosten ein und beantragte die Abgabe des Rechtsstreits an das Landgericht. Mit Verfügung der Geschäftsstelle dieses Gerichts vom wurden die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis aufgefordert, den Anspruch zu begründen. Sie reichten das Empfangsbekenntnis nicht zurück. Es wurde mit Verfügung vom mit einfachem Brief ohne Erfolg angemahnt. Mit Verfügung vom wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin daraufhin die Aufforderung zur Anspruchsbegründung am mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Am ging die Anspruchsbegründung bei Gericht ein.
3 Das Landgericht hat der Klägerin einen Teilbetrag von 4.394,86 € und aus einer weiteren Rechnung, die Gegenstand eines zweiten Mahnbescheids war, 20.112,59 €, insgesamt 24.507,45 €, nebst Zinsen zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt wegen Verjährung abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Auf die umfassend eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat die Revision zugelassen, soweit das Berufungsgericht die Klage in Höhe von 4.394,86 € nebst Zinsen abgewiesen hat, und im Übrigen die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Die Klägerin verfolgt im zugelassenen Umfang ihren Werklohnanspruch weiter.
Gründe
4Die Revision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
5Das Berufungsgericht führt aus, die für den Werklohnanspruch der Klägerin ursprünglich geltende vierjährige Verjährungsfrist, die zunächst unterbrochen worden sei, habe am erneut zu laufen begonnen. Ab dem sei gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die Verjährungsfrist von drei Jahren in Lauf gesetzt worden. Durch die Einzahlung des Auslagenvorschusses und die Beantragung der Abgabe des Rechtsstreits an das Landgericht am sei die Verjährung gehemmt worden. Die Klägerin habe dann das Verfahren nicht weiterbetrieben. Die Hemmung habe daher gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung des Gerichts geendet. Das sei die Aufforderung vom gewesen, den Anspruch zu begründen. Gemäß § 697 Abs. 1 Satz 2, § 270 Satz 2 ZPO sei davon auszugehen, dass diese Aufforderung den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugegangen sei. Damit habe die Hemmung der Verjährung am geendet. Hieran schließe sich der noch nicht verbrauchte Rest der Verjährungszeit vom 22. Dezember bis zum an. Damit sei die Verjährungsfrist am abgelaufen. Auf die Aufforderung zur Übersendung des Empfangsbekenntnisses vom und die zweite Aufforderung zur Anspruchsbegründung vom könne nicht als letzte Verfahrenshandlung abgestellt werden. Erstere habe das Verfahren sachlich-inhaltlich nicht gefördert, letztere stelle als bloße Wiederholung einer bereits abgeschlossenen gerichtlichen Maßnahme keine verjährungsrelevante Verfahrenshandlung dar.
II.
6Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Der Anspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Letzte Verfahrenshandlung des Gerichts im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB ist die am verfügte und am förmliche zugestellte zweite Aufforderung zur Anspruchsbegründung.
71. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Länge der ursprünglichen Verjährungsfrist von vier Jahren, zu den Unterbrechungstatbeständen vor dem , zum Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist ab dem und zur Hemmung der Verjährung am sind nicht zu beanstanden und werden von der Revision auch nicht angegriffen.
82. Nach dem hat die Klägerin das Verfahren erst wieder durch Einreichung der Anspruchsbegründung am , also nahezu neun Monate später, weiterbetrieben. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die am eingetretene Hemmung der Verjährung sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung des Gerichts endete, § 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB. Rechtsfehlerhaft stellt es dabei allein auf die Aufforderung zur Anspruchsbegründung vom ab und misst der am verfügten und am förmlich zugestellten erneuten Aufforderung keine Bedeutung bei.
9a) Unter einer Prozesshandlung im Sinne von § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. wird jede Handlung verstanden, die zur Begründung, Führung und Erledigung des Rechtsstreits dient und vom Prozessrecht in ihren Voraussetzungen und Wirkungen geregelt ist (RGZ 77, 324, 329). Die Aufforderung nach § 697 Abs. 1 Satz 1 ZPO, den Anspruch zu begründen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine derartige Prozesshandlung (, BGHZ 134, 387 und vom - IX ZR 132/94, NJW-RR 1995, 1335).
10Auf diese Rechtsprechung kann zur näheren Bestimmung des Begriffs der Verfahrenshandlung im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB ohne weiteres zurückgegriffen werden, da diese Vorschrift die Regelung des § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. nahezu inhaltsgleich übernommen hat.
11b) Auch die zweite Aufforderung zur Anspruchsbegründung vom ist eine Verfahrenshandlung in diesem Sinne. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es nicht von Bedeutung, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits mit Verfügung vom aufgefordert worden waren, die Anspruchsbegründung einzureichen.
12Diese Aufforderung sollte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst gemäß § 174 ZPO gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden. Sie hatten das Empfangsbekenntnis trotz Mahnung nicht zurückgesandt und damit ihre Mitwirkung an der Zustellung verweigert. Damit war dieser Versuch einer Zustellung gescheitert. Hier sollte die nochmalige Übersendung der Aufforderung zur Anspruchsbegründung, nunmehr gegen Postzustellungsurkunde, Abhilfe schaffen. Wegen der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sollten ersichtlich auf diese Weise Zugang und Zugangszeitpunkt dokumentiert werden. Somit diente die Verfügung vom der Förderung und Erledigung des Rechtsstreits, selbst wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, dass im Rahmen des § 697 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine förmliche Zustellung entbehrlich ist (so z.B. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 697 Rdn. 4; a.A. MünchKommZPO/Schüler, 3. Aufl., § 697 Rdn. 3). Unerheblich ist dabei, ob es sich, wie das Berufungsgericht meint, um die Wiederholung eines bereits abgeschlossenen Vorgangs handelt. Dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass dann, wenn das Gericht Anlass sieht, eine Verfahrenshandlung im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB nochmals vorzunehmen, dieser weiteren Verfahrenshandlung keine Bedeutung für den Lauf der Verjährung zukommen soll. Entscheidend ist nur, dass auch sie die Voraussetzungen für eine Verfahrenshandlung im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB erfüllt.
13c) Da im Rahmen von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB bei einer gerichtlichen Verfügung auf deren Zugang abzustellen ist (vgl. , BGHZ 134, 387), hätte die durch die Verfügung vom ausgelöste Hemmung der Verjährung am geendet, § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB. Vor diesem Zeitpunkt hat die Klägerin das Verfahren durch Einreichung der Anspruchsbegründung weiterbetrieben. Dadurch wurde die Verjährung erneut gehemmt, § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB.
III.
14Das Berufungsurteil kann im Umfang der Anfechtung keinen Bestand haben. Es ist insoweit aufzuheben, die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr den Anspruch der Klägerin inhaltlich zu prüfen haben.
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Halfmeier Leupertz
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 1662 Nr. 23
NJW 2010 S. 8 Nr. 12
DAAAD-39150