BSG Urteil v. - B 5 R 72/08 R

Leitsatz

Leitsatz:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Instanzenzug: LSG Rheinland-Pfalz, L 4 R 176/07 vom SG Trier, S 4 RA 51/01 vom

Gründe

I

Der Kläger begehrt höhere Regelaltersrente, weil er meint, die Beklagte habe die Zeit seiner beruflichen Ausbildung zu niedrig bewertet.

Für den im März 1936 geborenen Kläger wurden während seiner Schreinerlehre vom bis (37 Monate) laut dem von der Beklagten festgestellten Versicherungsverlauf Pflichtbeiträge aufgrund einer Lehrlingsvergütung gezahlt, die sich nur auf etwa 10 % des damaligen Durchschnittsentgelts aller Versicherten belief. Weitere Pflichtbeitragszeiten (43 Monate) und Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit und Fachschulausbildung (36 Monate) legte der Kläger bis Ende 1961 zurück; danach sind keine Versicherungszeiten mehr festgestellt. Nach dem Revisionsvorbringen war der Kläger die längste Zeit seines Erwerbslebens als selbständiger Architekt tätig. Die Beklagte erteilte dem Kläger am eine Rentenauskunft, wonach er nach der aktuellen Berechnung bei 80 Monaten Beitragszeit und 36 Monaten Anrechnungszeit eine Regelaltersrente von 309,47 DM monatlich erwarten könne. Die Auskunft enthielt den Hinweis, dass die Rentenanwartschaften nach den gegenwärtigen Bestimmungen errechnet seien und sich aus künftigen Rechtsvorschriften Änderungen ergeben könnten.

Auf entsprechenden Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom Regelaltersrente ab dem in Höhe von monatlich 213,72 DM. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom ; Urteil des Sozialgerichts Trier vom ).

Mit Urteil vom hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach § 300 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) gelte für eine nach einer Rechtsänderung neu beginnende Rente das neue Recht. Der Rentenauskunft vom habe noch § 70 Abs 3 SGB VI in der Fassung vom (BGBl I 2261) zugrunde gelegen, der für jeden Kalendermonat der Pflichtbeitragszeit während einer Berufsausbildung innerhalb der ersten 48 Monate grundsätzlich eine Bewertung mit 0,075 Entgeltpunkten (EP) vorschreibe. Seit dem würden jedoch Zeiten der beruflichen Ausbildung nach § 54 Abs 3 Satz 2 SGB VI als beitragsgeminderte Zeiten gelten. Entsprechend dieser Regelung habe die Beklagte die Zeiten vom bis zum im Rentenbescheid als beitragsgeminderte Zeit und mit entsprechenden EP für die tatsächlich gezahlten Pflichtbeiträge berücksichtigt.

Aus der Rentenauskunft vom ergebe sich bereits deshalb kein Anspruch auf eine Beitragszeit mit höheren EP, weil eine Rentenauskunft vom Gesetz ausdrücklich als unverbindlich qualifiziert werde (§ 109 Abs 4 Satz 2 SGB VI idF vom ). Ferner bestehe keine Veranlassung, die Sache dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen, weil sich der Eingriff in das Anwartschaftsrecht (rückwirkend) und in das Vollrecht (zukunftsgerichtet) im Rahmen des gesetzgeberischen Spielraumes bewege und eine zulässige Änderung von Inhalt und Schranken des Eigentums darstelle. Auch der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes sei nicht verletzt.

Ein höherer Wert für die Ausbildungszeiten des Klägers ergebe sich schließlich auch nicht unter Berücksichtigung des § 247 Abs 2a SGB VI iVm § 256 Abs 1 SGB VI. Diese Vorschrift solle fiktive Beitragszeiten für Personen schaffen, deren Versicherungsverlauf Beitragslücken infolge unterbliebenen Beitragseinzugs während der Berufsausbildung aufweise, und könne daher weder nach ihrem Wortlaut noch analog Anwendung finden. Der vorliegende Fall betreffe einen anderen Sachverhalt als die Entscheidung des 4. Senats des (SozR 4-2600 § 247 Nr 1), in der es um die Bewertung zusätzlich nachentrichteter freiwilliger Beiträge gegangen sei.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere die fehlerhafte Anwendung der §§ 247 Abs 2a SGB VI und 256 Abs 1 SGB VI sowie der Art 3 Abs 1 und 14 Grundgesetz (GG).

§ 256 Abs 1 SGB VI ordne jedem Kalendermonat in der Zeit vom bis 0,025 EP zu; der in Klammern eingeschobene Verweis auf § 247 Abs 2a SGB VI ergebe jedenfalls nicht zwingend, dass dies ausschließlich für die in dieser Vorschrift fingierten Pflichtbeitragszeiten gelten solle, zumal § 247 Abs 2a SGB VI lediglich besage, dass Pflichtbeitragszeiten auch Zeiten in der Zeit vom bis im Rahmen einer beruflichen Ausbildung seien, für die eine Zahlung von Pflichtbeiträgen nicht erfolgt sei. § 256 Abs 1 SGB VI könne daher Zeiten miterfassen, in denen tatsächlich Beiträge entrichtet worden seien. Infolgedessen scheitere die Anwendung des nicht daran, dass die zusätzliche Bewertung der Pflichtbeitragszeiten nach § 256 Abs 1 SGB VI durch § 247 Abs 2a SGB VI ausgeschlossen sei. Überdies gebe es keinen sachlichen Grund, den Kläger schlechter zu stellen, als die von der genannten Rechtsprechung des BSG begünstigten Versicherten, die für die relevante Zeit freiwillige Beiträge entrichtet hätten.

Schließlich sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art 14 GG durch die Neubewertung der Ausbildungszeiten des Klägers im Rentenbescheid im Vergleich zur Rentenauskunft in unzumutbarer Weise verletzt, weil sich die Rentenanwartschaft um nahezu 1/3 gemindert habe. Als Selbständiger sei der Kläger zwar selbst gehalten, für seine Altersversorgung zu sorgen; er habe sich jedoch dabei an der Versorgungslücke zu orientieren, die ihm aufgrund der Höhe der gesetzlichen Rente verbleibe. Deren Minderung seit der Rentenauskunft von 1992 könne vom Kläger durch ergänzende Vorsorge nicht mehr ausgeglichen werden.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom und des Sozialgerichts Trier vom aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom zu verurteilen, ihm höhere Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Aus den Gesetzesbegründungen zum Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (Rü-ErgG vom - BGBl I 1038 - BT-Drucks 12/5017) und zum Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG vom - BGBl I 1461 - BT-Drucks 13/4610) gehe hervor, dass der Klammereinschub in § 256 Abs 1 SGB VI klarstellen solle, dass die darin angeordnete Bewertung ausschließlich Zeiten nach § 247 Abs 2a SGB VI betreffen könne. Andernfalls müsse nach dem Wortlaut der Norm davon ausgegangen werden, dass jede Pflichtbeitragszeit aufgrund einer Beschäftigung in der Zeit vom bis eine Anhebung um 0,025 EP für jeden Kalendermonat erfahren solle; eine Beschränkung auf Zeiten der Berufsausbildung lasse sich dem restlichen Wortlaut des § 256 Abs 1 SGB VI nicht entnehmen. Hinsichtlich der vom Kläger erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken werde auf den (BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7) verwiesen, wonach die Minderung der rentenrechtlichen Bewertung der ersten Berufsjahre durch das WFG von 1996 verfassungsgemäß sei.

II

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Der Rentenbescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das LSG hat die Berufung gegen das entsprechende erstinstanzliche Urteil zu Recht zurückgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Regelaltersrente (§ 35 SGB VI) unter Berücksichtigung höherer EP für seine Ausbildungszeit vom bis . Gemäß § 64 SGB VI ist der Monatsbetrag der Rente das Produkt aus den unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert. Die genannten Faktoren sind mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander zu vervielfältigen. Dessen Ermittlung richtet sich nach weiteren Regelungen; für den Streit der Beteiligten sind insbesondere die §§ 54, 70 bis 73 SGB VI einschlägig, und zwar mit Rücksicht auf die Entstehung des Rentenanspruchs im April 2001 in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (vgl § 300 Abs 1, Abs 2 SGB VI; BSG SozR 4-2600 § 300 Nr 2 RdNr 9 f). Der im Jahre 1992 erteilten Rentenauskunft kommt in diesem Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung zu, weil sie nach dem damals geltenden § 109 Abs 4 Satz 2 SGB VI unverbindlich war (heute im gleichen Sinne: § 109 Abs 2 SGB VI; vgl dazu auch BVerfGE 117, 272, 295 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 57 f).

Für die vom Kläger angestrebte Höherbewertung der während seiner Berufsausbildung entrichteten Beiträge gibt es keine gesetzliche Grundlage. § 54 Abs 3 Satz 2 SGB VI in der von 1998 bis 2004 geltenden Fassung vom (BGBl I 2998) ordnet Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine Berufsausbildung den beitragsgeminderten Zeiten zu. Die während der Schreinerlehre vom Kläger mit Pflichtbeiträgen belegten 37 Kalendermonate müssen daher nach § 70 Abs 1 SGB VI mit den aus der Höhe des bezogenen Arbeitsentgelts errechneten EP (hier insgesamt 0,3273) in die Rentenberechnung einfließen.

Die Beklagte hat die Rente des Klägers im Ergebnis zu Recht ohne einen Zuschlag nach § 71 Abs 2 SGB VI berechnet. Nach der hier anwendbaren, bis zum geltenden Fassung ist für beitragsgeminderte Zeiten die Summe der EP um einen Zuschlag so zu erhöhen, dass mindestens der Wert erreicht wird, den diese Zeiten als beitragsfreie Zeit nach der Vergleichsbewertung hätten. Damit soll nach den Gesetzesmotiven erreicht werden, "dass Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfrei sind, weil für sie gleichzeitig Beiträge gezahlt worden sind, nicht schlechter bewertet werden als ohne diese Beitragsleistung" (BT-Drucks 11/4124 S 171). Die Voraussetzungen des § 71 Abs 2 SGB VI liegen beim Kläger nicht vor. Denn selbst als beitragsfreie Zeiten wären die 37 Monate seiner Berufsausbildung nicht höher zu bewerten als auf der Grundlage der entrichteten Beiträge (0,3273 EP).

Beitragsfreie Zeiten sind mit dem im belegungsfähigen Gesamtzeitraum erzielten Durchschnittswert (=EP/Monat) zu bewerten, der entweder im Rahmen der Grundbewertung nach § 72 Abs 1 SGB VI auf der Grundlage sämtlicher EP oder - falls für den Versicherten günstiger - im Rahmen der Vergleichsbewertung nach § 73 SGB VI auf der Grundlage nur der vollwertigen Beiträge und daher insbesondere ohne beitragsgeminderte Zeiten zu ermitteln ist. Da für den Kläger nach 1961 keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet wurden, führen ein langer Gesamtbelegungszeitraum (§ 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1, Satz 2 SGB VI) vom Eintritt in die Versicherung im Jahre 1950 bis zum Beginn der Altersrente im Jahre 2001 und eine kurze und teilweise geringe Beitragsleistung zu einer sehr niedrigen Beitragsdichte (zu diesem Zusammenhang auch - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, Juris RdNr 16). Im Rentenbescheid geht die Beklagte von einem Gesamtbelegungszeitraum von 571 Monaten in der Grundbewertung bzw 533 Monaten in der Vergleichsbewertung aus, in denen der Kläger 4,1972 bzw 3,8455 EP erzielt hat, woraus sich Durchschnittswerte von 0,0074 bzw 0,0072 EP pro Monat ergeben. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit dieser Werte haben sich nicht ergeben; solche werden auch vom Kläger nicht vorgebracht. Selbst der höhere - für die beitragsfreien Zeiten des Klägers maßgebliche - Wert würde zu keiner Erhöhung der während der 37-monatigen Berufsausbildung insgesamt erzielten 0,3273 EP führen, denn daraus würden sich lediglich 0,2738 EP ergeben. Bei dieser Fallgestaltung kommt ein Zuschlag nach § 71 Abs 2 SGB VI von vornherein nicht in Betracht; der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, ob der Zuschlag in der hier einschlägigen, vor dem geltenden Fassung der Vorschrift außerdem dadurch ausgeschlossen ist, dass die Vergleichsbewertung einen niedrigeren Durchschnittswert als die Grundbewertung ergibt, wie dies die Beklagte annimmt.

In der Rentenauskunft von 1992 hat die Beklagte ausschließlich deshalb einen um fast 45% höheren Rentenbetrag errechnet als im angefochtenen Rentenbescheid, weil bis Ende 1996 Zeiten der Berufsausbildung höher zu bewerten waren. Nach § 70 Abs 3 Satz 1 SGB VI in der damaligen - alten - Fassung (aF) erhielten Pflichtbeitragszeiten während einer Berufsausbildung mindestens 0,075 EP pro Monat; das entspricht einem versicherten Arbeitsentgelt in Höhe von 90% des Durchschnittsentgelts aller Versicherten. Dieser Mindestwert wurde generell den ersten 48 Kalendermonaten mit Pflichtbeiträgen aufgrund einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zugewiesen, indem § 70 Abs 3 Satz 2 SGB VI aF diese Zeit als Berufsausbildung fingierte. Die Streichung des Mindestwerts für Berufsausbildungszeiten zum begründete der Gesetzgeber damit, dass die von der Solidargemeinschaft aufzubringenden Leistungen für diese Zeiten weit über die tatsächlichen Beitragsleistungen hinausgingen (BT-Drucks 13/4610 S 23). Unter diesem Aspekt steht die Neuregelung mit dem Bestreben im Einklang, das Versicherungs-, Lohn- und Beitragsprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung zu stärken (BT-Drucks 13/4610 S 18 Abschn II 2; vgl auch Dünn/Sengpiel, DRV 2001, 453). Diese Intention wurde gerade im Fall des Klägers in vollem Umfang realisiert, indem für seine Berufsausbildungszeit nur noch das Arbeitsentgelt berücksichtigt wird, das der Beitragszahlung tatsächlich zugrunde lag, und die (begrenzte) Kompensationsmöglichkeit mittels Zuschlags nach § 71 Abs 2 SGB VI nur bei Versicherten greift, die anders als der Kläger keine allzu geringen Beiträge in hoher Beitragsdichte entrichtet haben.

Eine höhere Bewertung der Ausbildungszeiten ist entgegen der Ansicht des Klägers auch mit Rücksicht auf § 256 Abs 1 SGB VI nicht geboten. In der hier anwendbaren Fassung werden danach Pflichtbeitragszeiten von Lehrlingen und sonstigen zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Personen in der Zeit vom bis je Kalendermonat mit 0,025 EP bewertet, falls trotz grundsätzlicher Versicherungspflicht eine Beitragszahlung nicht erfolgte. Die eingeschränkte Reichweite der Vorschrift ergibt sich aus der in Klammern eingeschobenen Verweisung auf § 247 Abs 2a SGB VI und dem dadurch bestätigten systematischen Zusammenhang der beiden Vorschriften sowie aus Sinn und Zweck der Regelung. Der Auslegung des Klägers, wonach der Klammerzusatz den Anwendungsbereich des § 256 Abs 1 SGB VI nicht einschränke, ist schon deshalb nicht zu folgen, weil dann die Regelung - jedenfalls nach ihrem Wortlaut - auch Zeiten erfassen würde, in denen der Versicherte eigentlich höhere EP erzielt hätte und überdies kein Grund dafür ersichtlich wäre, weshalb gerade der Zeitraum von Juni 1945 bis Juni 1965 einer besonderen rentenrechtlichen Bewertung bedürfen soll. Demgegenüber erhält § 256 Abs 1 SGB VI durch § 247 Abs 2a SGB VI einen im Lichte der historischen Gegebenheiten sinnvoll eingeschränkten Anwendungsbereich: Da die Beitragsentrichtung für Versicherte, die zur Berufsausbildung versicherungspflichtig beschäftigt waren, wegen ungeklärter Rechtslage vor dem nicht immer streng gehandhabt und überwacht worden war, drohten den betroffenen Versicherten ohne die fraglichen Vorschriften Rechtsverluste im Rentenalter (vgl BT-Drucks 12/5017 S 47 f zu Nr 6a, Nr 10). Deshalb soll § 247 Abs 2a SGB VI für die entsprechenden Beitragslücken Beitragszeiten fingieren und § 256 Abs 1 SGB VI deren Bewertung im Rahmen der Rentenberechnung sicherstellen (vgl auch BSG SozR 3-2600 § 247 Nr 1 S 4). In der bis Ende 1996 geltenden Fassung war dieser Zusammenhang dadurch verdeutlicht, dass der damals die fragliche Regelung enthaltende § 256 Abs 1 Satz 2 SGB VI nur anzuwenden war, wenn "eine Zahlung von Pflichtbeiträgen aber noch nicht erfolgte" (Art 1 Nr 13 Buchst a RÜ-ErgG vom , BGBl I 1038). Es ist ausgeschlossen, den Wegfall dieses Halbsatzes, der in § 247 Abs 2a SGB VI nahezu wortgleich enthalten ist und somit in der ursprünglichen Fassung des § 256 SGB VI lediglich wiederholt wurde, als Rechtsänderung aufzufassen.

Wegen der während der Berufsausbildung entrichteten Pflichtbeiträge sind beim Kläger die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 256 Abs 1 SGB VI nicht erfüllt. Da die Vorschrift allein geschaffen wurde, um Versicherte vor rentenrechtlichen Nachteilen aus einer früheren rechtswidrigen Praxis der Beitragserhebung zu schützen, von welcher der Kläger ausgenommen war, kommt auch eine Analogie zur fraglichen Vorschrift nicht in Betracht. Dem Gesetz ist in diesem Zusammenhang nur insoweit eine Rechtfertigung für eine fiktive Bewertung von Beitragszeiten zu entnehmen, als eine Bewertung andernfalls gar nicht möglich wäre; es fehlt somit an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke (hierzu stellvertretend: BGHZ 149, 165, 174; 170, 187 RdNr 15; BFHE 212, 236, 239 - jeweils mwN).

Folgte man dem Normverständnis des Klägers, würde überdies der Anwendungsbereich des § 256 Abs 1 SGB VI über eine nachvollziehbare Grenze hinaus ausgedehnt. Der vom Gesetz festgelegte Wert von 0,025 EP pro Monat soll nach den Gesetzesmotiven für die durchschnittliche Lehrlingsvergütung repräsentativ sein (BT-Drucks 13/4610 Seite 26 zu Nr 34), sodass im Anwendungsbereich der Vorschrift manche Versicherte mehr EP erhalten als es der "wahren", aber nicht mehr festzustellenden Vergütung entspricht und manche weniger. Auf der Grundlage der Auffassung des Klägers dürfte jedoch nur der Sachverhalt der unterdurchschnittlichen Lehrlingsvergütung unter die Norm fallen; der Umstand, dass die Lehrlingsvergütung auch höher als der fiktive Wert gewesen sein kann, würde komplett ausgeblendet. Das bestätigt die Fragwürdigkeit der vom Kläger vertretenen Rechtsansicht. In seinem Falle bleibt es infolgedessen dabei, dass nur die während der Berufsausbildung tatsächlich erzielten EP in die Rentenberechnung einfließen dürfen, wie es bei diesem Personenkreis vom Gesetzgeber auch beabsichtigt worden war (vgl BT-Drucks 13/4610 S 23 zu Nr 15). Der Ausschluss des § 256 Abs 1 SGB VI in den Fällen einer tatsächlichen Entrichtung von Pflichtbeiträgen wird schließlich durch das Urteil des 4. Senats des BSG nicht in Frage gestellt, weil für den dortigen Kläger während der Berufsausbildung keine Pflichtbeiträge geleistet worden waren (BSG SozR 4-2600 § 247 Nr 1).

Dieses Ergebnis steht mit Verfassungsrecht in Einklang.

Insbesondere ist Art 14 Abs 1 GG nicht verletzt. Das BVerfG hat die geringere rentenrechtliche Bewertung von Zeiten der Berufsausbildung im Vergleich zum vor 1997 geltenden Recht gerade auch für den Fall als verfassungsgemäß beurteilt, dass sie wie beim Kläger zu einer deutlichen Rentenminderung führt, weil erhebliche Beitragslücken die Kompensation verhindern, die bei langjährig mit durchschnittlichem Verdienst Versicherten regelmäßig zu erwarten ist (BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7). Die Neuregelung sei zumutbar, weil den Betroffenen bewusst sein müsse, "dass niedrige freiwillige Beiträge und ganz besonders Versicherungslücken grundsätzlich unabhängig von der Bewertung der ersten Berufsjahre zu einer niedrigeren gesetzlichen Rente führen und sie daher auf eine ergänzende private oder anderweitige Vorsorge verwiesen sind. Diese Vorsorge ist den Betroffenen auf Grund der ersparten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auch grundsätzlich zumutbar. Der Gesetzgeber durfte daher davon ausgehen, dass Versicherte mit hohen, selbst verantworteten Versicherungslücken regelmäßig über eine ausreichende ergänzende Altersvorsorge verfügen" (BVerfGE 117, 272, 300 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 68). Da für den Kläger seit 1961 keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet wurden, hat der Senat den Überlegungen des BVerfG zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der neuen Vorschriften nichts hinzuzufügen, soweit sie auch im Falle des Klägers im Vergleich zur Rentenauskunft von 1992 eine deutliche Absenkung der Rente bewirkt haben.

Soweit der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken geltend macht, weil ihm § 256 Abs 1 SGB VI nicht zugute kommt, vermag der Senat sich diese nicht zu eigen zu machen; er ist insbesondere von einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG nicht überzeugt. Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt; verletzt ist das Grundrecht vielmehr nur, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55; BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70; stRspr).

Der Kläger fühlt sich gegenüber jenen Versicherten benachteiligt, für die in der Zeit vom bis zum tatsächlich keine Pflichtbeiträge während ihrer beruflichen Ausbildung abgeführt wurden, denen aber über § 247 Abs 2a iVm § 256 Abs 1 SGB VI je Kalendermonat 0,025 EP zuerkannt werden.

Diese Differenzierung ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat sich entschlossen, Zeiten der Berufsausbildung ab grundsätzlich nur noch mit den tatsächlichen Werten der Beitragsleistung zu bewerten, um die Solidargemeinschaft zu entlasten (BT-Drucks 13/4610 S 23 zu Nr 15 sowie S 26 zu Nr 34) und das Versicherungs-, Lohn- und Beitragsprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung zu stärken (BT-Drucks 13/4610 S 18 Abschn II 2). Dieses Konzept zwingt im Fall der fehlenden Beitragsentrichtung entweder zur völligen Herausnahme der fraglichen Zeiten bei der Rentenberechnung, die überdies einen niedrigeren Durchschnittswert bei Grund- bzw Vergleichsbewertung zur Folge hätte, oder zur Zuordnung eines fiktiven Werts. Der Gesetzgeber hat den zweiten Weg gewählt, weil die fehlenden Beitragszahlungen zumindest zum Teil auf mangelhafter Beitragsüberwachung beruhen, deren Folgen nicht dem Versicherten allein angelastet werden sollten. Bei Versicherten ohne Beitragslücken während der Berufsausbildung vermag dieser Grund eine fiktive Bewertung von vornherein nicht zu rechtfertigen, was in den Fällen besonders deutlich wird, in denen der Versicherte mehr als die vom Gesetz vorgesehenen 0,025 EP je Kalendermonat erzielt hat. Vor dem Gleichheitssatz hat die Beschränkung des § 256 Abs 1 SGB VI auf Versicherte ohne Pflichtbeiträge daher Bestand.

Schließlich ist auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zur Vergleichsgruppe derjenigen zu erkennen, die für ihre (versicherungspflichtige) Berufsausbildung ausschließlich freiwillige Beiträge entrichtet haben und denen nach der Rechtsprechung ein Anspruch auf Erhöhung der daraus ermittelten EP um 0,025 je Kalendermonat zusteht (BSG SozR 4-2600 § 247 Nr 1). Der sachliche Grund für die Beschränkung des § 256 Abs 1 SGB VI auf Versicherte ohne Pflichtbeiträge liegt in der bereits erwähnten unzulänglichen Kontrolle des Beitragseinzugs durch die Sozialversicherungsträger. Dass der dadurch bedingte Nachteil mittels tatsächlich entrichteter freiwilliger Beiträge des Versicherten abgemildert wird, hätte dem Gesetzgeber Anlass geben können, die freiwillig Versicherten von der Beitragsfiktion ebenfalls auszuschließen; das heißt aber keineswegs, dass deren Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 256 Abs 1 SGB VI aus verfassungsrechtlichen Gründen zu dessen Ausdehnung auf die Versicherten mit niedrigen Pflichtbeiträgen zwingen würde. Selbst bei einer ähnlichen Anzahl von EP für die Zeit der Berufsausbildung und daher insoweit gleichem Versorgungsniveau durfte der Gesetzgeber danach differenzieren, ob der Versorgungsnachteil auf Nachlässigkeiten beim Beitragseinzug in den Jahren 1945 bis 1965 zurückzuführen war und somit zumindest teilweise in den Verantwortungsbereich der Versicherungsträger fiel oder ob ein derartiger Vorwurf nicht erhoben werden konnte, weil für die geringe Versorgung neben der niedrigen Lehrlingsvergütung die Entscheidung des Versicherten maßgebend war, niedrige Pflichtbeiträge nicht durch eigene Beitragsleistung aufzubessern. Sowohl den Versicherten ohne Pflichtbeiträge während der Berufsaufbildung als auch denjenigen mit niedrigen Pflichtbeiträgen wie dem Kläger stand die Möglichkeit offen, ihre Altersversorgung durch eigene Beiträge aufzustocken (vgl §§ 2, 6 des Gesetzes über die Höherversicherung in den Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten vom - BGBl I 188).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Fundstelle(n):
UAAAD-38155