BGH Urteil v. - VIII ZR 159/09

Eigenbedarfskündigung: Nichten und Neffen als Familienangehörige

Leitsatz

Leibliche Nichten und Neffen des Vermieters sind kraft ihres nahen Verwandtschaftsverhältnisses zum Vermieter Familienangehörige im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Fortführung des Senatsurteils vom , VIII ZR 276/02, NJW 2003, 2604) .

Gesetze: § 573 Abs 2 Nr 2 BGB

Instanzenzug: LG Baden-Baden Az: 2 S 9/09 Urteilvorgehend AG Baden-Baden Az: 7 C 150/08 Urteil

Tatbestand

1 Die Klägerin begehrt die Rückgabe einer von den Beklagten gemieteten Wohnung in B. sowie Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten.

2 Im Sommer 2004 zog die damals 85-jährige Klägerin aus ihrer Eigentumswohnung in B. aus und übersiedelte in die nahe gelegene Seniorenresidenz "Be.". Sie vermietete die Wohnung ab dem an die Beklagten zu einer monatlichen Miete von 1.050 €; ab Oktober 2006 mieteten die Beklagten zusätzlich eine zu der Wohnung gehörende Garage für 50 € monatlich.

3 Mit notariellem Vertrag vom übertrug die verwitwete und kinderlose Klägerin das Eigentum an der Wohnung schenkungsweise im Wege vorweggenommener Erbfolge auf ihre in W. wohnende Nichte; dabei behielt sich die Klägerin den Nießbrauch an der Wohnung vor. In § 4 des Vertrages verpflichtete sich die Nichte als Gegenleistung gegenüber der Klägerin, auf Lebenszeit deren Haushalt in der Seniorenresidenz zu versorgen und die häusliche Grundpflege der Klägerin zu übernehmen. Die Vertragschließenden vereinbarten zur Sicherung dieser Verpflichtung die Eintragung einer Reallast im Grundbuch und erklärten, dass die Nichte "beabsichtigt, in nächster Zukunft in die hier übertragene Eigentumswohnung zu ziehen, so dass es ihr räumlich möglich wird, die vorstehende Pflegeverpflichtung persönlich zu erfüllen". Der Vertrag wurde im Grundbuch vollzogen.

4 Durch Anwaltsschreiben ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ließ die Klägerin seit August 2007 mehrfach sowohl fristlose als auch ordentliche Kündigungen des mit den Beklagten bestehenden Mietverhältnisses aussprechen. Als Kündigungsgründe wurden zunächst nur verspätete Mietzahlungen geltend gemacht, später auch Eigenbedarf aufgrund der Pflegevereinbarung im Vertrag vom und schließlich noch der Höhe nach unstreitige Teilbeträge der Miete, die die Beklagten wegen behaupteter Mängel der Mietwohnung einbehalten haben.

5 Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Rückgabe der Wohnung nebst Garage verlangt und einen Zahlungsanspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.101,46 € nebst Zinsen gemäß der Gebührenrechnung ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom geltend gemacht. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und hat im Hinblick darauf, dass es die auf Eigenbedarf gestützte ordentliche Kündigung vom für gerechtfertigt gehalten hat, gemäß § 308a ZPO die Anordnung getroffen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien zu denselben Konditionen wie bisher auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch bis zum , fortgesetzt wird. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die im Urteil des Amtsgerichts getroffene Anordnung über die Fortsetzung des Mietverhältnisses ersatzlos in Wegfall gerät. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese ihr Rückgabe- und Zahlungsbegehren im Hinblick auf die ordentliche Kündigung vom wegen Eigenbedarfs und die fristlose Kündigung vom wegen Zahlungsrückständen weiterverfolgt.

Gründe

6Die Revision hat im Wesentlichen Erfolg.

I.

7Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:

8Der Klägerin stehe gegen die Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung nach § 546 BGB nicht zu. Das Mietverhältnis sei durch die auf Eigenbedarf gestützte ordentliche Kündigung vom nicht beendet worden. Die Kammer sei durch das Verbot der reformatio in peius nicht daran gehindert, die vom Amtsgericht befürwortete Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung vom zu verneinen, obwohl seitens der durch das erstinstanzliche Urteil gleichfalls beschwerten Beklagten eine (Anschluss-)Berufung hiergegen nicht eingelegt worden sei. Denn die Klägerin habe insoweit durch das erstinstanzliche Urteil keine Rechtsstellung erlangt, deren Aufrechterhaltung schutzwürdig wäre.

9Die auf Eigenbedarf gestützte Kündigung vom erweise sich als unwirksam, da die Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB weder im Bezug auf die Klägerin selbst noch hinsichtlich deren Nichte erfüllt seien. Die betagte, seit mehreren Jahren in einem Seniorenstift lebende Klägerin sei nicht darauf angewiesen, gerade durch ihre Nichte (ergänzend) gepflegt zu werden, weshalb eine Nutzung der Wohnung durch die Nichte geboten wäre. In der Seniorenresidenz "Be." werde der Klägerin die erforderliche Betreuungspflege in überdurchschnittlichem Maße zuteil. Dass diese Einrichtung in ausreichendem Maße über ausgebildetes Fachpersonal selbst für schwerstpflegebedürftige Senioren verfüge, sei gerichtsbekannt. Eine Notwendigkeit für eine "zusätzliche Pflege" bestehe eingedenk dessen ersichtlich nicht. Überdies könne die Klägerin von ihrer Nichte eine Erfüllung der vertraglich vereinbarten "Pflegeverpflichtung" ohnehin nicht fordern. Spätestens seitdem sie nach Erhebung der Räumungsklage am einen Schlaganfall erlitten habe und deshalb dauerhaft pflegebedürftig sei, ruhe diese Verpflichtung gemäß § 4 des notariellen Übergabevertrags.

10Ebenso wenig seien beachtenswerte Gründe für die gewünschte Nutzung der Wohnung durch die Nichte vorgetragen. Auf einen von der Klägerin abgeleiteten Eigenbedarf könne sich die Nichte nicht berufen. Zu dem uneingeschränkt privilegierten Personenkreis im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zähle die Nichte trotz ihrer Verwandtschaft mit der Klägerin nicht. Der Begriff des Familienangehörigen sei im Hinblick auf den Schutzzweck der Bestimmung einschränkend auszulegen. Es sei zwischen engen Familienangehörigen und denjenigen, die mit dem Vermieter nur weitläufig verwandt oder verschwägert seien, zu unterscheiden. Nur bei der ersten Gruppe genüge die bloße Tatsache der Verwandtschaft, während bezüglich der entfernten Angehörigen darüber hinaus erforderlich sei, dass der Vermieter jenen gegenüber rechtlich oder moralisch aufgrund einer besonderen persönlichen Nähe zu Unterhaltsgewährung oder sonstiger Fürsorge verpflichtet sei. Gemessen an diesen Kriterien bleibe für die Annahme eines abgeleiteten Eigenbedarfs kein Raum. Bei einer Nichte handele es sich nicht um eine enge Familienangehörige des Vermieters. Anhaltspunkte, die auf das Bestehen einer - wie auch immer gearteten - Fürsorgepflicht der Klägerin gegenüber ihrer Nichte hindeuten könnten, seien nicht ersichtlich.

11Die vom Amtsgericht gemäß § 308a ZPO, § 574a Abs. 2 BGB getroffene Anordnung über die Fortsetzung des Mietverhältnisses könne nicht aufrechterhalten werden, da die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung bereits unwirksam gewesen sei. Da sich das Räumungsbegehren als von Anfang an unbegründet erweise, könne die Klägerin von den Beklagten auch nicht die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangen.

II.

12Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

13A. Die Revision ist entgegen der Auffassung der Klägerin nur insoweit zulässig, als sich das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Kündigung wegen Eigenbedarfs vom wendet. Denn das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage der Beendigung des Mietverhältnisses durch diese ordentliche Kündigung beschränkt. Soweit die Revision das Berufungsurteil auch hinsichtlich der Entscheidung über die fristlose Kündigung vom angreift, ist das Rechtsmittel dagegen mangels Zulassung durch das Berufungsgericht als unzulässig zu verwerfen.

141. Das Berufungsgericht kann die Zulassung der Revision auf Teile des Streitgegenstandes beschränken. Die Beschränkung muss nicht im Tenor des Urteils angeordnet sein, sondern sie kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (st. Rspr.; BGHZ 153, 358, 360 f.; Senatsurteil vom - VIII ZR 164/08, WuM 2009, 733, Tz. 11; , NJW 2005, 894, unter B I 1 a; Urteil vom - VII ZR 226/03, NJW 2004, 3264, unter II 2; Urteil vom - III ZR 356/98, NJW 2000, 1794, unter II 1). Allerdings muss sich die Beschränkung eindeutig aus den Entscheidungsgründen entnehmen lassen (Senatsurteil vom - VIII ZR 91/02, WM 2003, 2139, unter II). Dies ist anzunehmen, wenn die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, bei mehreren teilbaren Streitgegenständen nur für einen von ihnen erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Anspruch zu sehen ist (BGHZ aaO, 361 f.; Senatsurteil vom , aaO). So verhält es sich hier.

15Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es für klärungsbedürftig hält, ob das Berufungsgericht aufgrund des Verbotes der reformatio in peius daran gehindert ist, abweichend von der Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts die Berechtigung einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung zu verneinen, wenn das mit einer Fortsetzungsanordnung nach § 574a Abs. 2 BGB zu unveränderten Bedingungen versehene Urteil allein von dem auf Räumung und Herausgabe der Mietsache klagenden Vermieter angefochten wurde. Damit hat es die Revision allein auf die Frage der Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund der Eigenbedarfskündigung vom beschränkt. Die Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund der späteren fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs vom und der Zahlungsanspruch wegen vorgerichtlicher Anwaltskosten stellen davon unabhängige Teile des Streitstoffs dar, die von der Zulassungsfrage nicht berührt werden.

162. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung ist auch wirksam. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen Teil des Streitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger seine Revision beschränken könnte (st. Rspr.; Senatsurteil vom , aaO, Tz. 13; aaO; , NJW 2008, 2351, Tz. 21). Letzteres trifft hier zu. Die Frage, ob das Mietverhältnis durch die Eigenbedarfskündigung vom beendet worden ist, stellt, wie ausgeführt, einen abgrenzbaren, rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffs dar, der in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von der Frage, ob die spätere fristlose Kündigung vom das Mietverhältnis beendet hat, beurteilt werden kann und auf den die Klägerin ihre Revision hätte beschränken können (vgl. Senatsurteil vom , aaO).

17B. Soweit die Revision zulässig ist, hält die Beurteilung des Berufungsgerichts der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein Anspruch der Klägerin aus § 546 Abs. 1 BGB auf Rückgabe der von den Beklagten gemieteten Wohnung kann nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden. Die Kündigung vom , mit der die Klägerin das Mietverhältnis hilfsweise wegen Eigenbedarfs zum ordentlich gekündigt hat, ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 573c Abs. 1 BGB wirksam. Auf die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, kommt es nicht an, weil das Amtsgericht die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung mit Recht bejaht hatte und das Berufungsgericht davon nicht hätte abweichen dürfen.

18Nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht die Nichte der Klägerin nicht als Familienangehörige im Sinne dieser Bestimmung angesehen und aus diesem Grund die Kündigung für nicht wirksam gehalten hat.

191. Der Senat hat entschieden, dass Geschwister des Vermieters kraft ihres nahen Verwandtschaftsverhältnisses privilegierte Familienangehörige im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind; zwischen Geschwistern besteht ein so enges Verwandtschaftsverhältnis, dass es eines zusätzlichen einschränkenden Tatbestandsmerkmals, wie etwa einer engen sozialen Bindung zum Vermieter, nicht bedarf (Urteil vom - VIII ZR 276/02, NJW 2003, 2604, Ls. und unter II 1, zu § 564b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB aF).

20Damit hat der Senat zum Ausdruck gebracht, dass für die Bestimmung des Kreises der durch § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierten Familienangehörigen bei entfernten Verwandten ein zusätzliches Kriterium heranzuziehen ist, das auf die konkrete persönliche oder soziale Bindung zwischen dem Vermieter und seinem Angehörigen im Einzelfall abstellt. Dass eine solche Einschränkung bei entfernten Verwandten aufgrund des Gesetzeszwecks - Kündigungsschutz des Mieters - geboten ist, entspricht auch der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. den Überblick bei Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 573 BGB Rdnr. 51 ff. m.w.N.; Staudinger/Rolfs, BGB (2006), § 573 Rdnr. 74 ff. m.w.N.). Je weitläufiger der Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft ist, umso enger muss die über die bloße Tatsache der Verwandtschaft oder Schwägerschaft hinausgehende persönliche oder soziale Bindung zwischen dem Vermieter und dem Angehörigen im konkreten Einzelfall sein, um eine Kündigung wegen des Wohnbedarfs eines Angehörigen zu rechtfertigen (OLG Braunschweig, WuM 1993, 731, 732; Staudinger/Rolfs, aaO, Rdnr. 79).

212. Nichten und Neffen des Vermieters gehören zwar nicht mehr zu dessen engsten Angehörigen wie Eltern, Kinder oder Geschwister, sie sind aber als Kinder der Geschwister entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts immer noch eng verwandt mit dem Vermieter und gehören nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, zu den entfernten, nur weitläufig Verwandten. Das Gesetz erlaubt die Kündigung von Mietverhältnissen wegen des Wohnbedarfs von Familienangehörigen, weil es davon ausgeht, dass innerhalb der Familie aufgrund enger Verwandtschaft ein Verhältnis persönlicher Verbundenheit und gegenseitiger Solidarität besteht, das die Privilegierung einer Kündigung zugunsten von Familienangehörigen rechtfertigt. Vom Bestehen einer solchen familiären Verbundenheit und Solidarität, die nicht im Einzelfall nachgewiesen sein muss, ist nicht nur bei Geschwistern auszugehen (Senatsurteil vom , aaO), sondern auch bei deren Kindern, das heißt den leiblichen Nichten und Neffen des Vermieters.

22Diese Wertung ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift. Denn der Gesetzgeber hat den Begriff der Familienangehörigen in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht näher bestimmt; auch aus den Gesetzesmaterialien ist für dessen Auslegung nichts zu entnehmen. Die generelle Einbeziehung von Nichten und Neffen in den Kreis der privilegierten Familienangehörigen ist aber vor dem Hintergrund anderer Regelungen der Rechtsordnung gerechtfertigt, in denen ebenfalls Familienangehörige allein aufgrund ihrer engen verwandtschaftlichen Beziehung privilegiert werden, ohne dass eine tatsächlich bestehende persönliche Verbundenheit im Einzelfall nachgewiesen werden muss. Einen Anknüpfungspunkt dafür, wie weit der Kreis der Familienangehörigen in diesem Sinn zu ziehen ist, bieten die Regelungen über das Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen (§ 383 ZPO, § 52 StPO), in denen der Kreis der privilegierten Familienangehörigen - unabhängig vom tatsächlichen Bestehen persönlicher Bindungen - konkretisiert wird. Gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO steht ein Zeugnisverweigerungsrecht - neben Verlobten, Ehegatten und Lebenspartnern (§ 383 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 2a ZPO, § 52 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 2a StPO) - auch denjenigen zu, die mit einer Partei in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind, sowie denjenigen, die in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren. Damit gehören auch Nichten und Neffen noch zu dem Personenkreis, dem allein aufgrund enger verwandtschaftlicher Beziehung zur Partei ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. In dieser Regelung kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber Nichten und Neffen ohne Weiteres noch als enge Familienangehörige ansieht. Diese gesetzgeberische Wertung ist bei der Auslegung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu berücksichtigen und rechtfertigt es, Nichten und Neffen auch hier in den Kreis der privilegierten Familienangehörigen einzubeziehen. Bei ihnen bedarf es deshalb - ebenso wie bei Geschwistern des Vermieters (Senatsurteil vom , aaO) - über die Tatsache der Verwandtschaft hinaus nicht eines zusätzlichen einschränkenden Tatbestandsmerkmals wie etwa einer tatsächlich bestehenden engen sozialen Bindung zum Vermieter. Es kommt deshalb im vorliegenden Fall nicht darauf an, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine enge persönliche Beziehung zwischen der Klägerin und ihrer Nichte als ihrer einzigen noch lebenden Verwandten tatsächlich besteht.

III.

23Da die Revision, soweit sie zulässig ist, Erfolg hat, ist das Berufungsurteil insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer tatrichterlicher Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 ZPO). Auf die Berufung der Klägerin ist das Urteil des Amtsgerichts, wie im Tenor ausgesprochen, teilweise abzuändern.

24Hinsichtlich des auf die Eigenbedarfskündigung vom gestützten Räumungsbegehrens hat die Berufung Erfolg. Die Beklagten sind zur Rückgabe der Wohnung verpflichtet, weil die ordentliche Kündigung vom , wie ausgeführt, wirksam ist. Die Kündigung hat das Mietverhältnis mit Ablauf des beendet (§ 573c Abs. 1 BGB). Für die vom Amtsgericht nach § 308a ZPO i.V.m. §§ 574 ff. BGB getroffene Anordnung über eine unbefristete, mindestens bis zum dauernde Fortsetzung des Mietverhältnisses ist kein Raum mehr. Der Senat kann den Sachverhalt zu der für eine Anordnung nach § 308a ZPO maßgeblichen Frage, ob die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 BGB), selbst würdigen, weil das Berufungsgericht hierzu - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat und weitere Feststellungen auch nicht zu erwarten sind.

25Es kann dahingestellt bleiben, ob es für die Beklagten im Anschluss an die Kündigung vom zumutbar war, die im September 2004 angemietete Wohnung bereits mit Ablauf des wieder zu verlassen. Denn inzwischen sind mehr als eineinhalb Jahre vergangenen, in denen die Beklagten in der Wohnung weiter gelebt haben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedeutet die Räumung der Wohnung für die Beklagten in Anbetracht des berechtigten Interesses der hochbetagten Klägerin, ihre Nichte in ihrer Nähe zu haben und von ihr betreut zu werden, jedenfalls keine unzumutbare Härte mehr. Gründe für eine solche Härte sind von den Beklagten weder dargelegt worden noch ersichtlich. Die Beklagten haben insbesondere nicht geltend gemacht, dass sie angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschaffen könnten (§ 574 Abs. 2 BGB). Sie haben sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am lediglich darauf berufen, es sei ihnen unzumutbar, nach so kurzer Zeit schon wieder auszuziehen, sie seien schließlich keine "Nomaden". Eine unzumutbar kurze Mietzeit liegt aber nicht mehr vor, nachdem das Mietverhältnis mittlerweile mehr als fünf Jahre bestanden hat. Auch das Amtsgericht ist bei seiner Anordnung über die Fortsetzung des Mietverhältnisses davon ausgegangen, dass sich die Interessenabwägung nach Ablauf von fünf Jahren zu Gunsten der Klägerin anders darstellen kann, als es das Amtsgericht für den Zeitpunkt seiner Entscheidung angenommen hat.

Ball                                     Dr. Frellesen                                    Dr. Hessel

                 Dr. Achilles                                     Dr. Bünger

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW 2010 S. 1290 Nr. 18
NJW 2010 S. 6 Nr. 6
NJW 2010 S. 8 Nr. 13
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2010 S. 410
PAAAD-38109