Leitsatz
Leitsatz:
Verweigert das Bundespatentgericht im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren einem Beteiligten zu Unrecht Verfahrenkostenhilfe, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG verletzt, wenn nicht auszuschließen ist, dass bei Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe eine anwaltlich vertretene Partei den Vortrag in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bereits im Beschwerdeverfahren und nicht erst im Rechtsbeschwerdeverfahren gehalten und das Bundespatentgericht deshalb eine für sie günstigere Entscheidung getroffen hätte.
Gesetze: MarkenG § 26 Abs. 1; MarkenG § 26 Abs. 3; MarkenG § 83 Abs. 3 Nr. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Instanzenzug: BPatG, 25 W (pat) 254/03 vom Veröffentlichungen: Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja
Gründe
I. Für den Markeninhaber ist seit dem die Marke Nr. 398 45 189
ATOZ
unter anderem für
Dateienverwaltung mittels Computer; Sammeln, Aktualisieren, Systematisierung und Zusammenstellen von Daten in Computerdatenbanken; Vervielfältigung von Dokumenten; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken; Textverarbeitung; Zusammenstellung von Daten in Datenbanken; Aktualisieren von Computer-Software; Computer, Vermietung von Computer-Software; Weitergabe, Sammeln, Speichern von Software, Wartung; Computerberatungsdienste; Vermietung der Zugriffszeit zu Datenbanken, Betrieb von Datenbanken u.a. Analysieren, Aktualisieren und Weitergabe; Datenverarbeitung, Erstellen von Programmen; Design von Computer-Software; Leasing von Computerzugriffszeiten zur Datenverarbeitung; Erstellen von Programmen; Vermietung von Computer-Software, Datenverarbeitungsgeräten; Wartung von Computer-Software; Nachrichtenüberbringung durch Internet
eingetragen.
Gegen die Eintragung hat die Widersprechende aus ihrer am für bestimmte EDV-Dienstleistungen (siehe unten Tz. 7) international registrierten Marke Nr. 685 856
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Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf den Widerspruch zunächst die Löschung der angegriffenen Marke beschlossen. Auf die Erinnerung des Markeninhabers hat die Markenstelle die Löschung der Marke auf einen Teil der eingetragenen Dienstleistungen beschränkt.
Dagegen hat der Markeninhaber Beschwerde eingelegt und beantragt, ihm Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen. Das Bundespatentgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren als unzulässig verworfen ( 25 W (pat) 254/03, juris). Die Beschwerde des Markeninhabers hat das Bundespatentgericht hinsichtlich sämtlicher vorstehend aufgeführter Dienstleistungen zurückgewiesen ( 25 W (pat) 254/03, juris).
Gegen diesen Beschluss richtet sich die (nicht zugelassene) Rechtsbeschwerde des Markeninhabers.
II. Das Bundespatentgericht hat zur Begründung des Beschlusses, mit dem es die Teil-Löschung der angegriffenen Marke durch das Deutsche Patent- und Markenamt zum Teil bestätigt hat, ausgeführt:
Die Widersprechende habe die rechtserhaltende Benutzung ihrer Widerspruchsmarke durch Vorlage von Unterlagen hinsichtlich folgender Dienstleistungen glaubhaft gemacht:
Services in connection with the installation of point-of-sale terminals in shops; computer maintenance services; training activities in the field of computing management of computer servers and value-added data transmission networks; programming for data processing machines.
Diese Dienstleistungen seien der Beurteilung der Verwechslungsgefahr der kollidierenden Marken i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zugrunde zu legen. Danach sei von einer Verwechslungsgefahr zwischen der Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke für die vorstehend unter I angeführten Dienstleistungen auszugehen.
III. Die Rechtsbeschwerde des Markeninhabers hat Erfolg.
1. Die Statthaftigkeit der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird.
a) Der Senat hat entschieden, dass im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO gemäß § 82 Abs. 1 MarkenG entsprechend anwendbar sind und dass die gegenteilige Beurteilung des Bundespatentgerichts den Anspruch des Markeninhabers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzen kann (vgl. , GRUR 2009, 88 Tz. 10 und 18 = WRP 2008, 1551 - ATOZ I).
b) Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs, weil dem Markeninhaber die im Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe vom Bundespatentgericht versagt worden ist und er keinen Rechtsanwalt im Beschwerdeverfahren mit seiner Vertretung beauftragen konnte. Sie hat im Einzelnen ausgeführt, was der Markeninhaber vorgetragen hätte, wenn er durch einen Rechtsanwalt im Beschwerdeverfahren vertreten gewesen wäre. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an (, GRUR 2008, 731 Tz. 8 = WRP 2008, 1110 - alphaCAM). Es ist deshalb entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeerwiderung insoweit auch nicht entscheidend, ob die Rechtsbeschwerde neuen Tatsachenvortrag enthält, den der Markeninhaber im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht hat, weil er anwaltlich nicht vertreten war. Für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde reicht es aus, dass im Einzelnen dargelegt wird, was der Markeninhaber über den Vortrag im Beschwerdeverfahren hinaus in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht vorgebracht hätte und dass dies die Entscheidung des Bundespatentgerichts zu seinen Gunsten beeinflusst hätte. Dies ist mit der Rechtsbeschwerdebegründung geschehen.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Entscheidung des Bundespatentgerichts beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Markeninhabers.
Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1712; , GRUR 2007, 628 Tz. 10 = WRP 2007, 788 - MOON).
a) Das Bundespatentgericht hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke im Zeitraum von fünf Jahren vor der Entscheidung nach §§ 26, 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG aufgrund der mit den Schriftsätzen der Widersprechenden vom und vorgelegten Unterlagen für die in Rede stehenden Dienstleistungen als glaubhaft gemacht angesehen. Es hat als überwiegend wahrscheinlich angenommen, dass die Widersprechende in den Jahren 2004 und 2005 mit verschiedenen Dienstleistungspaketen Umsätze von über 80 Mio. € erzielt hat und von dem Dienstleistungspaket "Infrastructure Solutions" mit einem Umsatzanteil von 30 Mio. € im Jahr 2006 ein Teil unter Verwendung der Widerspruchsmarke mit den in Rede stehenden Dienstleistungen erzielt worden ist. Es hat dahinstehen lassen, ob die Verwendung der Widerspruchsmarke in abweichender Form, und zwar mit dem Zusatz "Origin", den kennzeichnenden Charakter gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG verändert. Eine Änderung des kennzeichnenden Charakters im Sinne dieser Vorschrift hat das Bundespatentgericht jedenfalls für die Benutzung der Widerspruchsmarke mit den Zusätzen "Workplace Solutions" und "Infrastructure Solutions" verneint.
b) Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, aus den vom Bundespatentgericht in Bezug genommenen Unterlagen ergebe sich keine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke, was der Markeninhaber, wenn er anwaltlich vertreten gewesen wäre, im Einzelnen geltend gemacht hätte.
aa) Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke i.S. von § 26 Abs. 1 MarkenG erfordert, dass die Marke in üblicher und sinnvoller Weise für die Ware oder Dienstleistung verwendet wird, für die sie eingetragen ist (, GRUR 2005, 1047, 1049 = WRP 2005, 1527 - OTTO). Bei einer Dienstleistungsmarke erfordert die Beurteilung der Frage, ob sie rechtserhaltend benutzt worden ist, eine besondere Betrachtung, weil bei ihr anders als bei einer Warenmarke eine körperliche Verbindung zwischen der Marke und dem Produkt nicht möglich ist. Als Benutzungshandlungen i.S. des § 26 MarkenG kommen bei ihr daher grundsätzlich nur die Anbringung der Marke am Geschäftslokal sowie eine Benutzung auf Gegenständen in Betracht, die bei der Erbringung der Dienstleistung zum Einsatz gelangen, wie insbesondere auf der Berufskleidung, auf Geschäftsbriefen und -papieren, Prospekten, Preislisten, Rechnungen, Ankündigungen und Werbedrucksachen. Voraussetzung ist dabei, dass der Verkehr die konkrete Benutzung des Zeichens zumindest auch als Herkunftshinweis versteht; er muss erkennen können, dass mit der Verwendung der Bezeichnung nicht nur der Geschäftsbetrieb benannt, sondern auch eine Leistung bezeichnet wird, die aus ihm stammt. Des Weiteren muss sich die Benutzung auf eine bestimmte Dienstleistung beziehen. Dies setzt voraus, dass der Verkehr ersehen kann, auf welche konkrete Dienstleistung sich der Kennzeichengebrauch bezieht (vgl. , GRUR 2008, 616 Tz. 13 = WRP 2008, 802 - AKZENTA).
Wird die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, liegt eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 MarkenG nur vor, wenn die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Das ist dann der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, d.h. in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (, GRUR 2005, 515 = WRP 2005, 620 - FERROSIL; Urt. v. - I ZR 39/06, GRUR 2009, 766 Tz. 50 = WRP 2009, 831 - Stofffähnchen).
bb) Zur Begründung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke hat das Bundespatentgericht ausschließlich auf deren Verwendung im Jahre 2006 abgestellt und die rechtserhaltende Benutzung aus den mit den Schriftsätzen vom und vorgelegten Unterlagen hergeleitet. Im Rechtsbeschwerdeverfahren sind daher auch nur diese Feststellungen zur Beurteilung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke heranzuziehen. Anders als von der Rechtsbeschwerdeerwiderung geltend gemacht, sind die mit dem Schriftsatz vom vorgelegten Unterlagen zur Begründung einer rechtserhaltenden Benutzung nicht maßgeblich, weil sie den tatrichterlichen Feststellungen des Bundespatentgerichts nicht zugrunde liegen.
cc) Zutreffend macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass die vom Bundespatentgericht herangezogenen Unterlagen und die dazu getroffenen Feststellungen die Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung nicht tragen.
Die mit Schriftsatz vom vorgelegten Informationsbroschüren und Unterlagen zeigen die Verwendung der Widerspruchsmarke ohne Zusätze oder Aussparungen nur in den Beilagen "Atos Inside" und "Atos Report" und weiterhin in der Verwendung für die Atos Processing Services GmbH. Die Beilagen "Atos Inside" und "Atos Report" betreffen die Jahre 1999 und 2000 und geben für den Zeitraum, auf den das Bundespatentgericht abgestellt hat, nichts her. Das Bundespatentgericht hat nicht festgestellt, ob die Verwendung der Widerspruchsmarke durch die Atos Processing GmbH mit Zustimmung der Widersprechenden erfolgt ist. Die Frage kann jedoch offenbleiben. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, erlauben diese Unterlagen keine zeitliche Zuordnung und geben deshalb für eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für den in Rede stehenden Zeitraum nichts her.
Im Übrigen ist die Widerspruchsmarke in abgewandelter Form und zwar ganz überwiegend mit den Zusätzen "Worldline" oder "Origin" oder im Fließtext unter Aussparung des Fischmotivs verwandt worden. Das Bundespatentgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass diese Abwandlungen den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke nicht verändern. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist deshalb davon auszugehen, dass der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke durch diese Abwandlungen nicht i.S. von § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG unverändert bleibt.
Das Bundespatentgericht hat zwar angenommen, dass Zusätze zu der Widerspruchsmarke wie "Workplace Solutions" und "Infrastructure Solutions" ihren kennzeichnenden Charakter unverändert lassen. Werden auch ohne ausdrückliche Feststellungen des Bundespatentgerichts zu den Zusätzen, die den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke unverändert lassen, die weiteren Bestandteile "Enterprise Architecture", "Applications Management" und "Solutions" gerechnet, verbleiben gleichwohl nur wenige Verwendungsbeispiele. Diese erlauben keinen sicheren Rückschluss auf eine rechtserhaltende Benutzung im Jahr 2006.
Eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke lässt sich auch nicht den mit den Schriftsätzen vom und vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen entnehmen. In der eidesstattlichen Versicherung vom des Vorstandsmitglieds D. I. wird zwischen den einzelnen Abwandlungen der Widerspruchsmarke nicht differenziert. Im Übrigen ergibt sich aus ihr auch keine Zuordnung der beigefügten Unterlagen zum Jahr 2006.
In der eidesstattlichen Versicherung des Mitarbeiters W. S. der Atos Origin GmbH vom wird ebenfalls nicht zwischen den verschiedenen Abwandlungen der Widerspruchsmarke unterschieden. Der eidesstattlichen Versicherung lässt sich aber auch nicht mit dem für eine Glaubhaftmachung erforderlichen Grad von Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass die Widerspruchsmarke ohne Abwandlungen benutzt worden ist. Denn zur Verwendungsform verweist der Mitarbeiter S. in seiner eidesstattlichen Versicherung auf eine beigefügte Broschüre, in der die Verwendungsformen "Atos Origin", "Atos Workplace Solutions", "Atos Enterprise Architecture", "Atos Applications Management" und "Atos Infrastructure Solutions" jeweils mit und ohne Fischsymbol angeführt sind.
dd) Der Umstand, dass die Angriffe gegen eine rechtserhaltende Benutzung vom Markeninhaber nicht bereits in der Beschwerdeinstanz, sondern erst im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgebracht worden sind, beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs des Markeninhabers. Das Bundespatentgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren die Bestimmungen der Prozesskostenhilfe nicht entsprechend anwendbar sind (vgl. BGH GRUR 2009, 88 Tz. 9 ff. - ATOZ I). Es hat dem Markeninhaber daher rechtsfehlerhaft Verfahrenskostenhilfe verweigert. Wäre der Markeninhaber bereits im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertreten gewesen, ist nicht auszuschließen, dass er die im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgebrachten Einwendungen gegen eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bereits im Beschwerdeverfahren vorgebracht und das Bundespatentgericht eine für ihn günstigere Entscheidung getroffen hätte. Danach beruht der angefochtene Beschluss auf einer Versagung des rechtlichen Gehörs (vgl. , GRUR 1997, 637, 638 = WRP 1997, 762 - Top Selection) durch Ablehnung der gebotenen Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
c) Die Rechtsbeschwerde hat sich auch gegen die Annahme des Bundespatentgerichts gewandt, es liege eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den kollidierenden Marken vor und hat auch insoweit eine Verletzung des Anspruchs des Markeninhabers auf rechtliches Gehör gerügt. Ob auch diese Rüge berechtigt ist, braucht nicht entschieden zu werden, weil der Beschluss bereits aus den Gründen zu III 2 b aufzuheben ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DAAAD-35453