BFH Beschluss v. - VI B 18/09

Zweifache Zahlung zur Abwendung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nach Veruntreuung der zunächst erbrachten Zahlung durch den Rechtsanwalt der Steuerpflichtigen keine außergewöhnliche Belastung

Leitsatz

Muss ein Steuerpflichtiger die Zahlung zur Abwendung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens zweifach erbringen, weil die zunächst von ihm erbrachte Zahlung durch seinen Rechtsanwalt veruntreut worden ist, stellt die zweifache Zahlung keine außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG dar.
Die wirtschaftliche Handlungsfreiheit ist weder Tatbestandsmerkmal noch eine durch die Rechtsprechung aus den geschriebenen Tatbestandsmerkmalen gewonnene grundsätzliche Kategorie im Tatbestand der außergewöhnlichen Belastungen des § 33 EStG.

Gesetze: EStG § 33 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehrten im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung im Ergebnis erfolglos, eine zweifache Zahlung in Höhe von 82.477 € zur Abwendung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Die Kläger mussten die Zahlung zweifach erbringen, weil ihr Rechtsanwalt die zunächst von ihnen erbrachte Zahlung veruntreut hatte.

Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte die Zahlung nicht als außergewöhnliche Belastung. Denn die zur Abwendung des Verbraucherinsolvenzverfahrens erbrachten Zahlungen gingen sämtlich auf rechtsgeschäftlich begründete Forderungen zurück. Bei solchen Entstehensgründen scheide eine Zwangsläufigkeit i.S. des § 33 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) jedoch aus. Denn insoweit liege weder eine rechtliche noch sittliche Verpflichtung noch eine tatsächliche Zwangslage vor. Die Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens beruhe auf der freiwilligen Annahme des staatlich vorgesehenen Entschuldungsprogramms durch den Schuldner. Das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, führe beim Geschädigten nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung. Bei Vermögensdelikten sei überdies zweifelhaft, ob es eine bewusste und gewollte Vermögensverwendung sei. Jedenfalls müsse aber bei einem solchen Vermögensschaden auf den Verursachungszusammenhang abgestellt werden. Wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen, das der Schädigungshandlung vorausgehe, auf einem freien Willensentschluss beruhe, scheide eine spätere Berücksichtigung des Schadens nach § 33 EStG aus. Schließlich habe der zweimaligen Bezahlung auch ein realer Gegenwert gegenübergestanden, nämlich die Befreiung von Gläubigerforderungen in einer Gesamthöhe von 514.167 DM.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde und machen als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) geltend. Grundsätzlich bedeutsam sei die Rechtsfrage, ob die wirtschaftliche Handlungsfreiheit zu den existenziell notwendigen materiellen und immateriellen Gütern gehören könne, so dass die zur Wiederherstellung dieser Freiheit getätigten Aufwendungen außergewöhnliche Belastungen sein könnten, wenn sie verlorener Aufwand seien. Das Schadensereignis sei aus Sicht der Kläger ein Akt höherer Gewalt, das vom FG nur durch den Gegenwert als nicht außergewöhnlich beurteilt worden sei. Auch wenn Rechtsprechung und Literatur überwiegend davon ausgingen, dass Betrugsverluste nicht als außergewöhnliche Belastungen anzusehen seien, biete der Streitfall die Möglichkeit, zu straftatbedingten Vermögensverlusten zu entscheiden.

II. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde den Begründungs- und Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt. Denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund liegt nicht vor.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2008, 45, m.w.N.).

Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob die wirtschaftliche Handlungsfreiheit zu den existenziell notwendigen materiellen und immateriellen Gütern gehören könne, ist keine solche von grundsätzlicher Bedeutung. Denn ungeachtet dessen, dass die Kläger schon nicht darlegen, inwieweit sich ihr konkreter Streitfall der Veruntreuung von Geldern von dem eines Vermögensschadens durch ein betrügerisches Verhalten des Vertragspartners unterscheidet, bei dem die ständige Rechtsprechung des BFH eine Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit der entstandenen Aufwendungen verneint (, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774), und auch nichts weiter zur Klärungsbedürftigkeit dieser Frage ausführen, ist die Frage jedenfalls auch nicht klärungsfähig, weil sie für die Entscheidung des Streitfalls nicht entscheidungserheblich ist. Denn die Kläger werfen lediglich eine vom konkreten Streitfall losgelöste abstrakt generelle Frage auf. Die wirtschaftliche Handlungsfreiheit ist indessen weder Tatbestandsmerkmal noch eine durch die Rechtsprechung aus den geschriebenen Tatbestandsmerkmalen gewonnene grundsätzliche Kategorie im Tatbestand der außergewöhnlichen Belastungen des § 33 EStG, von deren Vorliegen oder Nichtvorliegen die Entscheidung des Streitfalls abhängen könnte. Eine solche grundsätzliche Entscheidungserheblichkeit wird von den Klägern auch nicht dargetan. Da es indessen nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, abstrakte Rechtsfragen zu klären, die für die Entscheidung des Streitfalls nicht entscheidungserheblich sind, können solche die Revisionszulassung nicht begründen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2010 S. 206 Nr. 2
AAAAD-34790