Leitsatz
[1] Die Rückdatierung eines Altersteilzeitarbeitsvertrags (rückwirkender Vertragsschluss) kann durch die Fiktion des § 894 Satz 1 ZPO nicht herbeigeführt werden. Dazu müsste der Schuldner verurteilt werden, ein in der Vergangenheit erklärtes Angebot des Gläubigers in der Weise anzunehmen, dass der Änderungsvertrag als in der Vergangenheit abgeschlossen gilt. Die Willenserklärung des Schuldners gilt nach § 894 Satz 1 ZPO aber erst mit Rechtskraft des Urteils und nicht zu einem früheren Zeitpunkt als abgegeben.
Gesetze: ZPO § 253 Abs. 2; ZPO § 894; BGB § 130 Abs. 1; BGB § 145; BGB 146; BGB 147; BGB 148; BGB 311a; SGB VI § 235 Abs. 2 S. 3 Nr. 1; Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ vom i.d.F. vom ) § 2
Instanzenzug: LAG Baden-Württemberg, 4 Sa 9/08 vom ArbG Reutlingen, 2 Ca 117/07 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.
Die 1953 geborene Klägerin ist zuletzt seit 1987 an der Universität T des beklagten Landes im Institut für Erziehungswissenschaft, Abteilung Sozialpädagogik tätig. Ihr Beschäftigungsumfang beträgt 19,75 Stunden wöchentlich. Nach den Arbeitsverträgen vom und vom bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom einschließlich der Sonderregelungen und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträge. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde mit Wirkung vom in den TV-L übergeleitet.
Mit Schreiben vom beantragte die Klägerin den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags. In dem Schreiben heißt es:
"...
zur Wahrung des Vertrauensschutzes bei der Planung der Altersteilzeit stelle ich hiermit fristgerecht den Antrag auf Genehmigung der Altersteilzeit, die ich zum antreten möchte.
Ich wurde am 1953 geboren und werde mit 62 Jahren über 35 Versicherungsjahre vorweisen können, so dass ich nach 6 Jahren Altersteilzeit anschließend in Rente gehen kann.
Zur Wahrung der Frist () möchte ich Sie bitten, mir den Eingang meines Antrags unverzüglich schriftlich zu bestätigen und mir mitzuteilen, wann über meinen Antrag entschieden werden wird.
..."
Mit Schreiben vom lehnte die Zentrale Verwaltung der Universität des beklagten Landes den kurzfristigen Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags ab. Sie begründete dies damit, sie sei an die Vorgabe des Finanzministeriums gebunden, Vereinbarungen nur zu schließen, wenn zwischen der Vereinbarung und dem Beginn der Altersteilzeitarbeit höchstens ein Jahr liege. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom .
Hintergrund des von der Klägerin begehrten Abschlusses eines Altersteilzeitarbeitsvertrags noch vor dem war, dass das Bundeskabinett am den Entwurf eines RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes beschlossen hatte. Hiernach sollte die Regelaltersgrenze von dem Jahr 2012 an beginnend mit dem Jahrgang 1947 bis zum Jahr 2029 schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden. Ausgenommen von der Anhebung der Altersgrenze sollten die Angehörigen der Geburtsjahrgänge 1954 und älter werden, wenn sie bereits vor dem verbindlich Altersteilzeit vereinbart hatten.
§ 2 des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom in der Fassung vom (TV ATZ) lautet wie folgt:
"§ 2
Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit
(1) Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die
a) das 55. Lebensjahr vollendet haben,
b) eine Beschäftigungszeit (z. B. § 19 BAT/BAT-O) von fünf Jahren vollendet haben und
c) innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben,
die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein.
(2) Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren; von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden.
(3) Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.
(4) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll mindestens für die Dauer von zwei Jahren vereinbart werden. Es muss vor dem beginnen."
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, § 2 TV ATZ könne nicht entnommen werden, dass die Voraussetzungen für die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bereits bei Abschluss vorliegen müssten. Entscheidend sei nur der Beginn.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, ihr Angebot auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach dem Blockmodell für die Zeit vom bis nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im öffentlichen Dienst vom auf der Basis einer 19,75-Stunden-Woche mit Wirkung zum anzunehmen;
hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach dem Blockmodell für die Zeit vom bis nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im öffentlichen Dienst vom auf der Basis einer 19,75-Stunden-Woche mit Wirkung zum unter der Voraussetzung anzunehmen, dass in den letzten fünf Jahren vor dem zwischen den Parteien ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iSd. Dritten Buches Sozialgesetzbuch bestanden hat.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, das nach § 2 Abs. 1 TV ATZ gebotene Ermessen könne erst ausgeübt werden, nachdem die haushalts- und personalwirtschaftlichen Rahmendaten festgestellt worden seien. Drei Jahre vor dem begehrten Beginn des Altersteilzeitarbeitsvertrags seien diese Rahmendaten noch nicht bekannt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Sie verfolgt mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision ihre Anträge weiter.
Gründe
A. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
I. Die Klage ist zulässig.
Der Klageantrag genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das beklagte Land soll das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach dem Blockmodell für die Zeit vom bis nach den Regelungen des TV ATZ annehmen. Mit Rechtskraft der obsiegenden Entscheidung gilt die begehrte Willenserklärung gemäß § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben.
II. Die Klage ist im Haupt- und im Hilfsantrag unbegründet.
1. Der auf Annahme des Vertragsangebots der Klägerin gerichtete Antrag wäre nicht schon deshalb unbegründet, wenn die Klägerin allein die rückwirkende Änderung des Arbeitsverhältnisses ab verlangen würde. Seit Inkrafttreten des § 311a BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der ein Vertragsangebot angenommen werden soll, das rückwirkend auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt (Vertragsänderung mit Rückwirkung) gerichtet ist (vgl. für die st. Rspr. Senat - 9 AZR 893/07 - Rn. 21 f., AP TzBfG § 8 Nr. 27 = EzA TzBfG § 8 Nr. 23).
2. Die Klägerin begehrt vorliegend jedoch nicht eine Vertragsänderung mit Rückwirkung, sondern eine Rückdatierung des Änderungsvertrags (rückwirkender Vertragsschluss). Darauf hat sie keinen Anspruch.
a) Wie sich aus dem Wortlaut des Antrags und seiner Begründung ergibt, soll das beklagte Land verurteilt werden, eine Annahmeerklärung so abzugeben, dass der Änderungsvertrag als am abgeschlossen gilt; denn das beklagte Land soll das Angebot der Klägerin auf Vertragsänderung "mit Wirkung zum" annehmen. Damit soll ein Vertrag mit Abschlussdatum vom das Arbeitsverhältnis der Parteien für die Zukunft, nämlich ab dem , in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis ändern. Dieses Verständnis des Antrags wird durch dessen Begründung bestätigt. Die Klägerin ist der Auffassung, dass nur ein bis zum bereits abgeschlossener Altersteilzeitarbeitsvertrag die Vertrauensschutzregelung des § 235 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI erfülle. Danach wird die Regelaltersgrenze von Versicherten, die vor dem geboren sind, nicht angehoben, wenn sie vor dem Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG vereinbart haben.
b) Das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags konnte vom beklagten Land nach Ablauf des nicht mehr angenommen werden.
aa) Der Antrag auf Abschluss eines Vertrags ist ab seinem Zugang bei dem Angebotsempfänger (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB) grundsätzlich bindend (§ 145 BGB). Die Dauer der Bindung richtet sich nach §§ 147 bis 149 BGB. Nach § 148 BGB kann der Anbietende eine Frist für die Annahme bestimmen. Damit ist ihm die Möglichkeit eröffnet, die Dauer der Wirksamkeit des Angebots unabhängig von § 147 BGB auszugestalten. Ob und in welchem Zeitraum ein Angebot angenommen werden kann, ist hiernach vom Willen des Anbietenden abhängig ( - zu II 2 a der Gründe, DB 2004, 2156). Die Fristbestimmung iSv. § 148 BGB kann dabei nicht nur durch die Festlegung eines konkreten Termins oder durch die Festsetzung eines Zeitraums erfolgen, sondern sich auch aus den Umständen ergeben. Ausreichend ist jede zeitliche Konkretisierung, durch die der Antragende zu erkennen gibt, er wolle von der gesetzlichen Regelung des § 147 BGB nach oben oder unten abweichen ( - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 132 = EzA KSchG § 2 Nr. 65).
bb) Die Klägerin bestimmte in ihrem Schreiben vom eine Annahmefrist iSv. § 148 BGB. Sie wollte nach dem Wortlaut ihres Schreibens den Vertrauensschutz "bei der Planung der Altersteilzeit" wahren. Im Hinblick auf die im Gesetzgebungsverfahren bereits erkennbar gewordene Neufassung des § 235 SGB VI sollte damit ein Altersteilzeitarbeitsvertrag noch im Jahre 2006 abgeschlossen werden. Die Klägerin forderte das beklagte Land deshalb auf, ihr zur Wahrung der Frist () mitzuteilen, wann über ihren Antrag entschieden werde. Die Annahme des beklagten Landes konnte deshalb gemäß § 148 BGB nur innerhalb dieser Frist erfolgen. Danach erlosch das Angebot der Klägerin und konnte nicht mehr angenommen werden, § 146 BGB (vgl. - zu 2 b der Gründe, NJW-RR 1994, 1163). Eine verspätete Annahme gilt nach § 150 Abs. 1 BGB lediglich als neuer Antrag.
c) Die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge lässt sich auch nicht aus § 894 Satz 1 ZPO herleiten.
aa) Nach dieser Vorschrift gilt die beantragte Erklärung mit der Rechtskraft als abgegeben. Diese Fiktion bewirkt nur die Rechtsfolgen, die eine im selben Zeitpunkt abgegebene wirksame Willenserklärung des Schuldners mit demselben Inhalt hätte (Stein/Jonas/Brehm ZPO 22. Aufl. § 894 Rn. 21; Musielak/Lackmann ZPO 7. Aufl. § 894 Rn. 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 67. Aufl. § 894 Rn. 12). Eine durch gerichtliche Fiktion abgegebene Annahmeerklärung des beklagten Landes auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags kann nur dann zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Parteien als Altersteilzeitarbeitsverhältnis führen, wenn ein entsprechendes Angebot der Klägerin noch wirksam wäre. Dieses war aber spätestens mit Ablauf des Jahres 2006 erloschen, § 146 BGB iVm. § 148 BGB.
bb) Zudem wirkt die durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung im Jahre 2009 herbeigeführte Fiktion des § 894 Satz 1 ZPO nicht auf das Jahr 2006 zurück. Die Willenserklärung des Schuldners gilt erst mit der Rechtskraft des Urteils und damit nicht zu einem früheren Zeitpunkt als abgegeben. Wird der Schuldner zur Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung antragsgemäß verurteilt, gilt nach § 894 ZPO die Willenserklärung erst dann als abgegeben, wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist. Die gesetzliche Fiktion des § 894 ZPO bedeutet, dass (erst) mit der Rechtskraft alle diejenigen Rechtsfolgen eintreten sollen, die eine im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft abgegebene Erklärung haben würde ( - zu B I 6 b der Gründe, BAGE 28, 233). § 894 ZPO wirkt nicht stärker und nicht schwächer als die rechtsgeschäftliche Erklärung (Stein/Jonas/Brehm § 894 Rn. 24). Mit Rechtskraft einer klagestattgebenden Entscheidung des Revisionsgerichts könnte deshalb ein Änderungsvertrag, ein erneutes Angebot der Klägerin unterstellt, frühestens im Jahre 2009 zustande kommen und nicht wie beantragt am .
B. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2010 S. 175 Nr. 3
NJW 2010 S. 461 Nr. 7
SAAAD-33987
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein