BFH Beschluss v. - I B 64-66, 78, 79, 87/09

Keine selbständige Beschwerdefähigkeit von Unterlassungen und Prozesshandlungen

Gesetze: FGO § 51, FGO § 60, FGO § 76 Abs. 2, FGO § 91a, FGO § 94, FGO § 128

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wendet sich mit ihren Beschwerden gegen diverse Verfahrenshandlungen und Unterlassungen des 9. Senats des Finanzgerichts (FG) Münster in dem unter dem Aktenzeichen 9 K 5026/05 K,U,F geführten Klageverfahren.

Die schriftsätzliche Beschwerde vom (I B 64/09) richtet sich dagegen,

- dass das FG dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) gemäß § 91a der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestattet hat, dass sich dessen Prozessvertreter während der mündlichen Verhandlung vom in den Räumlichkeiten des FA aufgehalten hat und der Termin per Videokonferenz abgehalten worden ist.

- dass der 9. Senat des FG den Antrag der Klägerin abgelehnt hat, ihrem Prozessbevollmächtigten den schriftlichen Bericht des Berichterstatters über den Akteninhalt zur Verfügung zu stellen.

- dass verschiedene schriftsätzliche Ablehnungsgesuche gegen die Richter des 9. Senats des FG nach der Bekundung des Gerichts erst im Rahmen des Urteils beschieden werden sollen.

Mit den im Termin vom zu Protokoll erklärten Beschwerden (I B 65/09) greift die Klägerin an, dass der Senat des FG die mündliche Verhandlung fortgesetzt hat, dass er die Entscheidung über weitere Ablehnungsanträge zunächst zurückgestellt hat, dass er Anträge auf Sitzungsunterbrechung abgelehnt hat und dass der Senat das auf Datenträger diktierte Sitzungsprotokoll nicht bereits vor Hinzufügung der Unterschriften für endgültig erklärt habe.

Die im Termin vom zu Protokoll erklärten Beschwerden (I B 78/09) richten sich dagegen,

- dass die Senatsvorsitzende die Begründung eines weiteren Ablehnungsgesuchs nicht wörtlich, sondern sinngemäß protokolliert hat, weil nach ihrer Auffassung die Begründung mit derjenigen zahlreicher anderer Ablehnungsgesuche identisch war, die umfangreich protokolliert worden seien,

- dass die Senatsvorsitzende die Anwesenheit eines Terminvertreters des FA im Sitzungssaal gestattet hat,

- dass der Senat die Frage nach dem Beruf des Ehegatten einer der ehrenamtlichen Richterinnen zurückgewiesen hat, nachdem diese erklärt hatte, der Ehegatte sei nicht in der Finanzverwaltung tätig.

Mit der schriftsätzlichen Beschwerde vom „wegen Untätigkeit” (I B 66/09) bemängelt die Klägerin erneut, dass schriftsätzliche Ablehnungsgesuche gegen die Senatsmitglieder vom April/Mai 2009 nicht bearbeitet worden seien.

Die im Termin vom erhobenen Beschwerden (I B 79/09) betreffen wiederum die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung trotz weiterer Ablehnungsgesuche und die Ablehnung eines Antrags auf Beiladung zweier Gesellschafter der Klägerin.

Schließlich wendet sich die Klägerin mit der im Termin vom zu Protokoll erklärten Beschwerde (I B 87/09) dagegen, dass das FG nicht sofort durch Beschluss über einen Antrag der Klägerin auf Erteilung eines richterlichen Hinweises entschieden hat.

Das FG hält die Beschwerden für unzulässig und hat deshalb keine Abhilfeentscheidungen getroffen.

II. Die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 121 Satz 1 FGO zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen Beschwerden sind sämtlich nicht statthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen.

1. Gemäß § 128 Abs. 2 FGO können u.a. prozessleitende Verfügungen, Beschlüsse gemäß § 91a FGO und Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Gegen derart nicht gesondert beschwerdefähige Entscheidungen des FG richten sich die Rügen der Klägerin.

a) So wendet sich die Klägerin mehrfach dagegen, dass das FG dem Verfahren ohne Entscheidung über die wiederholten Ablehnungsgesuche gegen die Richter seinen Fortgang gegeben hat. Da aber gemäß § 128 Abs. 2 FGO Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde anfechtbar sind (vgl. dazu Senatsbeschluss vom I B 169, 170/08, juris), sind —erst recht— Entscheidungen des FG nicht gesondert beschwerdefähig, die den Zeitpunkt betreffen, zu dem über die Ablehnung entschieden wird. Gleiches gilt für die Entscheidung über die Frage, ob die Voraussetzungen eines offenbar unzulässigen Ablehnungsgesuchs vorliegen, über das nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. , BFH/NV 2009, 801, m.w.N.) ohne Notwendigkeit einer Verfahrensunterbrechung und eines gesonderten Beschlusses im verfahrensabschließenden Urteil befunden werden kann.

b) Die Entscheidung des FG, die mündliche Verhandlung vom gemäß § 91a Abs. 1 FGO per Videokonferenz durchzuführen, ist nach der ausdrücklichen Anordnung in § 128 Abs. 2 FGO nicht beschwerdefähig.

c) Der Inhalt des Sitzungsprotokolls und die Art und Weise der Protokollierung sind keine beschwerdefähigen Entscheidungen (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 113/93, BFH/NV 1994, 388; vom XI B 67/97, BFH/NV 1998, 596).

d) Bei den übrigen gerügten Handlungen bzw. Unterlassungen (Ablehnung der Beiladung von Gesellschaftern, von Anträgen auf Sitzungsunterbrechung, von weiter gehenden Fragen in Bezug auf die berufliche Tätigkeit des Ehegatten der ehrenamtlichen Richterin, Ablehnung der Erteilung eines richterlichen Hinweises, Verweigerung der Übergabe des vom Berichterstatter erstellten Sachberichts an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Ablehnung des Antrags, den für das FA auftretenden Personen die Teilnahme am Termin zu untersagen) handelt es sich entweder um gemäß § 128 Abs. 1 FGO nicht beschwerdefähige prozessleitende Maßnahmen oder die diesbezüglichen Rechtsmittel sind deshalb nicht statthaft, weil die FGO eine „Untätigkeitsbeschwerde” nicht kennt (vgl. Senatsbeschluss vom I B 93/07, BFH/NV 2008, 387, m.w.N.).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

3. Das Akteneinsichtsgesuch der Klägerin wird abgelehnt. In einem unzulässigen Rechtsmittelverfahren besteht kein Anspruch auf Akteneinsicht; denn die Akten sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt geeignet, der Rechtsschutzgewährung des Antragstellers zu dienen (Senatsbeschluss vom I S 29/08, juris; , BFH/NV 2007, 1804).

Fundstelle(n):
VAAAD-32803