BAG Urteil v. - 3 AZR 157/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: TVG § 1; TV über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom in der Fassung des Änderungs-TV vom § 5 Abs. 4; TV über die Übergangsversorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Fluglotsen vom in der Fassung des Änderungs-TV vom § 8 Abs. 2; Vergütungstarifvertrag Nr. 2 vom § 3; Zulagentarifvertrag Nr. 2 vom § 2; Zulagentarifvertrag Nr. 2 vom § 3; TV über die Versorgung für die bei der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom in der Fassung des 2. Änderungs-TV vom § 4

Instanzenzug: LAG Frankfurt/Main, 6 Sa 2221/06 vom ArbG Offenbach, 5 Ca 298/06 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, in welchem Umfang die Anhebung der tariflichen Vergütungen ab Mai 2006 zu einer Erhöhung des dem Kläger zustehenden Übergangsgeldes geführt hat.

Die Beklagte nimmt die operativen Flugsicherungsaufgaben für den gesamten deutschen Luftraum wahr und unterhält an allen bedeutenden deutschen Verkehrsflughäfen Niederlassungen. Sie ist durch Privatisierung aus der Bundesanstalt für Flugsicherung hervorgegangen. Im Jahre 1993 schloss sie mehrere Haustarifverträge.

Der am geborene Kläger wurde seit dem als Fluglotse in deren Flugverkehrskontrollzentrale in D beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 20. August/ vereinbarten die Parteien:

"§ 1 Vertragsgegenstand

...

2. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Manteltarifvertrag (MTV) für die bei der D GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom und die den MTV ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung.

...

§ 2 Beschäftigungszeit

Die Beschäftigungszeit betrug am :

20 Jahre/6 Monate.

§ 3 Vergütung

1. Herr W ist in Vergütungsgruppe 9 Stufe 3 des Eingruppierungstarifvertrages vom eingruppiert.

Die monatliche Bruttovergütung beträgt:

Grundvergütung:|7.285,00 DM

operative Zulage:|4.230,00 DM

...|

Gesamtvergütung:|11.515,00 DM

..."

Der Kläger schied nach Vollendung des 50. Lebensjahres mit Ablauf des wegen des Verlustes der Flugsicherungstauglichkeit bei der Beklagten aus. Seither erhält er von ihr das tarifvertraglich geregelte Übergangsgeld. Nach § 3 Abs. 3 des Tarifvertrages über den Ausgleich des dauernden Verlustes der Tauglichkeit gemäß FlSichPersAusV für die bei der Beklagten beschäftigten Fluglotsen (Loss of Licence-TV Lotsen) waren die Bestimmungen des Tarifvertrages über die Übergangsversorgung für die bei der D GmbH beschäftigten Fluglotsen (Ü-VersTV-Lotsen) vom in der Fassung des Änderungs-TV vom entsprechend anzuwenden. Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise:

"§ 5

Höhe des Übergangsgeldes

(1) Das monatliche Übergangsgeld beträgt bei einer Inanspruchnahme ab Vollendung des 55. Lebensjahres 70 % der im Vormonat zu beanspruchenden Vergütung nach § 18 Absatz 1 Satz 2 MTV einschließlich eines auf einen Monat entfallenden Anteils des Urlaubsgeldes und des Weihnachtsgeldes. ...

...

(4) Das Übergangsgeld erhöht sich jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Tarifgehälter angepaßt werden, um den entsprechenden Prozentsatz.

§ 6

Zahlungsmodalitäten

(1) Das Übergangsgeld wird in 12 gleichen Raten monatlich nachträglich (bargeldlos) gezahlt.

...

§ 8

Betriebliche Altersversorgung

(1) Zeiten, in denen Übergangsgeld bezogen wird, gelten als anrechenbare Beschäftigungszeiten i.S.d. Versorgungstarifvertrages der D.

(2) Als ruhegeldfähiges Jahreseinkommen wird das vor Beginn des Übergangsgeldes bezogene ruhegeldfähige Jahreseinkommen unterlegt, jeweils dynamisiert mit den Tariferhöhungen bis zum Ende des Bezugszeitraumes. In die Dynamisierung wird eine Veränderung von nicht monatlich wiederkehrenden Vergütungsbestandteilen rechnerisch so miteinbezogen, wie an ihrer Stelle eine höhere lineare Anpassung stattgefunden hätte. ..."

§ 18 des Manteltarifvertrages enthält folgende Bestimmungen:

"Vergütung

(1) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Anspruch auf Vergütung nach dem Vergütungstarifvertrag (VTV) und ggf. nach dem Zulagentarifvertrag (ZTV). Die Vergütung besteht aus dem Grundbetrag nach dem VTV und ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem ZTV. Daneben kann ein Anspruch auf variable und andere nicht in Monatsbeträgen festgelegte Zulagen nach dem ZTV bestehen. ..."

Der Tarifvertrag über die Versorgung für die bei der D GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (VersTV) vom in der Fassung des 2. Änderungs-TV vom regelt das "ruhegeldfähige Einkommen" wie folgt:

"§ 4

Ruhegeldfähiges Einkommen

(1) Das ruhegeldfähige Jahreseinkommen wird aus der Vergütung im letzten Beschäftigungsjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles bestehend aus den Grundbeträgen nach dem VTV und ggf. festen monatlichen Zulagen nach dem ZTV zuzügl. des jeweiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes ermittelt. Soweit kein volles Beschäftigungsjahr vorliegt, wird die tatsächliche Vergütung auf ein Jahr einschließlich des anteiligen Urlaubs- und Weihnachtsgeldes hochgerechnet. Zeitzuschläge und variable Vergütungsbestandteile bleiben unberücksichtigt.

..."

Die Tarifverhandlungen führten im Jahre 2005 zu einem Schiedsverfahren. Das Schiedsgericht sprach am folgende Empfehlungen aus:

"1. Der VTV, VTV-A und ZTV werden für eine Laufzeit von 12 Monaten, vom bis , abgeschlossen.

2. Mit Wirkung vom werden die Grundvergütungen der Gehaltstabelle (§ 2 VTV) um 2,5 % angehoben. ...

3. Alle Mitarbeiter/innen, Übergangsversorgte und Bezieher von Vorruhestandsgeld erhalten mit der Gehaltszahlung für den Monat Dezember 2005 eine Einmalzahlung für das Jahr 2005 in Höhe von 16,37 % (kaufmännisch gerundet auf den nächsten vollen Euro) des Betrages, der im Monat November 2005 als tarifliche Grundvergütung (§ 2 VTV) gezahlt wurde.

4. Mit Wirkung vom werden die operativen Zulagen nach § 2 ZTV um 7 % angehoben. ... Über § 3 Abs. 3 ZTV gilt diese Regelung auch für die Funktionszulage.

5. Mitarbeiter/innen mit Anspruch auf eine operative Zulage nach § 2 ZTV oder eine Funktionszulage nach § 3 ZTV erhalten mit der Gehaltszahlung für den Monat Dezember 2005 eine Einmalzahlung für das Jahr 2005 in Höhe von 45,85 % (kaufmännisch gerundet auf den nächsten vollen Euro) des Betrages, der im Monat November 2005 als operative Zulage (§ 2 ZTV) oder als Funktionszulage (§ 3 ZTV) gezahlt wurde.

..."

Die Empfehlungen wurden im Vergütungstarifvertrag Nr. 2 (VTV) vom wie folgt umgesetzt:

"§ 2

Einmalzahlungen

(1) Alle am schon und am noch in einem Vollzeitarbeitsverhältnis gegen Entgelt Beschäftigten erhalten mit den Bezügen für den Monat Dezember 2005 eine Einmalzahlung für das Jahr 2005. Deren Höhe beträgt 16,37 v.H. des Betrages, der im Monat November 2005 jeweils als tarifliche Grundvergütung nach § 2 VTV gezahlt wurde. ... Die Einmalzahlung bleibt bei der Berechnung der Vergütung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 MTV sowie bei der Berechnung des Weihnachtsgeldes unberücksichtigt.

...

(3) Mitarbeiter/innen mit Anspruch auf eine operative Zulage nach § 2 ZTV oder eine Funktionszulage nach § 3 ZTV erhalten mit der Gehaltszahlung für den Monat Dezember 2005 eine Einmalzahlung für das Jahr 2005 in Höhe von 45,85 v.H. (kaufmännisch gerundet auf den vollen Euro) des Betrages, der im Monat November 2005 als operative Zulage (§ 2 ZTV) oder als Funktionszulage (§ 3 ZTV) gezahlt wurde.

...

(5) Mitarbeiter/innen, die am Anspruch auf Übergangsgeld oder Vorruhestandsgeld haben, erhalten mit dem Übergangsgeld bzw. dem Vorruhestandsgeld für den Monat Dezember 2005 eine Einmalzahlung. Deren Höhe beträgt 16,37 v.H. des Betrages, der im Monat November 2005 jeweils als Übergangsgeld oder Vorruhestandsgeld gezahlt wurde.

§ 3

Gehaltstabelle

(1) Die Mitarbeiter/innen erhalten eine monatliche Grundvergütung nach Maßgabe der folgenden Tabelle:

...

(2) Die Mitarbeiter/innen erhalten ab dem eine monatliche Grundvergütung nach Maßgabe der folgenden Tabelle:

...

§ 7

Urlaubs- und Weihnachtsgeld

(1) Die Mitarbeiter/innen erhalten jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils 55 v. H. der Vergütung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 MTV. Die Berechnung des Urlaubsgeldes richtet sich nach der für Monat Mai, des Weihnachtsgeldes nach der für Monat November des betreffenden Jahres zugrunde liegenden Vergütung.

(2) Mitarbeiter/innen, deren Beschäftigungsverhältnis im Laufe eines Kalenderjahres beginnt oder endet, erhalten Urlaubs- und Weihnachtsgeld anteilig nach der Zahl der vollen Beschäftigungsmonate im Kalenderjahr."

Im Zulagentarifvertrag Nr. 2 (ZTV) vom heißt es:

"§ 1

Geltungsbereich

...

(2) Durch diesen Tarifvertrag wird die Art und Höhe der festen Zulagen (§§ 2 - 5) und der variablen Zulagen (§§ 6 - 8) geregelt.

§ 2

Operative Zulagen

(1) Die Mitarbeiter/innen in den operativen Diensten, die für die Ausübung ihrer Tätigkeit eine Erlaubnis und Berechtigungen nach den Bestimmungen der FISichPersAusV benötigen, erhalten eine operative Zulage. Sie wird für Lotsen/innen, Flugdatenbearbeiter/innen, Flugberater/innen und Flugfernmelder/innen jeweils in unterschiedlicher Höhe je nach Kategorie der Niederlassung bzw. des Betriebsteiles gezahlt, in der sie überwiegend tätig sind.

..."

In den "Informationen der Tarifkommission der Gewerkschaft der Flugsicherung e.V." Nr. 14/2005 vom wurde den GdF-Mitgliedern Folgendes mitgeteilt:

"...

Das nackte Zahlenwerk lautet:

- 2,5% lineare Anpassung der Grundvergütung (§ 2 VTV) für alle Mitarbeiter/innen (bei Übergangsversorgten die Gesamtvergütung) ab dem

- 16,37% Einmalzahlung für alle Mitarbeiter/innen für das Jahr 2005 auf Basis der Grundvergütung gemäß § 2 VTV (bei Übergangsversorgten die Gesamtvergütung) auf Basis des Monats November 2005

- ...

- 7% lineare Anpassung der Zulagen nach § 2/§ 3 ZTV ab dem (FDB, FB, PK, Supervisor, Techniker, Ingenieure, Lotsen)

- 45,85% Einmalzahlung für das Jahr 2005 auf Basis der im Monat November gezahlten Zulagen nach § 2/§ 3 ZTV (FDB, FB, PK, Supervisor, Techniker, Ingenieure, Lotsen)

..."

Die Beklagte erhöhte das Übergangsgeld des Klägers ab Mai 2006 um 2,5 %, ohne zwischen Grundvergütung und operativer Zulage zu unterscheiden. Würde beim Übergangsgeld nach den Ausgangsgrößen unterschieden, der auf der Grundvergütung beruhende Teil des Übergangsgeldes um 2,5 % und der auf der operativen Zulage beruhende Teil des Übergangsgeldes um 7 % erhöht, so fiele das Übergangsgeld des Klägers monatlich um 94,61 Euro höher aus. Diesen Betrag hat der Kläger für die Zeit ab Mai 2006 zusätzlich zu dem von der Beklagten festgesetzten Übergangsgeld von 5.874,38 Euro verlangt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Übergangsgeld sei nach § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen prozentual im selben Umfang anzuheben wie die zugrunde liegenden Vergütungsbestandteile. Den Fluglotsen habe im Rahmen der Übergangsversorgung die bei einer Weiterbeschäftigung zu verzeichnende Vergütungsentwicklung zugute kommen sollen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm zu dem tariflichen Übergangsgeld für die Monate Mai und Juni 2006 jeweils einen Anpassungsbetrag in Höhe von 94,61 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Ersten des Folgemonats zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm rückwirkend ab dem Monat Mai 2006 bis auf Weiteres ein Übergangsgeld in Höhe von 5.968,99 Euro brutto monatlich zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Übergangsgeld sei als Einheit anzusehen. Es erhöhe sich prozentual ebenso wie die Grundvergütung.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte das Übergangsgeld des Klägers ausreichend erhöht. Eine weitere Anhebung kann er nach § 3 Abs. 3 Loss of Licence-TV Lotsen iVm. § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen nicht verlangen. Die Auslegung eines Tarifvertrages durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht in vollem Umfang nachgeprüft werden (vgl. - zu II 1 a der Gründe, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 185; - 6 AZR 422/05 - zu II 1 der Gründe). Das Berufungsurteil hält dieser Überprüfung nicht Stand.

I. Der normative Teil eines Tarifvertrages ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen (st. Rspr. BAG, vgl. ua. - 4 AZR 172/04 - zu I 2 a der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 33 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 12; - 3 AZR 893/06 - Rn. 31). Zunächst ist vom Wortlaut auszugehen. Er darf allerdings nicht überbetont werden. Der maßgebliche Sinn einer Vorschrift ist zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Vor allem darf der Wortlaut einer einzelnen Bestimmung nicht losgelöst von den übrigen Vorschriften des Tarifvertrages betrachtet werden. Da die tarifunterworfenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch den tariflichen Gesamtzusammenhang erkennen können, ist er stets mit zu berücksichtigen, und zwar auch bei der Frage, ob die verwendete Formulierung "eindeutig" ist (vgl. - zu I 1 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 10 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 29). Die Tarifsystematik liefert wichtige Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien und den Regelungszweck (vgl. ua. - zu II 1 c bb (1) der Gründe, BAGE 114, 33; - 3 AZR 893/06 - Rn. 31). Falls der Wortlaut, die Systematik und der sich daraus ergebende Regelungszweck des Tarifvertrages keine zweifelsfreien Auslegungsergebnisse zulassen, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien berücksichtigen (st. Rspr. seit - BAGE 46, 308, 314). Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. ua. - aaO.; - 6 AZR 422/05 - zu II 1 der Gründe).

II. Das Landesarbeitsgericht ist gemessen an diesen Kriterien nicht zum richtigen Ergebnis gelangt.

1. Maßstab für die Erhöhung des Übergangsgeldes ist nach § 3 Abs. 3 Loss of Licence-TV Lotsen iVm. § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen die jeweilige Anpassung der "Tarifgehälter". Entscheidend ist demnach, wie dieser Begriff zu verstehen ist. In erster Linie kommt es auf die tarifvertragliche Terminologie an. Soweit eine tarifvertragliche Begriffsbildung fehlt, ist auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückzugreifen.

a) Den Ausdruck "Tarifgehälter" verwenden die Tarifvertragsparteien ansonsten in ihren Regelungen nicht. § 3 des Vergütungstarifvertrages (VTV) spricht jedoch in der Überschrift von "Gehaltstabelle", wobei in diesem Paragrafen die Grundvergütung geregelt wird. Dies deutet darauf hin, dass nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien die in § 3 VTV tabellarisch erfassten Vergütungen das tarifliche "Gehalt" sind. Bei den operativen Zulagen handelt es sich um zusätzliche, vom Gehalt zu unterscheidende Vergütungsbestandteile. Deren Voraussetzungen und Höhe ergeben sich aus einem gesonderten Tarifvertrag, dem Zulagentarifvertrag.

b) Die Unterscheidung zwischen Gehalt und Zulage steht auch im Einklang mit dem allgemeinen Sprachgebrauch (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichworte: "Gehalt" und "Zulage"; Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. Stichworte: "Gehalt" und "Zulage"). Unter Zulagen (Zuschlägen) sind gesondert ausgewiesene und berechnete Vergütungsbestandteile zu verstehen, die an besondere Voraussetzungen geknüpft sind und zusätzlich zum Gehalt gezahlt werden. Sie dienen unterschiedlichen Sonderzwecken, insbesondere der Entlohnung für besondere Leistungen, Erschwernisse oder Belastungen (vgl. ua. MünchArbR/Kreßel 2. Aufl. § 67 Rn. 187).

Der Begriff Vergütungen wird in der Regel als Oberbegriff verwendet. Gehalt und Zulagen sind Vergütungsbestandteile. Davon sind die Tarifvertragsparteien im vorliegenden Fall nicht abgewichen.

c) Die Verwendung des Plurals - Tarifgehälter - liefert kein brauchbares Gegenargument. Diese Formulierung ist sprachlich sinnvoll, und zwar unabhängig davon, ob die Erhöhungsvorschrift des § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen weit oder eng auszulegen ist; denn es gibt verschiedene Grundvergütungen, und zudem kommt es im Laufe einer Übergangsversorgung in der Regel zu mehreren Erhöhungen.

2. Die vom Landesarbeitsgericht vertretene weite Auslegung des Begriffs "Tarifgehälter" ist mit der Systematik der maßgeblichen Tarifverträge nicht zu vereinbaren.

a) Die (Erst)Berechnung des Übergangsgeldes bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist in § 5 Abs. 1 Ü-VersTV-Lotsen geregelt. Nach dieser Vorschrift ist die "im Vormonat zu beanspruchende Vergütung nach § 18 Absatz 1 Satz 2 MTV einschließlich eines auf einen Monat entfallenden Anteils des Urlaubsgeldes und des Weihnachtsgeldes" zugrunde zu legen.

Wie das auf mehreren Vergütungsbestandteilen beruhende Übergangsgeld zu erhöhen ist, ergibt sich aus der Bestimmung des § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen. Diese enthält eine eigenständige Dynamisierungsregelung. Danach wird "das Übergangsgeld" erhöht, und zwar um "den" der Tarifgehaltsentwicklung "entsprechenden Prozentsatz". Daraus ist zu entnehmen, dass nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien das Übergangsgeld bei der Erhöhung als Einheit betrachtet werden soll und nicht in einzelne, getrennt zu betrachtende Vergütungsbestandteile aufzuspalten ist.

Anpassungsmaßstab ist ausschließlich die spätere Entwicklung der Tarifgehälter. Als Vergleichsgröße dienen nicht alle der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde gelegten Vergütungsbestandteile.

b) § 8 Abs. 2 Ü-VersTV-Lotsen spricht nicht für den Kläger, sondern eher gegen ihn. Diese Vorschrift regelt die Erstberechnung der betrieblichen Altersversorgung nach Bezug von Übergangsgeld und schreibt eine zu dieser Erstberechnung parallel verlaufende Dynamisierung der Versorgungsanwartschaft vor. Dieser Regelungsmechanismus ist nicht auf das laufende Übergangsgeld übertragen worden. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien im selben Tarifvertrag eine abweichende Dynamisierungsregelung für das laufende Übergangsgeld getroffen.

3. Mit Sinn und Zweck des § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen lässt sich nicht stichhaltig begründen, dass die einzelnen für das Übergangsgeld maßgeblichen Vergütungsbestandteile zu erhöhen sind.

a) Die genaue Zielsetzung ist dem jeweiligen Regelungswerk zu entnehmen. Inwieweit die Bezieher eines Übergangsgeldes an der späteren Entwicklung der tariflichen Vergütungen teilnehmen sollen, hängt von der Ausgestaltung der konkreten Dynamisierungsregelung ab. Anpassungsregelungen verhindern insbesondere eine Entwertung der Übergangsversorgung. Es kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Bezieher eines Übergangsgeldes an allen Entwicklungen der Tarifvergütungen teilnehmen sollen.

Dabei sind auch die Besonderheiten der operativen Zulagen zu berücksichtigen. Sie entlohnen besondere Beanspruchungen. Wenn diese Zulagen stärker angehoben werden als die Grundvergütungen, dient dies nicht dem Ausgleich von Kaufkraftverlusten, sondern beruht auf einer zusätzlichen Wertung, die das Verhältnis von Zulagen und Grundvergütung verändert. Derartige spätere Wertentscheidungen können verschiedenste Ursachen haben. Ob das Übergangsgeld nur der allgemeinen Gehaltsentwicklung folgen soll oder auch die bisherigen Vergütungsstrukturen fortgeschrieben und späteren Veränderungen angepasst werden sollen, haben die Tarifvertragsparteien in ihrer Dynamisierungsregelung zu entscheiden. Im vorliegenden Fall wurde - im Gegensatz zur (Erst)Berechnung nach § 5 Abs. 1 Ü-VersTV-Lotsen - bei der Erhöhung des Übergangsgeldes in § 5 Abs. 4 Ü-VersTV-Lotsen lediglich auf die "Tarifgehälter" abgestellt.

b) Die Anpassung des gesamten Übergangsgeldes durch einen einheitlichen Prozentsatz entsprechend der allgemeinen Entwicklung der "Tarifgehälter" führt zu einer angemessenen Verwaltungsvereinfachung und verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Aufteilung des Übergangsgeldes in die Berechnungsbestandteile Grundvergütung und operative Zulage hat das Landesarbeitsgericht zutreffend als "aufwendig" bezeichnet.

4. Da der Begriff der "Tarifgehälter" weder die operativen Zulagen nach § 2 ZTV noch die Funktionszulagen nach § 3 ZTV erfasst, ist die Regelung des § 2 VTV vom folgerichtig. Nach § 2 Abs. 1 VTV erhielten die aktiven Arbeitnehmer eine Einmalzahlung für das Jahr 2005 in Höhe von 16,37 % des Betrages, der im Monat November 2005 als tarifliche Grundvergütung gezahlt wurde. Nach § 2 Abs. 3 VTV erhielten die aktiven Arbeitnehmer mit Anspruch auf eine operative Zulage (§ 2 ZTV) oder auf eine Funktionszulage (§ 3 ZTV) mit der Gehaltszahlung für Dezember 2005 eine Einmalzahlung für das Jahr 2005 in Höhe von 45,85 % des Betrages, der im Monat November 2005 als operative Zulage oder als Funktionszulage gezahlt wurde. Dagegen erhielten alle Bezieher von Übergangsgeld für den Monat Dezember 2005 eine Einmalzahlung in Höhe von 16,37 % des Betrages, der im Monat November 2005 als Übergangsgeld gezahlt wurde. Nach der vom Landesarbeitsgericht vertretenen Auslegung der Dynamisierungsregelung für das Übergangsgeld wären die Tarifvertragsparteien bei der Einmalzahlung vom bisherigen Übergangsgeldsystem abgewichen. Dies wäre zwar rechtlich möglich gewesen. Bei einer derartigen Abweichung hätte aber eine Begründung nahe gelegen. Dies ist im Informationsschreiben der Tarifkommission der Gewerkschaft der Flugsicherung e.V. vom nicht geschehen. Im Gegenteil: Den Mitgliedern der GdF wurde mitgeteilt, dass die 2,5 %ige lineare Anpassung der Grundvergütung "bei Übergangsversorgten die Gesamtvergütung" betreffe. Es wäre mehr als erstaunlich, wenn es sich dabei - wie der Kläger behauptet - um ein redaktionelles Versehen gehandelt hätte. Zum einen war es für die Übergangsversorgten eine Kernaussage. Zum anderen befasste sich der nächste Absatz des Informationsschreibens mit der Einmalzahlung von 16,37 %. Auch insoweit wurde darauf hingewiesen, dass diese Zahlung bei Übergangsversorgten die Gesamtvergütung betreffe. Da das Informationsschreiben vom mit Wortlaut und Systematik der maßgeblichen Tarifvorschriften übereinstimmt, bedurfte es keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung.

Fundstelle(n):
EAAAD-31507

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein