Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 177 Abs. 1; StGB § 177 Abs. 2; StGB § 177 Abs. 4
Instanzenzug: LG Bochum, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 bis 3; Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 a StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Während die Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erfolglos bleiben, hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der eine sog. Drückerkolonne leitete und dessen Lebensgefährtin ein Kind erwartete, mit der Geschädigten, die in seiner Kolonne arbeitete, eine sexuelle Beziehung aufgenommen, in deren Verlauf er sie zunehmend körperlich misshandelte. Auch am Abend der Tat, von einer Kneipentour vorzeitig zurückgekehrt, versetzte er der Geschädigten in der gemeinsamen Wohnung zunächst mehrere heftige Schläge in den Bauch und auf den Kopf, die als "Bestrafung" dafür gedacht waren, dass sie seine schwangere Lebensgefährtin seiner Anweisung zuwider während seiner Abwesenheit alleingelassen hatte. Nachdem sich die Geschädigte, die bereits aus der Nase blutete, weil sie durch die Schläge eine Nasenbeinfraktur erlitten hatte, mit Erlaubnis des Angeklagten zu Bett begeben hatte, folgte er ihr kurze Zeit später, legte sich neben sie und forderte sie auf sich auszuziehen. Als die Nebenklägerin dies unmissverständlich ablehnte, griff ihr der Angeklagte mit der rechten Hand an den Hals und würgte sie. Daraufhin zog sich die Geschädigte aus Angst vor dem Angeklagten aus und führte nach seiner Anweisung mit ihm Oralverkehr und weitere sexuelle Handlungen bis zum Samenerguss aus. Im Anschluss daran drohte der Angeklagte der Geschädigten, er werde sie "arm machen"; sie müsse den Bus, für den sie unterschrieben habe, bezahlen. Die Nebenklägerin forderte ihn daraufhin auf zu verschwinden und erklärte, sie werde ihn ins Gefängnis bringen. Der Angeklagte kniete sich daraufhin über sie, hielt sie fest und schlug ihr mit der Faust heftig auf Kopf und Nase.
2.
Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen (besonders) schwerer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 a StGB nicht.
a)
Die Urteilsgründe belegen zwar das Vorliegen des Qualifikationsmerkmals der schweren körperlichen Misshandlung im Sinne des § 177 Abs. 4 Nr. 2 a StGB. Ausreichend dafür ist eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des Opfers; heftige, mit erheblichen Schmerzen verbundene Schläge, wie hier auf die bereits gebrochene Nase der Nebenklägerin, genügen (BGH NJW 2000, 3655). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts sind dem angefochtenen Urteil jedoch keine ausreichenden Feststellungen dafür zu entnehmen, dass die schwere körperliche Misshandlung der Geschädigten "bei der Tat" erfolgt ist.
Dass der Angeklagte die sexuellen Handlungen mit den Faustschlägen erzwungen oder sie als Mittel dieser Handlungen selbst eingesetzt hat, ist nach den Urteilsfeststellungen auszuschließen. Zwar erfasst die Qualifikation, wie die Formulierung "bei" belegt, darüber hinaus auch solche Gewalttätigkeiten, die nicht final auf die Möglichkeit der sexuellen Handlung gerichtet sind (vgl. MünchKommStGB/Renzikowski, § 177 Rn. 84). Ob insoweit, wie der Generalbundesanwalt unter Berufung auf Stimmen im Schrifttum meint (LK/Laufhütte, StGB 11. Aufl. § 176 Rn. 24; Lenckner/Perron/Eisele in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 177 Rn. 27; § 176 Rn. 14; a. A. Renzikowski aaO), ein zeitlichräumlicher Zusammenhang zwischen einer vollendeten Vergewaltigung und einer nachfolgenden schweren Misshandlung - etwa wenn der Täter sein Opfer nach den sexuellen Handlungen durch Schläge zum Schweigen bringen will - für die Annahme des Merkmals "bei der Tat" ausreicht, bedarf hier keiner Entscheidung; für den insoweit gleich lautenden § 250 Abs. 2 Nr. 3 a StGB hat der Bundesgerichtshof dies im Hinblick auf den systematischen Zusammenhang mit § 252 StGB jüngst verneint (BGH JR 2009, 297, 298 m. Anm. Mitsch; vgl. auch BGHSt 51, 276; Renzikowski aaO). Jedenfalls reicht im Hinblick auf die deutlich angehobene Strafrahmenuntergrenze für einen solchen Zusammenhang das bloße Übergehen zur schweren körperlichen Misshandlung nur bei Gelegenheit einer bereits vollendeten Tat nicht aus (BGH JR 2009, 297, 298). Eine Anwendung des Qualifikationstatbestandes des § 177 Abs. 4 Nr. 2 a StGB kommt namentlich dann nicht in Betracht, wenn die schwere Misshandlung nur das Mittel einer auf einem neuen Tatentschluss beruhenden Bedrohung war (so vgl. schon BGH NStZ-RR 2007, 12, 13). So liegt der Fall hier.
b)
Nach den Feststellungen erfolgte die Drohung des Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin, er werde sie "arm machen", nach Abschluss der sexuellen Handlungen und bezog sich erkennbar darauf, dass der Angeklagte und die Mitglieder der Drückerkolonne seit einiger Zeit mit einem gemieteten Pkw unterwegs waren, für den die Zahlung des Mietzinses noch ausstand. Das Verhalten des Angeklagten war ersichtlich darauf gerichtet, der Geschädigten bei dieser Gelegenheit zu verdeutlichen, dass sie den Geldbetrag zu zahlen habe und beruhte daher auf einem neuen Tatentschluss. Vor diesem Hintergrund fügt sich auch die nachfolgende Misshandlung der Nebenklägerin durch Faustschläge auf Kopf und gebrochene Nase in das vom Landgericht - losgelöst von der abgeurteilten Tat - festgestellte Bild einer allgemein von Gewalt seitens des Angeklagten geprägten Beziehung. So misshandelte der Angeklagte die Geschädigte schon im Sommer 2008, als sie die Kolonne verlassen wollte. Einige Zeit später kam es anlässlich eines Gaststättenbesuchs zu einem weiteren Übergriff des Angeklagten, als er die Geschädigte gemeinschaftlich mit einem anderen Mitglied der Drückerkolonne würgte, ihr ins Gesicht sowie ihren Kopf auf die Erde schlug.
c)
Die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kann ebenfalls keinen Bestand haben. Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug. Der insoweit anlässlich der schweren Vergewaltigung verwirklichte Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 223 StGB tritt hier jedoch nicht hinter § 177 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Nr. 1 StGB zurück (BGH bei Miebach NStZ 1995, 224).
3.
Der Schuldspruch war danach wie aus der Beschlussformel ersichtlich zu ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte anders als geschehen hätte verteidigen können. Danach ist über die Höhe der Strafen unter Beachtung von § 358 Abs. 2 StPO neu zu befinden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAD-29583
1Nachschlagewerk: nein