Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StGB § 64
Instanzenzug: LG Lübeck, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Maßregelausspruch kann nicht bestehen bleiben. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt:
"Das Landgericht hat die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB mit der Begründung abgelehnt, dass nach den Ausführungen der Sachverständigen bei dem Angeklagten zwar eine erhebliche Alkoholgefährdung vorliege, aber keine Abhängigkeitserkrankung und 'damit' kein Hang bestehe. Diese Begründung lässt befürchten, dass die Strafkammer die gesetzlichen Voraussetzungen des § 64 StGB verkannt hat.
Ein 'Hang' im Sinne von § 64 StGB ist nicht nur - wovon das Landgericht angesichts der Gleichsetzung von Abhängigkeitserkrankung und Hang offensichtlich ausgegangen ist -, im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit zu bejahen. Vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine physische Abhängigkeit bestehen muss (; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; Fischer, StGB 56. Aufl. § 64 Rdn. 9 m. w. N.).
Die Feststellungen des Urteils legen nahe, dass bei dem Angeklagten ein Hang zum übermäßigen Alkoholkonsum besteht. So trennte sich die Freundin des Angeklagten im Monat vor Tatbegehung unter anderem aufgrund seines 'maßlosen Alkoholkonsums' von ihm. Zu dieser Zeit habe er bis zu 20 Flaschen Bier täglich sowie Cannabis zu sich genommen. Hinsichtlich früherer Straftaten gab der Angeklagte an, dass diese 'unter anderem auf seinen Alkoholkonsum zurück zu führen' seien. Zu den genauen Trinkmengen des Angeklagten vor der Tatbegehung hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen. Nach seinen eigenen Angaben nahm er vor der Tatbegehung erhebliche Alkoholmengen zu sich. Unter Hinweis auf diesen erheblichen Alkoholkonsum hat das Landgericht der Einlassung des Angeklagten, er habe nach Tatbegehung keinen weiteren Alkohol mehr konsumiert, keinen Glauben geschenkt, da der Angeklagte selbst während der Tatbegehung Alkohol konsumierte und zudem angab, in Stresssituationen zu erhöhtem Alkoholkonsum zu neigen. Angesichts dieser Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht aufgrund der rechtsfehlerhaften Gleichsetzung von Abhängigkeitserkrankung und 'Hang' im Sinne des § 64 StGB die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt unterlassen hat. Da der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen vor und während der Tat Alkohol konsumierte, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte die Tat beging. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist (BGH NStZ-RR 1997, 231; BGH NStZ 2000, 25).
Da somit eine Anordnung nach § 64 StGB in Betracht kommt, ja wohl sogar nahe liegt, kann auch die Anordnung der Sicherungsverwahrung keinen Bestand haben.
Zwar liegen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB - wie die Kammer rechtsfehlerfrei festgestellt hat - vor. ... Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB kommt eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung jedoch dann nicht in Betracht, wenn der Zweck der Maßregel durch die (mildere) Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erreicht werden kann (; Beschl. vom -3 StR 355/07, StV 2008, 300 f.).
Ob die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB vorliegen und ob diese Maßregel allein die hangbedingte Gefährlichkeit des Angeklagten ausschließen kann, wird das neue Tatgericht unter Heranziehung eines - gegebenenfalls anderen - Sachverständigen (§ 246 a StPO) zu entscheiden haben."
Dem stimmt der Senat zu.
Fundstelle(n):
DAAAD-29576
1Nachschlagewerk: nein