BFH Beschluss v. - V B 131/08

Anscheinsbeweis bei der privaten Mitbenutzung eines betrieblichen Pkw

Gesetze: UStG § 3 Abs. 12, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2

Instanzenzug: , 5 K 930/06 U

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde im Jahr 2000 in der Rechtsform der GmbH gegründet. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war A. A ist alleinstehend und kinderlos. Die Geschäftsräume der Klägerin befinden sich im Haus der Eltern des A, in dem A auch wohnt. Der Geschäftsführervertrag enthält in § 9 folgende Regelung: „Der Geschäftsführer erhält seitens der Firma einen Personenkraftwagen der Marke Volvo oder Mercedes Benz zur dienstlichen Nutzung zur Verfügung gestellt.” Weitere Regelungen zur Kraftfahrzeugnutzung enthält der Vertrag nicht.

Im September 2002 erwarb die Klägerin einen PKW Mercedes Benz, der ausschließlich von A genutzt wurde. Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt. A unterhielt in seinem Privatvermögen einen VW-Transporter und ein Motorrad.

Die Klägerin gab in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2002 und 2003 keinen privaten Nutzungsanteil für die Überlassung des firmeneigenen Fahrzeugs an A an.

Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung ging der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) davon aus, dass die Privatnutzung des Mercedes Benz durch den Geschäftsführer der Klägerin als tauschähnlicher Umsatz gemäß § 3 Abs. 12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) der Umsatzsteuer unterliege. Die Bemessungsgrundlage ermittelte das FA nach der sog. 1 v.H.-Methode und änderte die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre entsprechend.

Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) davon ausging, dass die 1 v.H.-Methode kein geeigneter Maßstab zur Ermittlung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage sei. Das FG schätzte die Bemessungsgrundlage auf der Grundlage der Kosten und setzte die Umsatzsteuer entsprechend herab. Das FG ging davon aus, dass das FA grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für steuererhöhende Tatsachen trage. Es bestehe aber nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Anscheinsbeweis, dass ein Dienstwagen auch privat genutzt werde. Um diesen Anscheinsbeweis zu entkräften, bedürfe es nicht des vollen Gegenbeweises. Es genüge, dass ein Sachverhalt dargelegt werde, der die ernste Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergebe. Die Klägerin habe vorliegend aber keinen Sachverhalt dargelegt, der es ernsthaft als möglich erscheinen lasse, dass ihr Geschäftsführer den ihm zur Nutzung überlassenen Wagen nicht auch für Privatfahrten verwendet habe. Die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen reiche hierfür nicht aus. Der Geschäftsführervertrag enthalte jedenfalls kein ausdrückliches Privatnutzungsverbot. Selbst wenn ein derartiges Verbot vereinbart worden sein sollte, sei es jedenfalls nicht überwacht worden. Auch das Vorhandensein weiterer Fahrzeuge im Privatvermögen des Geschäftsführers könne den Anscheinsbeweis nicht entkräften.

Nach Ansicht der Klägerin kommt der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu, ob der Anscheinsbeweis, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung ein PKW auch für private Fahrten verwendet werde, dadurch erschüttert werden könne, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer am Unternehmenssitz in unmittelbarer Nähe zu den Geschäftsräumen der GmbH wohne und dem FA vor Anschaffung des PKW angezeigt habe, er werde einen unternehmenszugehörigen PKW ausschließlich betrieblich nutzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH könne der Anscheinsbeweis dadurch entkräftet oder erschüttert werden, dass ein Sachverhalt dargelegt werde, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergebe. Die richtige Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises stelle keine reine Beweiswürdigungsregel dar, sondern sei eine revisible Rechtsfrage.

Die Klägerin macht darüber hinaus Divergenz geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO), weil das FG seinem Urteil bei gleichem Sachverhalt in derselben Rechtsfrage eine andere Auffassung als das ) zu Grunde gelegt habe. Das FG Hamburg lasse es zur Erschütterung des Anscheinsbeweises ausreichen, wenn der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer in geringer Entfernung zu den Geschäftsräumen der GmbH wohne.

Schließlich sei die Revision auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung notwendig, da ein gravierender Rechtsanwendungsfehler vorliege.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch macht sie eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO) erforderlich.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFH/NV 2008, 45, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben; die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen sind geklärt.

a) Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine auch private Nutzung eines Dienstwagens. Dieser Anscheinsbeweis kann durch den Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu bedarf es allerdings nicht des Beweises des Gegenteils. Es genügt vielmehr, dass ein Sachverhalt dargelegt wird, der die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehensablaufs ergibt (, nicht veröffentlicht —n.v.—; , BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; vom VI R 94/04, BFH/NV 2007, 1302; vom VI R 85/04, BFHE 221, 11, BStBl II 2008, 887). Der Anscheinsbeweis privater Mitbenutzung wird aber nicht durch die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, der betriebliche PKW werde nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten würden ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt, entkräftet (ständige Rechtsprechung, , BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; , BFH/NV 2005, 1300). Auch die arbeitsvertragliche Untersagung ändert an dieser Beurteilung nichts, wenn —wie hier— das Verbot weder vom Arbeitgeber überwacht noch Fahrtenbücher geführt werden (, BFH/NV 2004, 488).

b) Klarheit besteht auch darüber, dass die Entscheidung der Frage, ob im Einzelfall der Beweis des ersten Anscheins als entkräftet angesehen werden kann, dem Bereich der Beweiswürdigung und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist (BFH-Beschlüsse vom VI B 107/08, n.v.; in BFH/NV 2005, 1300).

c) Die Vorinstanz ist in der angefochtenen Entscheidung von den vorgenannten Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Hat, wie im Streitfall, ein Arbeitnehmer von der Möglichkeit, ein Fahrtenbuch zu führen, nicht Gebrauch gemacht, kommt die Besteuerung des Nutzungsvorteils nur dann nicht zur Anwendung, wenn er den ihm überlassenen Dienstwagen ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt hat. Diese Frage ist aufgrund einer umfassenden Beweiswürdigung zu beantworten.

Das FG ist im Streitfall zu dem Schluss gekommen, dass die Klägerin den Dienstwagen auch für private Zwecke eingesetzt hat. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Klägerin werfen keine neuen, fallübergreifenden Rechtsfragen auf, die im allgemeinen Interesse der Klärung durch den BFH bedürfen. Es ist auch in keiner Weise erkennbar, weshalb die Tatsache, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer am Unternehmenssitz in unmittelbarer Nähe zu den Geschäftsräumen der GmbH wohnt, eine private Nutzung zu privaten Fahrten ausschließen soll. Das mag Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entbehrlich erscheinen lassen, auf die Möglichkeit sonstiger Privatfahrten hat die Lage der Wohnung keinen Einfluss.

Im Kern richtet sich das Vorbringen der Klägerin gegen die vom FG vorgenommene Beweiswürdigung und betrifft damit einen die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigenden vermeintlichen materiell-rechtlichen Mangel der Vorentscheidung.

2. Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert. Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als u.a. der BFH oder ein anderes FG. Das abweichende Gericht muss seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (BFH-Beschlüsse vom VI B 70/07, BFH/NV 2008, 216; vom VI B 154/05, BFH/NV 2007, 51).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Das angefochtene Urteil weicht von der Entscheidung des (n.v.) in einer Rechtsfrage ersichtlich nicht ab. Auch insoweit wendet sich die Klägerin ausschließlich gegen die tatrichterliche Überzeugungsbildung.

3. Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch zuzulassen, wenn das Urteil des FG willkürlich oder unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. BFH-Beschlüsse vom VI B 107/08, n.v.; vom XI B 18/06, BFH/NV 2007, 475; vom X B 218/06, BFH/NV 2007, 2273). Ein solcher gravierender Rechtsfehler von erheblichem Gewicht, der deshalb geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen, ist im Streitfall nicht erkennbar. Die nach Ansicht der Klägerin fehlerhafte Beweiswürdigung durch das FG erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls nicht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1678 Nr. 10
JAAAD-27714