BGH Beschluss v. - IX ZB 72/09

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 233; ZPO § 234 Abs. 2; ZPO § 575; InsO § 295; InsO § 296 Abs. 1; GKG § 21 Abs. 1

Instanzenzug: LG Braunschweig, 6 T 778/08 vom AG Braunschweig, 274 IK 111/02 vom

Gründe

I.

In dem am eröffneten Insolvenzverfahren, in dem das Insolvenzgericht dem Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt hat, haben die weiteren Beteiligten zu 1 beantragt, dem Schuldner wegen des Verzichts oder der Nichtgeltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs die Restschuldbefreiung zu versagen. Diesen Antrag hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten hat das Beschwerdegericht die Entscheidung des Insolvenzgerichts geändert und dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Schuldners.

II.

Dem Schuldner ist gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 234 Abs. 2, § 575 ZPO).

Die Fristversäumung ist unverschuldet (§ 233 ZPO), weil der Schuldner wegen seiner Mittellosigkeit außerstande war, durch die Beauftragung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts die Einlegungs- und Begründungsfrist einzuhalten. Die Wiedereinsetzungsfrist ist gewahrt: Nach Zustellung des Senatsbeschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe am hat der Schuldner die Rechtsbeschwerde innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO am eingelegt und begründet.

III.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 296 Abs. 3 Satz 1 InsO statthafte und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) ist begründet.

1.

Die Entscheidung des Landgerichts unterliegt bereits von Amts wegen (BGHZ 154, 99, 101 ; , ZInsO 2009, 732, 733 Rn. 4 ff; Urt. v. - V ZR 149/06, NJW-RR 2007, 1412 Rn. 11; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 7 Rn. 86, 89, 96; Münch-Komm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl. § 547 Rn. 3) der Aufhebung, weil den Mindestanforderungen an die Begründung nicht genügt ist (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO).

a)

Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit gesetzmäßigen Gründen versehen. Fehlen tatsächliche Feststellungen, so ist das Rechtsbeschwerdegericht zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne (, NJW 2002, 2648, 2649; Beschl. v. - II ZB 3/03, NJW-RR 2005, 78; v. - VI ZB 75/05, NJW 2006, 2910 Rn. 14). Sind neue rechtliche Gesichtspunkte aufgetreten, muss sich das Beschwerdegericht im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung damit auseinandersetzen (BGHZ 156, 216, 219 ; aaO Rn. 10).

b)

Die Mindestanforderungen an die Darstellung des Sachverhalts und die rechtliche Begründung sind in vorliegender Sache nicht gewahrt, weil das Landgericht nicht einmal ansatzweise den Sachverhalt und den Vortrag der Beteiligten wiedergegeben hat. Zu erkennen ist nur, dass es um die Versagung der Restschuldbefreiung wegen des Verzichts auf einen Pflichtteil oder dessen Nichtgeltendmachung geht. Wann der Erbfall eingetreten ist und in welchem Verfahrensstadium sich das Insolvenzverfahren zu diesem Zeitpunkt befand, wird nicht mitgeteilt.

2.

Die Zurückverweisung gibt dem Landgericht Gelegenheit, abermals über den Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners zu befinden. Hierzu ist zu bemerken:

a)

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Obliegenheiten des Schuldners gemäß § 295 InsO erst ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung gelten (, ZInsO 2009, 299 Rn. 8 f). Eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 295 Abs. 1 InsO kommt nach dieser Entscheidung nicht in Betracht, wenn der Pflichtteilsanspruch des Schuldners, der mit dem Erbfall entsteht, schon während des eröffneten Verfahrens hätte geltend gemacht werden können, der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung aber erst nach deren Ankündigung und Aufhebung des Insolvenzverfahrens gestellt wird. Der Pflichtteilsanspruch gehört in diesem Fall nicht zum Neuerwerb des Schuldners in der Wohlverhaltensphase (BGH, aaO S. 300 Rn. 15).

b)

Der Senat hat ferner mit Beschluss vom (IX ZB 196/08) entschieden, dass ein Verstoß gegen die Obliegenheiten des Schuldners aus § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht vorliegt, wenn der Schuldner es bei einem in der Wohlverhaltensphase eingetretenen Erbfall unterlässt, einen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen.

IV.

Wegen der Begründungsmängel hat der Senat gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG angeordnet, dass Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu erheben sind.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
RAAAD-27691

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein