BGH Urteil v. - 3 StR 171/09

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BtMG § 30a Abs. 3; BtMG § 31; StGB § 49 Abs. 2; StGB § 73; StGB § 73a; JGG § 32

Instanzenzug: LG Aurich, vom

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten U. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren sowie den Angeklagten F. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen die Angeklagte S. hat es eine Jugendstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Das sichergestellte Rauschgift sowie den bei den Taten benutzten PKW des Angeklagten F. hat es eingezogen. Die auf die Sachrüge gestützte, zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft ist ausweislich der Revisionsbegründung - ungeachtet des auf Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs gerichteten Revisionsantrags - bei den Angeklagten U. und F. auf die Strafzumessung in den Fällen des Bandenhandels, bei dem Angeklagten F. darüber hinaus auf die Nichtanordnung des Wertersatzverfalls und bei der Angeklagten S. auf die Strafzumessung beschränkt. Der Angeklagte F. wendet sich mit einer nicht ausgeführten Formal- und der allgemeinen Sachrüge gegen das Urteil. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet, soweit das Landgericht bei dem Angeklagten F. von der Anordnung des Wertersatzverfalls abgesehen hat; ihr weitergehendes Rechtsmittel sowie die Revision des Angeklagten bleiben ohne Erfolg.

I. Revision der Staatsanwaltschaft

1.

Die allein dem Tatgericht obliegende Strafzumessung hält bei allen Angeklagten sachlichrechtlicher Prüfung stand. Revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler in dem Sinne, dass die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen, oder dass sich die verhängten Einzel- und Gesamtstrafen nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit lösen, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter einzuräumenden Spielraums liegen, zeigt die Revision nicht auf. Zu den einzelnen Einwendungen gilt:

a)

Das Landgericht hat für die Angeklagten U. und F. in den Fällen des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Ergebnis rechtsfehlerfrei minder schwere Fälle nach § 30 a Abs. 3 BtMG angenommen. Es hat alle im vorliegenden Fall maßgebenden Umstände in seine umfassende Gesamtbewertung einbezogen und ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass das äußere Erscheinungsbild der Taten und die jeweilige Persönlichkeit der Angeklagten für die Anwendung des milderen Ausnahmestrafrahmens des § 30 a Abs. 3 BtMG sprechen. Mit seiner - für sich allein betrachtet allerdings bedenklichen - Formulierung, der Regelstrafrahmen des § 30 a Abs. 1 BtMG sei "für einerseits international organisierte Syndikate und andererseits Mengen an Drogen und Verdienstmöglichkeiten, die hohe Gewinne versprechen" gedacht, hat es in der Sache den durch die Feststellungen belegten Umstand in seine Abwägung eingestellt, dass der Zusammenschluss der Angeklagten primär auf einer persönlichen Verbundenheit beruhte und nicht dem Bild der üblichen Bandenkriminalität entsprach, deren Bekämpfung mit der Schaffung des OrgKG erstrebt wurde. Hiergegen ist nichts zu erinnern (vgl. BGHR BtMG § 30 a Bande 2; Weber, BtMG 3. Aufl. § 30 Rdn. 242). Dies gilt auch, soweit die Strafkammer die Menge des jeweils gehandelten Rauschgifts in den Blick genommen hat.

b)

Die in den Fällen des Bandenhandels vorgenommene Strafmilderung nach § 31 BtMG i. V. m. § 49 Abs. 2 StGB ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 31 Nr. 1 BtMG ohne Rechtsfehler bejaht. Danach kann sich der Täter Strafmilderung verschaffen, wenn er die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus offen legt und die Offenbarung zu einem Aufklärungserfolg führt (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 25). Ein solcher Erfolg ist dann gegeben, wenn der Aufklärungsgehilfe durch die Mitteilung seines Wissens die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass gegen den von ihm Belasteten voraussichtlich mit Erfolg ein Strafverfahren geführt werden kann (vgl. BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 11; § 30 Abs. 2 Strafrahmenwahl 4). Maßgebend hierfür ist die aus der Hauptverhandlung gewonnene Überzeugung des Tatgerichts, dass zum einen die Darstellung des Angeklagten über die Beteiligung anderer an der Tat zutrifft und zum anderen dessen Angaben wesentlich zu einem voraussichtlich erfolgreichen Abschluss der Strafverfolgung beitragen (vgl. Maier in Münch-Komm StGB § 31 BtMG Rdn. 111; Weber, BtMG 3. Aufl. § 31 Rdn. 125).

Diese Voraussetzungen hat das Landgericht ausreichend substantiiert sowie mit Tatsachen belegt und damit - jedenfalls bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe - für das Revisionsgericht nachprüfbar dargelegt. Die Strafkammer hat nicht nur pauschal am Ende der Erwägungen zur Wahl des Strafrahmens (UA S. 17) mitgeteilt, die Strafverfolgungsbehörden hätten aufgrund der Angaben der Angeklagten abgesicherte Erkenntnisse gewonnen, die zu einer weiteren Aufklärung der Taten wesentlich beigetragen haben und zur erfolgreichen Überführung der Tatbeteiligten führen können. Vielmehr hat es bereits im Rahmen der Beweiswürdigung auf die ausführlichen, detailreichen Geständnisse der Angeklagten und die Bekundungen des Zeugen POK F. hingewiesen, durch deren Angaben seien zahlreiche Folgeverfahren gegen Abnehmer eingeleitet worden. Sodann hat die Strafkammer bei der Begründung der Strafrahmenwahl zunächst an mehreren Stellen der Urteilsgründe (UA S. 15, 16) ausgeführt, obgleich bei den Ermittlungsbehörden keine Erkenntnisse über die Tat II. 1. der Urteilsgründe vorhanden gewesen seien, hätten die Angaben der Angeklagten U. und F. einen Fahndungserfolg ermöglicht. Aufgrund ihrer Schilderung sei die Identifizierung des Veräußerers der Drogen möglich. Auch könne die Tatbeteiligung des gesondert Verfolgten C. aufgeklärt werden; diese hätten die Angeklagten konkret offenbart. Im Fall II. 8. der Urteilsgründe sei durch die Preisgabe des Drogenverstecks eine konkrete Überprüfung und strafrechtliche Verfolgung des niederländischen Hintermannes eröffnet. In der vom Generalbundesanwalt herangezogenen Urteilspassage war die Strafkammer daher nicht veranlasst, diese Ausführungen noch einmal im Detail zu wiederholen; vielmehr durfte sie sich mit Blick auf die in den Urteilsgründen bereits enthaltenen Angaben mit einer zusammenfassenden Bewertung zur abschließenden Begründung ihrer gewonnenen Überzeugung von sogar mehreren Aufklärungserfolgen begnügen.

c)

Das Landgericht hat keine bestimmenden Strafzumessungsgründe außer Acht gelassen. Es hat die hohe kriminelle Energie, die bei dem Verbringen des Rauschgifts nach Deutschland durch den Körperschmuggel der Angeklagten S. und der getrennten Einreise des Angeklagten U. sowie des gesondert Verfolgten C. aufgewendet wurde, bei der Strafrahmenwahl für die Angeklagten U. und F. im ersten der abgeurteilten Fälle (Fall II. 1. der Urteilsgründe, UA S. 15) ausdrücklich berücksichtigt. Dasselbe gilt für die Art des Betäubungsmittels und seine Gefährlichkeit. Gerade aufgrund dieser Umstände hat die Strafkammer bei dieser Tat die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30 Abs. 2 BtMG abgelehnt. Es ist deshalb nicht zu besorgen, dass der Strafkammer diese Strafzumessungsgesichtspunkte bei den weiteren, im Wesentlichen gleichgelagerten Betäubungsmitteldelikten aus dem Blick geraten sind, auch wenn sie dort nicht erneut aufgeführt worden sind.

d)

Die Bildung der Gesamtstrafen für die Angeklagten U. und F. lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.

aa)

Die Begründung des Landgerichts genügt den an sie zu stellenden Anforderungen. Das Tatgericht braucht insoweit wie bei den Einzelstrafen nur die bestimmenden Zumessungsgründe im Urteil darzulegen; eine erschöpfende Darstellung ist nicht erforderlich. Die Urteilsgründe müssen allerdings stets erkennen lassen, dass die für die Gesamtstrafenbildung wesentlichen formellen und materiellen Kriterien beachtet worden sind. Der Gesamtstrafenausspruch ist umso eingehender zu begründen, je mehr sich die Gesamtstrafe der oberen oder unteren Grenze des Zulässigen nähert (st. Rspr.; vgl. etwa BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 8).

Diesen Maßstäben werden die Ausführungen des Landgerichts gerecht. Es hat für beide Angeklagte zunächst auf die bei der Bemessung der Einzelstrafen ausführlich dargelegten Gesichtspunkte Bezug genommen. Dies begründet keinen Rechtsfehler; denn auf die Begründung der Einzelstrafen kann verwiesen werden, wenn die erneute Darlegung sich wie hier in einer unnötigen Wiederholung erschöpfen würde (st. Rspr.; vgl. schon BGHSt 24, 268, 271) . Sodann hat die Strafkammer für jeden Angeklagten gesondert die weiteren, aus ihrer Sicht bestimmenden Strafzumessungstatsachen erörtert. Dieses rechtsfehlerfreie Vorgehen ermöglicht dem Senat entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts die Überprüfung, ob sich das Landgericht von dem maßgeblichen Gesamttatunrecht hat leiten lassen. Aus den vom Landgericht angeführten, sich zu Gunsten der Angeklagten auswirkenden Gründen ergibt sich auch in ausreichendem Maße, weshalb die Gesamtstrafe insbesondere bei dem Angeklagten U. relativ nahe an der unteren Grenze des Gesamtstrafrahmens gebildet wurde.

bb)

In der Sache sind die Gesamtstrafen zwar sehr mild, jedoch mit Blick auf die vom Landgericht angeführten Strafzumessungstatsachen und den Seriencharakter der Taten noch nicht unvertretbar.

e)

Soweit die Revision die Strafzumessung bei der Angeklagten S. rügt, zeigt sie keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer alle Taten einheitlich mit einer Jugendstrafe geahndet hat, obwohl die Angeklagte bei den Taten II. 5. bis 8. der Urteilsgründe bereits Erwachsene war. Sie hat insbesondere im Hinblick auf die festgestellten Brüche im Lebenslauf der Angeklagten und deren teilweise naive Lebensführung rechtsfehlerfrei angenommen, dass auf die Straftaten, welche die Angeklagte als Heranwachsende beging, gemäß § 1, § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht anzuwenden ist, da die Angeklagte nach ihrer Entwicklung noch einer Jugendlichen gleichstand. Die nach § 32 JGG erforderliche Beurteilung, ob das Schwergewicht bei diesen oder bei denjenigen Straftaten liegt, die nach allgemeinem Strafrecht zu beurteilen wären, ist im Wesentlichen Tatfrage und daher durch das Revisionsgericht nur dahin überprüfbar, ob der Tatrichter den ihm zuzubilligenden Beurteilungsspielraum eingehalten hat (vgl. BGHR JGG § 32 Schwergewicht 1, 3). Dies ist hier der Fall. Das Landgericht hat in nicht zu beanstandender Weise insbesondere darauf abgestellt, dass die ersten Delikte eine auslösende Bedeutung für die weiteren Straftaten hatten, die Bandenabrede noch im Heranwachsendenalter gefasst wurde und die Angeklagte aus mangelnder Reife und Dankbarkeit gegenüber dem Angeklagten F. handelte sowie sich zur Begehung der Taten verführen ließ.

2.

Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung über die Anordnung von Wertersatzverfall (§§ 73, 73 a StGB) gegen den Angeklagten F. unterblieben ist. Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei begründet, weshalb es sich nicht in der Lage gesehen hat, die Einlassung des Angeklagten zu den bei ihm sichergestellten 750 EUR zu widerlegen. Da der Angeklagte jedoch nach den Feststellungen aus den vorangegangenen Betäubungsmittelgeschäften - jedenfalls überwiegend - Einnahmen erzielte, hätte Anlass zur Prüfung bestanden, ob aus diesem Grunde Wertersatzverfall anzuordnen ist.

Der Senat hat die bisherigen, teilweise nicht ausreichend genauen Feststellungen aufgehoben, um dem neuen Tatrichter eine Prüfung auf der Grundlage insgesamt widerspruchsfreier Tatsachen zu ermöglichen. Insbesondere mit Blick auf die Tat II. 3. der Urteilsgründe wird auch zu beachten sein, dass bei mehreren Beteiligten nur das für verfallen erklärt werden kann, was der jeweilige Angeklagte tatsächlich in dem Sinne selbst erlangte, dass er zumindest eine Mitverfügungsgewalt hatte (vgl. BGH NStZ 2008, 623).

II. Revision des Angeklagten F.

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 StPO). Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
YAAAD-25081

1Nachschlagewerk: nein