Besteuerung als Kleinunternehmer, wenn Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit neu aufnimmt
Gesetze: UStG § 19, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beteiligte sich im August 1993 mit einem Betrag von 6 500 DM an dem sog. Unternehmensspiel „X”. Dieses Spiel beruhte auf dem Schneeballprinzip. Der Teilnehmer erwarb die „Mitgliedschaft” in der Spielgemeinschaft „X” gegen Zahlung eines „Mitgliedsbeitrags”. Durch die Mitgliedschaft erhielt der Teilnehmer das Recht, weitere Mitglieder zum Eintritt in das Spiel gegen Zahlung eines Entgelts zu werben. An diesen Einzahlungen sowie den Einzahlungen weiterer, nunmehr von den Neumitgliedern geworbener weiterer Teilnehmer wurde das „Alt"-Mitglied beteiligt.
Der Kläger erzielte aufgrund seiner Mitgliedschaft im Jahr 1993 Einnahmen in Höhe von 37 957 DM, am in Höhe von 8 008 DM und am in Höhe von 500 DM. Dies beruhte auf der Werbung von insgesamt 84 Mitgliedern. Er hat sich dahingehend geäußert, dass er —im Bewusstsein der Chancen und Risiken eines auf dem Schneeballprinzip beruhenden Spiels— allenfalls mit einer Verdoppelung seines Einsatzes von 6 500 DM gerechnet habe. Als Zahl nannte der Kläger in diesem Zusammenhang den Betrag von 12 000 DM.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) setzte mit Umsatzsteuerbescheiden für 1993 und 1994 (Streitjahre) vom Umsatzsteuer fest, wobei er aus den vereinnahmten Beträgen die Umsatzsteuer herausrechnete.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage durch das vorliegend angefochtene Urteil ab. Es führte zur Begründung aus, der Kläger sei mit der Beteiligung an dem Spiel „X” unternehmerisch tätig geworden. Er sei kein Kleinunternehmer i.S. des § 19 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) gewesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die er auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt; außerdem hält er die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts für erforderlich.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2 1. Alternative). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung der Revision kommt nur wegen einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage in Betracht. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder bereits aufgrund der Rechtsprechung geklärt ist (vgl. z.B. , BFH/NV 1999, 227, m.w.N.). Die Klärbarkeit der Rechtsfrage ist nicht gegeben, wenn sie von einem im Streitfall nicht gegebenen
Sachverhalt ausgeht (vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 743).
3. Der Kläger misst der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu, „ob im Rahmen einer analogen Anwendung von § 19 I 1 UStG für 'neu gegründete Unternehmen' für eine von vornherein nicht auf Dauer angelegte Tätigkeit, der aus der gesamten Tätigkeit erzielte und geschätzte Gesamtumsatz zusätzlich in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen ist; dies scheinbar in analoger Anwendung der Vorschrift der §§ 19 I + IV UStG”.
Diese Rechtsfrage wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärbar, weil sie sich im Streitfall nicht stellt. Aus demselben Grund kommt auch eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts nicht in Betracht.
a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung wird die für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer von Unternehmern nicht erhoben, wenn der in § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 25 000 DM nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 100 000 DM voraussichtlich nicht übersteigen wird. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so ist der tatsächliche Gesamtumsatz gemäß § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen.
b) Nimmt der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres neu auf —wie hier der Kläger im August 1993—, ist die Umsatzgrenze von 25 000 DM für das laufende Kalenderjahr maßgeblich. Dabei ist der voraussichtliche Gesamtumsatz gegebenenfalls entsprechend der Vorschrift des § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG auf einen für das restliche Jahr prognostizierten Gesamtumsatz hochzurechnen (vgl. , BFHE 142, 316, BStBl II 1985, 142; , BFHE 219, 400, BStBl II 2008, 263, unter II. 2. b).
c) Das FG ist von dieser Rechtslage ausgegangen und hat ausgeführt, der Kläger habe selbst eingeräumt, dass er bei Beteiligung an dem Spiel im August 1993 eine Verdoppelung seines Einsatzes von 6 500 DM —das wären 13 000 DM— bzw. den Erhalt eines Betrages von 12 000 DM für möglich gehalten habe. Ebenfalls habe er betont, dass ihm bewusst gewesen sei, dass das Spiel früher oder später zusammenbrechen würde und er wenn, dann nur schnell einen Gewinn erzielen würde. Damit sei nach seiner Prognose davon auszugehen gewesen, dass er die Rückzahlungen noch im Jahr 1993 realisieren würde. Bei Umrechnung der nach Angaben des Klägers voraussichtlich für den Rest des Jahres erzielten Umsätze auf einen Jahresgesamtumsatz werde jedoch selbst dann die Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 UStG überschritten, wenn man von dem niedrigeren vom Kläger genannten Umsatz von 12 000 DM ausgehe. Danach rechne sich der Jahresumsatz wie folgt: 12 000 DM x 12 Monate : 5 Monate = 28 800 DM.
Das FG hat mithin —entgegen dem Beschwerdevorbringen— nicht einen aus der gesamten Tätigkeit erzielten „Gesamtumsatz zusätzlich in einen Jahresgesamtumsatz umgerechnet”. Es hat vielmehr die Angaben des Klägers dahingehend gewürdigt, dass er davon ausgegangen ist, den Betrag von 13 000 DM bzw. 12 000 DM bereits im Jahr 1993 zu realisieren.
Diese Würdigung ist denkgesetzlich möglich und wäre in einem Revisionsverfahren revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Zudem ist sie durch die vom Kläger im Jahr 1993 tatsächlich erzielten Provisionseinnahmen in Höhe von 37 957 DM bestätigt worden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2009 S. 1284 Nr. 8
EAAAD-23767