BAG Urteil v. - 5 AZR 201/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: MTV Druck § 7 Nr. 4

Instanzenzug: LAG Düsseldorf, 3 Sa 1688/07 vom ArbG Mönchengladbach, 3 Ca 1356/07 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine tarifliche Antrittsgebühr für Sonn- und Feiertagsarbeit.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie, als Einrichter im Produktionsbereich beschäftigt. Er rüstet im sog. Peripheriebereich die Aggregate der Weiterverarbeitung (Printrollen, Paketausleger, Fliessdreischneider, Stangenbildner) auf die jeweilige Druckproduktion um. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Der Kläger wird nach Lohngruppe V des Lohnrahmentarifvertrags vom vergütet.

§ 7 des Manteltarifvertrags Druck zwischen dem Bundesverband Druck und Medien e. V. und der Gewerkschaft ver.di vom (MTV Druck) lautet wie folgt:

"Arbeit an Sonntagen oder gesetzlichen Feiertagen, Antrittsgebühr

...

4. a) Bei regelmäßig erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften, die während der zuschlagspflichtigen Sonn- oder Feiertagsarbeit hergestellt werden, ist an alle mit der Herstellung beschäftigten Arbeitnehmer eine Antrittsgebühr in folgender Höhe zu bezahlen:

Eingangsstufe 78,00 Euro

Lohngruppe I 84,00 Euro

Lohngruppe II 88,00 Euro

Lohngruppe III 92,00 Euro

Lohngruppe IV 95,00 Euro

Lohngruppe V 105,00 Euro

Lohngruppe VI 116,00 Euro

Lohngruppe VII 126,00 Euro

1. Gehilfenjahr (95 %) 100,00 Euro.

b) Beträgt die Arbeitszeit bis zu 3 Stunden, ist die halbe Antrittsgebühr zu bezahlen. Fallen bis zu 2 Arbeitsstunden der Arbeitszeit des vorangehenden oder nachfolgenden Arbeitstages in die tarifliche Sonn- oder Feiertagsarbeit, besteht kein Anspruch auf die Antrittsgebühr. § 8 Ziff. 2 a) bleibt unberührt.

c) Die Antrittsgebühr ist ein Sonn- und Feiertagszuschlag. Eine mehrfache Bezahlung der Antrittsgebühr an einem Tag ist ausgeschlossen.

d) Die Herstellung ist abgeschlossen, wenn die Zeitung oder Zeitschrift die Druckmaschine verlassen hat."

Der Kläger verlangt die tarifliche Antrittsgebühr iHv. jeweils 105,00 Euro für den , , , , , , und . Er sei mit der Herstellung der Zeitschriften im tariflichen Sinne befasst. Der Begriff "Druckmaschine" umfasse nicht nur die Tiefdruckrotation, sondern auch weitere, sich anschließende Aggregate und Bearbeitungsstationen, insbesondere auch die Abnahme des Papiers durch die verschiedenen Transportsysteme. Als ein solches Produktabnahmesystem sei ua. auch die Printrolle, der Paketausleger und der Stangenbildner zu verstehen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zur Zahlung von 840,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu verurteilen;

2. festzustellen, dass die Beklagte fortlaufend verpflichtet ist, gemäß § 7 Ziff. 4a) des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bei regelmäßig erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften, die während der zuschlagspflichtigen Sonn- und Feiertagsarbeit hergestellt werden, an den Kläger eine Antrittsgebühr in Höhe von 105,00 Euro brutto je Schicht zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei nicht mit der Herstellung der Druckprodukte befasst, sondern werde erst tätig, nachdem diese die Druckmaschine verlassen hätten. Der Begriff "Druckmaschine" im Sinne der tariflichen Regelung umfasse nicht die sich anschließenden Aggregate.

Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Einholung von Auskünften der Tarifvertragsparteien abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Antrittsgebühr nach § 7 Ziff. 4 MTV Druck.

I. § 7 Ziff. 4a MTV Druck bestimmt die Anspruchsvoraussetzungen für die Antrittsgebühr. Diese bestehen in der Herstellung regelmäßig erscheinender Zeitungen und Zeitschriften während der zuschlagspflichtigen Sonn- oder Feiertagsarbeit. Ein Arbeitnehmer ist anspruchsberechtigt, wenn er mit der Herstellung solcher Zeitungen/Zeitschriften beschäftigt ist. Die Höhe des Anspruchs variiert in Abhängigkeit von der Lohngruppe des Arbeitnehmers. § 7 Ziff. 4d MTV Druck bestimmt den Zeitpunkt, zu dem die Herstellung der Zeitung/Zeitschrift abgeschlossen ist. Dies soll dann der Fall sein, wenn die Zeitung/Zeitschrift die Druckmaschine verlassen hat. Die Regelung enthält zwar keine Definition des Begriffs "Herstellung", zeigt jedoch eine Abgrenzung auf, wann die Herstellung abgeschlossen ist. Deshalb steht denjenigen Arbeitnehmern, die ihre Tätigkeit nach diesem Zeitpunkt erbringen, der Anspruch auf die Antrittsgebühr nicht zu.

II. 1. Unstreitig gegeben sind die Anspruchsvoraussetzungen im Hinblick auf regelmäßig erscheinende Zeitungen/Zeitschriften und die Tätigkeit des Klägers während zuschlagspflichtiger Sonn- oder Feiertagsarbeit. Auch die Höhe des Anspruchs trifft zu, der Kläger ist in die Lohngruppe V des Lohnrahmentarifvertrags eingruppiert.

2. Der Kläger erfüllt jedoch nicht die Voraussetzung der Beschäftigung mit der Herstellung. Er ist an den Aggregaten der Weiterverarbeitung und damit nicht an der Druckmaschine beschäftigt. Wenn der Kläger tätig wird, hat die Zeitung oder Zeitschrift die Druckmaschine bereits verlassen.

a) Bei dem Begriff "Druckmaschine" gemäß § 7 Ziff. 4d MTV Druck handelt es sich um einen feststehenden, abstrakten, von den Tarifvertragsparteien vorgegebenen Rechtsbegriff. Die Anwendung eines solchen Rechtsbegriffs durch das Tatsachengericht ist vom Revisionsgericht in vollem Umfang überprüfbar ( - zu II 2 b bb aaa (1) der Gründe, BAGE 102, 89).

b) Die Auslegung nach dem Wortlaut des Tarifvertrags spricht bereits für die Auffassung der Beklagten. Zu berücksichtigen ist zwar, dass die Elemente einer Druckmaschine in Abhängigkeit vom Stand der Technik unterschiedlich sein können. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist eine Druckmaschine aber eine Maschine zur Herstellung von Druckerzeugnissen. Eine Rotationsdruckmaschine ist eine schnell laufende Druckmaschine, bei der Druckform- und Gegendruckzylinder gegensinnig aufeinander abrollen (rotativer Druck). Vom eingefärbten Formzylinder wird die Druckfarbe unter dem Pressdruck des Druckzylinders direkt auf den Bedruckstoff übertragen oder zunächst vom Übertragzylinder übernommen und von dort auf den Bedruckstoff übertragen ("Die Zeit", Das Lexikon Bd. 12). Beim Tiefdruck sind die druckenden Elemente tiefgelegt durch Ätzen und Gravieren. Von der mit Farbe eingefärbten Druckform wird die überflüssige Farbe durch ein Stahllineal oder durch eine Wischvorrichtung abgenommen, so dass die Farbe nur in den tiefliegenden Druckelementen (Näpfchen) verbleibt. Zu den wesentlichen Elementen einer Druckmaschine zählen der Plattenzylinder, das Farbwerk, der Druckzylinder sowie die Einrichtung zur Zu- und Ausführung des Bedruckstoffs (Brockhaus - Enzyklopädie - 19. Aufl. Bd. 5). Abzugrenzen ist die Druckmaschine von der anschließenden Weiterverarbeitung. Die technische Weiterentwicklung mag zur Integration weiterer Arbeitsschritte in die Druckmaschine führen. Schließen sich an die Druckmaschine dagegen andere Aggregate zur Weiterverarbeitung an, gehören diese nicht mehr zur Druckmaschine.

c) Die Trennung zwischen Druck und Weiterverarbeitung wird auch in weiteren Tarifvertragsregelungen deutlich.

aa) Es ist davon auszugehen, dass Tarifvertragsparteien einen bestimmten Begriff einheitlich in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung verwenden und dementsprechend angewendet wissen wollen ( - BAGE 58, 116, 124 f.; - 4 AZR 543/90 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 97 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 84).

bb) Für die Auslegung kann zum einen auf die Begrifflichkeiten in den Anhängen zum MTV Druck selbst zurückgegriffen werden, zum anderen aber auch auf diejenigen des Lohnrahmentarifvertrags. Der MTV Druck enthält in § 2 Ziff. 1 Abs. 2 eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Lohnrahmentarifvertrag. § 7 Ziff. 4a MTV Druck wäre mit der nach Lohngruppen gestaffelten Höhe der Antrittsgebühr ohne die in § 3 Lohnrahmentarifvertrag vorgenommene Lohngruppeneinteilung nicht ausfüllbar.

cc) Bei den Richtbeispielen zu den Lohngruppen werden Tätigkeiten wie Falzen, Zusammentragen etc. als Beispiele für Tätigkeiten an "Weiterverarbeitungsstraßen" genannt (Lohngruppe IV Richtbeispiel 10, Lohngruppe V Richtbeispiel 16, Lohngruppe VII Richtbeispiele 5 und 13), während andere Ziffern (Lohngruppe II Richtbeispiel 8, Lohngruppe III Richtbeispiel 1, Lohngruppe V Richtbeispiele 20 und 22, Lohngruppe VI Richtbeispiel 2, Lohngruppe VII Richtbeispiele 15 und 16) von "Druckmaschinen" sprechen. Die Tarifvertragsparteien haben bei der Formulierung dieser Richtbeispiele zu den Lohngruppen die an den eigentlichen Druckvorgang anschließenden Tätigkeiten als solche der Weiterverarbeitung angesehen. Gleichermaßen unterscheiden die Anhänge C und D des MTV Druck zwischen Druck und Weiterverarbeitung. Anhang D "Weiterverarbeitung" enthält in Fußnote 2 zu Ziff. 2 eine Definition des Begriffs "Weiterverarbeitungsstraße", die aus mehreren zusammenhängenden Bearbeitungsstationen besteht, wobei beispielhaft auch das Aufrollen, Abrollen und die Stangenbildung genannt werden. Diese Fußnote stellt eine Interpretationshilfe dar, die der Auslegung dienen soll (vgl. - Rn. 27).

d) Zweck der Antrittsgebühr ist der finanzielle Anreiz, die rechtzeitige Herstellung der Zeitung/Zeitschrift zu fördern, so dass es sich um eine Tätigkeit unmittelbar bezogen auf das gegenständliche Produkt und vom Ablauf des Herstellungsprozesses zeitlich bestimmt handeln muss ( - zu 3 der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 5). Zwar trägt die Tätigkeit des Klägers dazu bei, dass die Tiefdruckrotationsmaschine durchgängig betrieben werden kann, jedoch gilt dies für sämtliche nachfolgenden Tätigkeiten bis hin zum Versand der Zeitung/Zeitschrift. Ein umfassendes Verständnis der Tarifnorm, das sämtliche Mitarbeiter der Druckerei oder des Zeitungsverlags, gleich ob Drucker, Setzer, Redakteur oder Pförtner einbezieht, ist zu weit und zur Abgrenzung der mit der Herstellung befassten Mitarbeiter ungeeignet ( - zu 2 der Gründe, aaO.). Danach erscheint es einzig praktikabel, den Arbeitsschritt des Druckens im eigentlichen Sinn, also den mechanischen Vorgang zur Wiedergabe von Informationen in beliebiger Anzahl durch Übertragung von Druckfarbe auf einen Bedruckstoff unter Verwendung eines Druckbildspeichers, von den daran anschließenden Weiterverarbeitungsschritten, die schließlich zum Endprodukt der versandfertigen Zeitung/Zeitschrift führen, zu trennen.

e) Auf die vom Arbeitsgericht eingeholten Stellungnahmen der Tarifvertragsparteien, die zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, kommt es danach nicht an.

III. Die Bindung der Tarifvertragsparteien an den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG und der Grundsatz der gesetzesformen Auslegung (vgl. Senat - 5 AZR 56/08 - Rn. 21 ff.) führen zu keinem anderen Verständnis von § 7 Ziff. 4 MTV Druck. Der Tarifnorm liegt offenbar die Einschätzung der Tarifvertragsparteien zugrunde, bei der Herstellung der Zeitschriften und Zeitungen bis zum Verlassen der Druckmaschine handele es sich um die entscheidende Tätigkeit, die den Einsatz besonders zuverlässiger und besonders motivierter Arbeitnehmer erfordere. Diese Einschätzung lässt keine Willkür erkennen und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

IV. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu 21 tragen.

Fundstelle(n):
JAAAD-22280

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein