Leitsatz
[1] Ist ein Versteigerungstermin vor dem Außerkrafttreten der bis zu (einschließlich) gültigen Vorschrift des § 57c ZVG zu den am Versteigerungstermin geltenden gesetzlichen Versteigerungsbedingungen durchgeführt worden und hat der auf dieser Grundlage nach dem erteilte Zuschlagsbeschluss Rechtskraft erlangt, so unterliegt das außerordentliche Kündigungsrecht des Vermieters (§ 57a ZVG) gegenüber einem Mieter, der Rechte im Sinne des § 57c ZVG gemäß § 57d ZVG in der Zwangsversteigerung angemeldet hatte, den Beschränkungen des § 57c ZVG.
Gesetze: ZVG § 57a; ZVG § 57c; ZVG § 57d; ZVG § 82
Instanzenzug: LG Ulm, 1 S 143/07 vom AG Göppingen, 11 C 585/07 vom
Tatbestand
Die Kläger nehmen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe von Wohnräumen in einem Einfamilienhaus in Anspruch, das sie am im Wege der Zwangsversteigerung erworben haben.
Die Beklagten zu 1 und 2 haben von ihrem Sohn H. R., dem früheren Eigentümer und Schuldner des Zwangsversteigerungsverfahrens, mit Vertrag vom die Räumlichkeiten im Untergeschoss des Anwesens zu einer monatlichen Miete von 600 DM gemietet. Zuvor hatten die Beklagten ihrem Sohn einen Baukostenzuschuss in Höhe von 200.000 DM durch Zahlung auf dessen Baukonto gewährt und hatte dieser das streitige Grundstück erworben und darauf nach dem Abriss des vorhandenen Gebäudes einen Neubau errichtet.
Nach dem zwischen H. R. und den Beklagten zu 1 und 2 abgeschlossenen Mietvertrag vom ist der Baukostenzuschuss als Mietvorauszahlung mit den künftigen Mieten und Nebenkosten zu verrechnen. Die Beklagten zu 1 und 2 haben die vermieteten Räumlichkeiten nie bezogen, sondern diese mit Einwilligung des H. R. mit Vertrag vom an seinen Bruder, den Beklagten zu 3, untervermietet.
Die Kreissparkasse G. beantragte die Zwangsversteigerung des Grundstücks. In dem Versteigerungstermin vom meldeten die Beklagten zu 1 und 2 eine noch nicht durch Verrechnung erloschene Mietvorauszahlung aus dem Jahr 1999 in Höhe von 200.000 DM an. Das Gericht wies anschließend bei der Verlesung der Versteigerungsbedingungen darauf hin, dass im Falle von Mietvorauszahlungen zur Schaffung des Mietraums das Sonderkündigungsrecht des Erstehers gemäß § 57c ZVG für die Dauer der Abgeltung der vom Mieter geleisteten Zahlungen ausgeschlossen sei. Die Kläger blieben mit einem Gebot von 160.000 EUR (50 % des festgesetzten Verkehrswertes) Meistbietende. Auf Antrag der betreibenden Gläubigerin wurde die Zuschlagserteilung um zwei Wochen aufgeschoben und erfolgte mit Beschluss vom . Darin heißt es unter Ziffer 4: "Im Übrigen gelten die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen (Stand: )". Der Zuschlagsbeschluss wurde rechtskräftig.
Mit Schreiben vom kündigten die Kläger gegenüber den Beklagten zu 1 und 2 das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich unter Berufung auf ihr Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG. Die Beklagten zu 1 und 2 widersprachen der Kündigung. Mit Schreiben vom wurde ferner der Beklagte zu 3 zur Räumung aufgefordert.
Das Amtsgericht hat der Klage auf Räumung und Herausgabe stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Den Klägern stehe kein Anspruch auf Räumung der Mieträume zu. Ein Kündigungsrecht nach § 57a ZVG bestehe nicht, weil die Voraussetzungen des § 57c ZVG gegeben seien.
§ 57c ZVG sei am Tag der Versteigerung, dem , gültig gewesen. Die Vorschrift gehöre zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen, die in §§ 44 bis 65 ZVG geregelt seien. Im Zuschlagsbeschluss sei ausdrücklich geregelt worden, dass die Versteigerungsbedingungen Stand gelten. Bei dem Zuschlagsbeschluss handele es sich um einen Vollstreckungsakt mit privatrechtsgestaltendem Charakter. Er enthalte in der Beschlussformel die Bezeichnung der Versteigerungsbedingungen. Sinn und Zweck der Versteigerungsbedingungen sei es auch, Bietern zu ermöglichen, den Wert eines Objektes abzuschätzen. Die Beteiligten müssten auf die festgestellten und verlesenen Versteigerungsbedingungen vertrauen können, die die Verfahrensgrundlage bildeten und auf die sich die Geboteaufforderung gründe.
Dabei sei es von Bedeutung, ob die Kündigungsschutzregel des § 57c ZVG gelte. Bei der Versteigerung habe sie gegolten, weshalb die Kläger sich darauf hätten einstellen können. Umgekehrt könne der Kündigungsschutz nach § 57c ZVG dem betroffenen Mieter Anlass geben, von einem Gebot abzusehen. Die Versteigerungsbedingungen seien im Termin festgestellt und gemäß § 82 ZVG im Zuschlagsbeschluss bezeichnet worden. Der Zuschlag gelte als staatlicher Hoheitsakt so, wie er ausdrücklich laute. Entscheidend sei daher nicht, dass das Kündigungsrecht erst mit Zuschlag entstanden sei, sondern dass das Kündigungsrecht in der Gestalt und zu den im Zuschlagsbeschluss festgelegten Bedingungen, also nur mit den Einschränkungen des § 57c ZVG, entstanden sei.
Die Voraussetzungen des § 57c ZVG lägen vor. Die Miete sei mit einem sonstigen zur Schaffung oder Instandsetzung des Mietraums geleisteten Beitrag zu verrechnen. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten dem Vermieter 200.000 DM auf dessen Baukonto überwiesen. Mit diesem Geld sei das Grundstück erworben und neu bebaut worden. Daher sei auch die ungeschriebene Voraussetzung erfüllt, dass der Zuschuss den Wert des Grundstücks erhöht haben und vor Fertigstellung des Bauwerks gezahlt worden sein müsse.
II.
Die Revision der Kläger ist unbeschränkt zugelassen.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Berufungsgericht - wie die Revisionserwiderung geltend macht - die Revisionszulassung auf die Frage beschränken wollte, welche Reichweite einer Kündigungsschutznorm zukommt, auf deren Geltung die Geboteaufforderung sich gründete und unter deren Anwendung der Zuschlag erteilt wurde. Denn die Zulassung der Revision kann wirksam nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte; unzulässig ist es dagegen, die Zulassung auf einzelne von mehreren möglichen Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (, WuM 2006, 513, Tz. 9, und vom - VIII ZR 91/02, NJW-RR 2003, 1192, unter II, jeweils m.w.N.). So liegt der Fall aber hier. Die Beantwortung der Frage, ob das Kündigungsrecht der Kläger gemäß § 57a ZVG durch § 57c ZVG eingeschränkt ist, kann nicht Gegenstand eines selbständigen Teils des Gesamtstreitstoffs sein, weil es sich dabei lediglich um eine Voraussetzung des Anspruchs der Kläger auf Räumung und Herausgabe handelt. Ist somit die nach Auffassung der Revisionserwiderung ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung unwirksam, so ist die Revision unbeschränkt zugelassen (, WM 2005, 1076, unter A II; Urteil vom - I ZR 2/04, NJW-RR 2007, 185, Tz. 20).
III.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Die Kläger können von den Beklagten nicht die Herausgabe und Räumung der vermieteten Räumlichkeiten in dem ersteigerten Anwesen verlangen. Das Sonderkündigungsrecht des Erstehers gemäß § 57a ZVG ist wegen eines zu verrechnenden Baukostenzuschusses im Sinne des bis zum geltenden § 57c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ZVG aufgeschoben.
1.
Entgegen der Auffassung der Revision können die Kläger nicht deshalb von ihrem Sonderkündigungsrecht gemäß § 57a ZVG Gebrauch machen, weil § 57c ZVG durch Art. 11 Nr. 5 des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz vom (BGBl. I S. 3416, im Folgenden: Zweites Justizmodernisierungsgesetz) mit Wirkung vom und damit vor Erteilung des Zuschlags am aufgehoben worden ist. Die Aufhebung dieser Vorschrift hat sich auf die Rechte und Pflichten der Parteien nicht ausgewirkt, weil die Bestimmung nach dem Inhalt des Zuschlagsbeschlusses insoweit anwendbar bleibt.
a)
Der Zuschlagsbeschluss ist bestimmend für die Rechtsstellung des Erstehers und für die Änderungen, die durch den Zuschlag an den Rechten der Beteiligten eintreten (RGZ 138, 125, 127; BGHZ 53, 47, 50) . Die nach § 82 ZVG in die Entscheidung aufzunehmenden Versteigerungsbedingungen stellen dabei einen notwendigen Bestandteil des Zuschlagsbeschlusses dar (Hintzen in: Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 82 Rdnr. 12). Davon ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen, indem es auf dieser Grundlage die Rechte und Pflichten der Beteiligten ermittelt hat. Es hat rechtsfehlerfrei eine Beschränkung des Kündigungsrechts angenommen, denn nach dem Inhalt des Zuschlagsbeschlusses, der aufgrund des Versteigerungstermins vom ergangen ist, sollten die gesetzlichen Versteigerungsbedingungen Stand gelten. Dazu gehörte zu diesem Zeitpunkt auch die erst mit Wirkung vom aufgehobene Vorschrift des § 57c ZVG.
b)
Anders als die Revision meint, steht der Anwendung der Vorschrift nicht entgegen, dass der Gesetzgeber sie aufgehoben hat, ohne eine gesonderte Anordnung für ihre Fortgeltung zu treffen. Zwar enthält das Zweite Justizmodernisierungsgesetz keine Überleitungsbestimmung hinsichtlich der Vorschrift des § 57c ZVG und ist ihr Wegfall daher auch in laufenden Verfahren zu berücksichtigen (Hintzen, aaO, § 186 Rdnr. 3; Weis, ZfIR 2007, 477, 479; aA wohl Storz/Kiderlen, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 11. Aufl. , B 1.3.2 bei Fn. 82c). Daraus folgt jedoch nur, dass es nach dem für die Anmeldung einer Forderung im Sinne von § 57c Abs. 1 ZVG mit der Folge des Aufschubs des Kündigungsrechts keine gesetzliche Grundlage mehr gab. Am , dem Tag der Versteigerung, war die Vorschrift hingegen noch in Kraft und gehörte somit zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen, zu denen die Versteigerung an diesem Tag durchgeführt wurde. Aus diesem Grund hatte das Versteigerungsgericht die Beklagten zu Recht gemäß § 57d Abs. 1 ZVG zur Anmeldung ihrer Rechte aufgefordert und die erfolgten Anmeldungen gemäß § 57d Abs. 2 im Versteigerungstermin bekannt gegeben. Der Zuschlagsbeschluss ist ausdrücklich auf der Grundlage der am geltenden gesetzlichen Versteigerungsbedingungen ergangen und hat mit diesem Inhalt auch Rechtskraft erlangt. Daran wären die Kläger selbst dann gebunden, wenn die Entscheidung mit diesem Inhalt nicht hätte ergehen dürfen, denn eine Bindung an die durch den Zuschlagsbeschluss geschaffene Rechtslage tritt auch dann ein, wenn er rechtsfehlerhaft ergangen ist (vgl. RGZ aaO, 127; 70, 399, 401; 67, 380, 383; , WM 1960, 25, unter II 2; Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 81 Rdnr. 18; Hintzen, aaO, § 82 Rdnr. 4; Steiner/Storz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 81 Rdnr. 31, 35; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 81 Rdnr. 9). Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, dass das mit dem Zuschlagsbeschluss vom entstandene außerordentliche Kündigungsrecht der Beklagten (§ 57a ZVG) zu den im Zuschlagsbeschluss festgelegten Bedingungen - nämlich den am geltenden gesetzlichen Bedingungen - und somit nur mit den Einschränkungen des am noch gültigen § 57c ZVG entstanden ist.
2.
Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der gesamte von den Beklagten zu 1 und 2 gezahlte Betrag im Sinne des § 57c ZVG der Schaffung des Mietraums gedient hat und daher insgesamt für den Aufschub des Kündigungsrechts nach § 57c Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 ZVG zu berücksichtigen ist.
a)
Vergeblich macht die Revision - unter Berufung auf den Umstand, dass ein Betrag von 150.000 DM von den Beklagten zu 1 und 2 auf ein Konto ihres Sohnes geleistet wurden, von dem dieser zunächst den Grundstückkaufpreis beglichen hat - geltend, die Baukostenzuschüsse seien zumindest teilweise für den Erwerb des Grundstücks und den Abriss des darauf befindlichen alten Gebäudes verwendet und deshalb nicht im Sinne des § 57c Abs. 1 Nr. 1 ZVG zur Schaffung oder Instandsetzung des Mietraums geleistet worden. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich, dass die Zahlungen des Mieters dazu gedient haben, den Wert des Grundstücks zu erhöhen (, WM 2002, 1689, unter II 2 a; Urteil vom - IX ZR 276/88, WM 1989, 866, unter 2 b bb (2)). Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht aber rechtsfehlerfrei bejaht.
Die durch § 57c ZVG begründete Sonderstellung des Mieters gegenüber den Gläubigern rechtfertigt sich daraus, dass der Mieter mit seinen Leistungen einen Sachwert geschaffen hat, der dem späteren Eigentümer und den Grundstücksgläubigern zugute kommt (Senatsurteil vom - VIII ZR 151/57, WM 1959, 120, unter 4 b mit Anm. Thieme, MDR 1959, 387; vgl. auch BGHZ 15, 296, 304) . Es ist insoweit ausreichend, dass tatsächliche Leistungen auch nur mittelbar zum Aufbau des Grundstücks erbracht wurden (BGHZ 37, 346, 349 f. ; 53, 35, 38 ; Senatsurteil vom , aaO). Dabei ist auf eine wirtschaftliche Betrachtung abzustellen (vgl. aaO, unter II 2 a). Dass die Mieterleistungen der Beklagten zu 1 und 2 jedenfalls mittelbar dazu gedient haben, den Wert des Grundstücks zu erhöhen, ergibt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung aus dem Umstand, dass ihr Sohn nach Erhalt der vereinbarten Baukostenzuschüsse wirtschaftliche Investitionen in einer diese Beträge übersteigenden Höhe durch die vollständige Errichtung des Neubaus getätigt hat.
b)
Die Revision ist der Auffassung, auch der weitere von den Beklagten zu 1 und 2 gezahlte Teilbetrag von 50.000 DM sei keine Leistung im Sinne des § 57c Abs. 1 Nr. 1 ZVG, weil die Beklagten nicht vorgetragen hätten, dass und in welcher Form dieser Betrag für den Neubau verwendet worden sei. Dies sei angesichts des Einwands der Kläger geboten gewesen, es habe sich bei den Zahlungen der Beklagten zu 1 und 2 um eine Schenkung gehandelt. Damit dringt die Revision nicht durch, denn sie setzt sich insoweit in Widerspruch zu dem durch das Berufungsurteil gemäß § 314 ZPO erwiesenen Parteivortrag der Berufungsinstanz. Nach dem im Berufungsurteil wiedergegebenen unstreitigen Parteivorbringen haben die Beklagten zu 1 und 2 den gesamten im Jahr 1999 gezahlten Betrag als mit der Miete zu verrechnenden Baukostenzuschuss - und somit nicht als Schenkung - geleistet. Eine etwaige Unrichtigkeit dieser tatbestandlichen Feststellungen hätte nur im Wege eines - hier nicht durchgeführten - Berichtigungsverfahrens nach § 320 BGB geltend gemacht werden können (, NJW-RR 2007, 1434, Tz. 11, st. Rspr.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 2312 Nr. 31
AAAAD-20436
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja