BFH Beschluss v. - IX B 138/08

Vorliegen einer Divergenz; Antrag auf Tatbestandsberichtigung; Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO; Rüge der fehlerhaften Tatsachen- und Beweiswürdigung

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, FGO § 76, FGO § 96, FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5, FGO § 119 Nr. 6

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen liegen die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemach-ten Zulassungsgründe nicht vor.

1. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alt. FGO) ist nicht erforderlich. Es bleibt dahingestellt, ob die Kläger die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung und der (vermeintlichen) Divergenzentscheidung (, BFH/NV 1990, 34) so herausgearbeitet und gegenübergestellt haben, dass eine Abweichung im Grundsätzlichen erkennbar wird. Jedenfalls liegt die gerügte Divergenz nicht vor. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn das Finanzgericht (FG) bei einem gleich oder ähnlich gelagerten Sachverhalt in einer bestimmten entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der —dieselbe Rechtsfrage betreffenden— Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweicht (z.B. BFH-Beschlüsse vom IX B 98/05, BFH/NV 2006, 768; vom IX B 15/08, BFH/NV 2008, 1350, unter 3., m.w.N.).

Im Streitfall hat das FG ausgehend von der ständigen BFH-Rechtsprechung den an die Kläger gezahlten Gesamtkaufpreis (mit Barzahlung und übernommenen Verbindlichkeiten) auf die Geschäftsanteile bzw. einzelnen Wirtschaftsgüter nach dem Verhältnis der Verkehrswerte aufgeteilt. Mit einer (vermeintlich) unzutreffenden Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie einer (vermeintlich) fehlerhaften Rechtsanwendung oder schlichten Subsumtionsfehlern (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 70/07, BFH/NV 2008, 380; vom VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477, m.w.N.) rügen die Kläger materiell-rechtliche Fehler; damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden, zumal ein qualifizierter Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht nicht dargetan ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; vom IV B 111/05, BFH/NV 2007, 1146).

2. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind nicht gegeben. Etwaige Unzulänglichkeiten oder Unrichtigkeiten im Tatbestand des FG-Urteils hätten die Kläger mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO beim FG geltend machen müssen (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 249/07, BFH/NV 2008, 1512; vom IX B 164/05, BFH/NV 2006, 340, m.w.N.).

a) Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gegeben, wenn das FG seiner Überzeugungsbildung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde gelegt hat; insbesondere ist der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 184/05, BFH/NV 2007, 70; vom IX B 194/03, BFH/NV 2005, 1354, m.w.N.). Dabei ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt und Vortrag in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinander gesetzt hat (z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 89/07, BFH/NV 2008, 599; vom IX B 159/07, BFH/NV 2008, 1341).

Im Streitfall liegt ein solcher als Verfahrensmangel zu wertender Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI B 180/01, BFH/NV 2004, 525; vom II B 26/03, BFH/NV 2004, 1546) nicht vor. Abgesehen davon, dass die Kläger die vom FG (vermeintlich) nicht berücksichtigten Aktenteile nicht genau bezeichnet haben (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 37/06, BFH/NV 2007, 1138; vom V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303, m.w.N.), hat das FG insbesondere den Prozessvergleich vom Dezember 1997 und den Vergleichserfüllungsvertrag vom Dezember 1998 ersichtlich in seine Erwägungen einbezogen; demgegenüber gehen die Kläger von einem aus ihrer Sicht anders zu beurteilenden Sachverhalt aus und rügen eine fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt aber nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat oder die Würdigung fehlerhaft erscheint. Zudem kommt es auf den maßgebenden, hier auf einer anderen Sachverhaltswürdigung beruhenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG an (vgl. , BFH/NV 2005, 1065; vom IX B 207/07, BFH/NV 2008, 2022, unter 4. a). Daher handelt es sich —einschließlich der (vermeintlich) unzutreffenden Vertragsauslegung durch das FG (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2008, 1350; vom VIII B 250/05, BFH/NV 2007, 1675)— allenfalls um materiell-rechtliche Fehler, nicht aber um einen Verfahrensverstoß (s. , nicht veröffentlicht —n.v.—, juris; vom VIII B 251/05, BFH/NV 2007, 1521, m.w.N.). Die damit geltend gemachte fehlerhafte Rechtsanwendung vermag indes die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.

Soweit die Kläger darüber hinaus mit der Unterstellung von Tatsachen eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) als Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügen sollten, fehlt es bereits an den für eine hinreichende Darlegung erforderlichen genauen Angaben und Ausführungen zu bestimmten Punkten (zur unterlassenen Amtsermittlung vgl. , BFH/NV 2005, 43).

b) Zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) obliegt es dem Gericht u.a., den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben und ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (z.B. , BFH/NV 2007, 2327, m.w.N.), nicht jedoch, der von den Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. , Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die von den Klägern vertretene Rechtsansicht —wie vorliegend— auf einer vom FG abweichenden Sachverhaltswürdigung oder Vertragsauslegung beruht, so dass letztlich eine fehlerhafte Rechtsanwendung und damit materiell-rechtliche Fehler geltend gemacht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom V B 122/05, BFH/NV 2007, 1517; vom IX B 234/07, n.v., juris, m.w.N.). Zudem ist das FG weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet, also dazu, die maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten vorher umfassend und im Einzelnen zu erörtern oder ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte, Schlussfolgerungen oder das Ergebnis einer Gesamtwürdigung im Voraus anzudeuten oder mitzuteilen. Vielmehr muss ein —fachkundig vertretener— Beteiligter gerade bei —wie hier— umstrittener Sach- und Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 139/05, BFH/NV 2007, 1084, unter 3. a; vom XI B 178/06, BFH/NV 2008, 562, unter 2. a, jeweils m.w.N.).

Danach hat das FG den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Zudem haben die Kläger nicht dargetan, was sie bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätten, und dass sie —trotz Erörterungstermin und mündlicher Verhandlung— keine Möglichkeit besessen hatten, die Gehörsverletzung bereits vor Ergehen der Entscheidung zu beanstanden, bzw. dass sie den Verfahrensverstoß beim FG gerügt haben (z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 81/96, BFH/NV 1998, 196; vom IV B 21/07, BFH/NV 2008, 974).

c) Ein Verstoß gegen § 119 Nr. 6 i.V.m. § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO (dazu s. , BFH/NV 2008, 1149, unter 4. a, m.w.N.) liegt nicht vor. Die Entscheidungsgründe (s. FG-Urteil S. 16 bis 22), die im Übrigen die Begründung „in vollem Umfang” einem Urteil desselben Senats vom selben Tag zu denselben Rechtsfragen übernehmen, lassen hinreichend erkennen, auf Grund welcher Erwägungen das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist.

3. Letztlich setzen die Kläger ihre eigene Sachverhaltswürdigung und Rechtsansicht anstelle des FG und rügen mit ihren —zum Teil nach Art einer Revisionsbegründung gehaltenen— Einwänden die fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung sowie die unzutreffende Rechtsanwendung durch das FG, also materiell-rechtliche Fehler; damit kann jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 77/00, BFH/NV 2002, 359; in BFH/NV 2007, 1084, unter 4.).

Fundstelle(n):
RAAAD-19017