Oberfinanzdirektion Karlsruhe - S 7104

Unternehmereigenschaft beim Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme (z. B. Fotovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerke)

1. Unternehmereigenschaft

1.1 Allgemeine Grundsätze (§ 2 Abs. 1 UStG)

Wird der erzeugte Strom beim Betrieb einer Anlage zur Erzeugung von Strom und Wärme (z. B. Fotovoltaikanlage, Blockheizkraftwerk) ganz oder teilweise, regelmäßig und nicht nur gelegentlich in das allgemeine Stromnetz eingespeist oder wird die erzeugte Wärme regelmäßig weitergeliefert (z. B. an Mieter), liegt auch bei sonst nicht unternehmerisch tätigen Personen eine nachhaltige Tätigkeit i. S. des § 2 Abs. 1 UStG vor (Abschn. 18 Abs. 5 UStR).

Dies gilt auch für sog. kaufmännisch-bilanzielle Einspeisungen (§ 4 Abs. 5 EEG), wenn der erzeugte Strom vom Anlagenbetreiber nicht in das Netz des Netzbetreibers eingespeist, sondern intern verbraucht wird.

1.2 Anlagen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 2 Abs. 3 UStG)

Bei Blockheizkraftwerken von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (insbesondere Landkreise, Zweckverbände) ist zu prüfen, ob solche Anlagen im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (§ 2 Abs. 3 UStG) betrieben werden. Sind beispielsweise klärgas- oder deponiegasbefeuerte Blockheizkraftwerke von Abwasser- oder Abfallbeseitigungsanlagen als Hoheitsbetriebe zu behandeln, fällt der Verkauf von Strom und Wärme in den Bereich der hoheitlichen Tätigkeit. Die Abgrenzung der hoheitlichen Tätigkeit und der wirtschaftlichen Tätigkeit ist nach den Grundsätzen des R 9 KStR vorzunehmen.

Nach R 9 KStR ist eine wirtschaftliche Tätigkeit im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art erst dann anzunehmen, wenn der veräußerte Strom oder die veräußerte Wärme überwiegend aus Deponiegas von Abfällen gewonnen wird, zu deren Annahme die beseitigungspflichtige Körperschaft nach § 15 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz nicht verpflichtet ist (z. B. Gewerbemüll, Sondermüll). Bei der Abgrenzung ist in entsprechender Anwendung von R 10 Abs. 6 Satz 4 KStR vom Verhältnis des Brennwerts dieses Abfalls und des Brennwerts zugekaufter Brennstoffe (sog. Stützbefeuerung) zum Brennwert des beseitigungspflichtigen Abfalls (insbesondere Hausmüll) auszugehen.

Verwenden Blockheizkraftwerke bei der hoheitlichen Abwasserbeseitigung (§ 18a Wasserhaushaltsgesetz) anfallendes Klärgas zur Strom- und Wärmeerzeugung, ist ein Betrieb gewerblicher Art erst dann gegeben, wenn der Brennwert zugekaufter Brennstoffe höher ist als der Brennwert der Faulgase.

2. Zuordnung zum Unternehmensvermögen

Unabhängig von der ertragssteuerlichen Beurteilung kann der Unternehmer Gegenstände, die er sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch nutzt, in vollem Umfang seinem außerunternehmerischen Bereich zuordnen oder diese Gegenstände insgesamt oder im Umfang der unternehmerischen Nutzung seinem Unternehmensvermögen zuordnen. Voraussetzung für eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG, dass der Gegenstand zu mindestens 10 % für unternehmerische Zwecke genutzt wird (vgl. hierzu S 7300 Karte 6). Wird der Gegenstand zu weniger als 10 % unternehmerisch genutzt, kann er nicht dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden und ein Vorsteuerabzug ist insgesamt nicht möglich.

Fotovoltaikanlagen sind umsatzsteuerlich keine Bestandteile des Gebäudes. Der Betrieb einer Anlage auf dem ansonsten zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude berechtigt nicht zur Zuordnung des Gebäudes zum Unternehmensvermögen. Die Leistungsbezüge sind getrennt vom Gebäude zu beurteilen. Diese Beurteilung gilt unabhängig davon, ob die Fotovoltaikanlage auf dem Dach montiert ist oder das Dach ersetzt. Dasselbe gilt, wenn die Dachflächen zum Betrieb einer Anlage verpachtet werden.

Im Gegensatz zu Wind-, Wasser- und Solaranlagen (z. B. Fotovoltaik), die allein der Erzeugung von Strom dienen, sind Blockheizkraftwerke sowohl für die Erzeugung von Nutzwärme als auch für die Erzeugung von Strom geeignet. Die angefallenen Ausgaben entfallen daher auf beide Bereiche. Eine Zuordnung der Kosten ausschließlich zur Stromerzeugung ist nicht zulässig. Bei den Anlagen sind regelmäßig geeichte Messeinrichtungen vorhanden, aus denen sich der Umfang der in das Stromnetz eingespeisten Strommenge sowie des privat entnommenen Stroms und der abgegebenen Wärme ergibt.

Liegen solche Vorrichtungen nicht vor, kann als Maßstab für die Aufteilung der Gesamtkosten die gem. § 3 Abs. 7 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz vom (BGBl 2002 S. I 1092) vom Hersteller der Anlage zu bescheinigende sog. „Stromkennzahl” herangezogen werden. Dabei handelt es sich um das Verhältnis der Nettostromerzeugung zur Nutzwärmeerzeugung in einem bestimmten Zeitraum.

3. Ausgangsumsätze

3.1 Umsätze an Dritte

Die entgeltliche Lieferung von Strom an ein Energieerzeugungsunternehmen oder an den/die Mieter ist ein steuerpflichtiger Umsatz, der dem Regelsteuersatz unterliegt. Die Stromlieferung ist keine Nebenleistung zum Vermietungsumsatz (Abschn. 76 Abs. 6 UStR).

Demgegenüber ist die Überlassung der Nutzwärme an den/die Mieter eine unselbständige Nebenleistung zum Vermietungsumsatz (Abschn. 76 Abs. 5 UStR). Ist die Vermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei (z. B. bei einer Wohnungsvermietung) führt die Überlassung der Nutzwärme an den Mieter insoweit zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den laufenden Kosten (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Wurde auf die Steuerfreiheit des Vermietungsumsatzes zulässigerweise nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG verzichtet, ist auch die Überlassung der Nutzwärme steuerpflichtig.

3.2 Verwendung der Nutzwärme und des erzeugten Stroms für private Zwecke

Die Verwendung der Nutzwärme für die Beheizung und die Warmwasserversorgung des privaten Wohnhauses oder der privaten Wohnung und die Verwendung des Stroms für private Zwecke sind steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG.

Für Lieferungen i. S. des § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG ist die Bemessungsgrundlage nicht nach § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG, sondern nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG zu bestimmen. Bemessungsgrundlage für diese unentgeltlichen Wertabgaben sind daher die Selbstkosten der anteiligen Strom- und Wärmelieferungen zum Zeitpunkt des Umsatzes. Die Selbstkosten umfassen alle durch den Strom- und Wärmeerzeugungsprozess bis zum Entnahmezeitpunkt angefallenen Kosten (Abschn. 155 Abs. 1 Satz 4 UStR), zu denen auch die ertragssteuerlichen Abschreibungen gehören (Nutzungsdauer Blockheizkraftwerk 10 Jahre, Fotovoltaikanlage 20 Jahre; BStBl 2000 I S. 1532).

4. Vorsteuerabzug und Vorsteuerberichtigung

Ordnet der Unternehmer zulässigerweise eine sowohl unternehmerisch als auch privat genutzte Anlage insgesamt seinem Unternehmensvermögen zu, ist die Vorsteuer aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und aus den laufenden Kosten in vollem Umfang nach § 15 Abs. 1 UStG abziehbar. Es sind jedoch mögliche Vorsteuerausschlüsse nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu beachten (vgl. 3.1).

Ordnet der Unternehmer eine Anlage nur teilweise seinem Unternehmen zu (z. B. nur den unternehmerisch verwendeten Teil), kann die Vorsteuer aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den laufenden Kosten nur teilweise abgezogen werden. Wird die Anlage später in größerem Umfang für unternehmerische Zwecke genutzt, ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 15a UStG nicht möglich (Abschn. 214 Abs. 6 Nr. 2 UStR).

Da sowohl eine Fotovoltaikanlagen als auch ein Blockheizkraftwerk durch ihren Einbau zwar ihre körperliche, nicht jedoch ihre wirtschaftliche Eigenart verlieren, handelt es sich nicht um Gebäudebestandteile. Für Fotovoltaikanlagen und Blockheizkraftwerke beträgt der Berichtigungszeitraum i. S. des § 15a Abs. 1 UStG deshalb 5 Jahre. Wird das Gebäude nur errichtet, um eine Blockheizkraftwerk zu betreiben, beträgt der Berichtigungszeitraum für dieses Gebäude einschließlich Blockheizkraftwerk 10 Jahre.

Insbesondere folgende Nutzungsänderungen wirken sich auf den Vorsteuerabzug aus:

  • Übergang von einer steuerpflichtigen zu einer steuerfreien Vermietung

  • Veräußerung des Grundstücks

  • Übergang zur Besteuerung nach §§ 19, 24 UStG

5. Dachsanierung im Zusammenhang mit dem Einbau einer Fotovoltaikanlage

Im Zusammenhang mit dem nachträglichen Einbau einer Fotovoltaikanlage in ein nicht unternehmerisch genutztes Gebäude, wird häufig eine Dachsanierung durchgeführt. Ist die Dachsanierung für die Installation der Fotovoltaikanlage nicht erforderlich, können die Leistungsbezüge für die Dachsanierung nicht dem Unternehmen „Fotovoltaikanlage” zugeordnet werden.

Muss die Dachsanierung aber erfolgen, damit die Fotovoltaikanlage überhaupt eingebaut werden kann (z. B. asbesthaltiges oder nicht tragfähiges Dach), werden unmittelbar mit dem Einbau zusammenhängende Aufwendungen für die Dachsanierung sowohl für das Gebäude, als auch für den Betrieb der Fotovoltaikanlage genutzt. Bei diesem Erhaltungsaufwand handelt es sich um ein gemischt genutztes Wirtschaftsgut (Werklieferung). Der Unternehmer hat insoweit ein Zuordnungswahlrecht (Abschn. 192 Abs. 21 Nr. 2 UStR), wenn die mindestunternehmerische Nutzung von 10 % (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) erfüllt ist.

Der Anteil der unternehmerischen Nutzung der Gebäudeaufwendungen ist zu schätzen. Die Schätzung muss in sich schlüssig, das Ergebnis wirtschaftlich vernünftig und möglich sein. Die unternehmerische Nutzung kann mit 50 % der von der Fotovoltaikanlage bedeckten Dachfläche geschätzt werden.

Ordnet der Unternehmer die Erhaltungsaufwendungen insgesamt seinem Unternehmensvermögen zu, ist ein Abzug der damit zusammenhängenden Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 UStG zulässig. Die nichtunternehmerische Verwendung der Maßnahme ist als unentgeltliche sonstige Leistung i. S. des § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG mit dem zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgaben zu versteuern. Da es sich bei den Aufwendungen nicht um Herstellungskosten handelt, sind sie sofort in voller Höhe in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

Beispiel:

Ein Zweckverband errichtet auf dem Dach einer Schule eine Fotovoltaikanlage. Das vorhandene Dach muss vor dem Einbau entfernt und durch eine andere Dachabdeckung ersetzt werden. Die Vorsteuer für die Dacherneuerung beträgt 60.000 €. Das Dach hat eine Gesamtfläche von 900 m2. Die Fotovoltaikanlage bedeckt eine Fläche von 300 m2.

Die Fotovoltaikanlage bedeckt ⅓ der gesamten Dachfläche. Für die Gebäudenutzung ist ein Abschlag von 50 % vorzunehmen. Damit ergibt sich eine unternehmerische Nutzung von ⅙. Da die 10 % Grenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG überschritten ist, kann die Maßnahme insgesamt dem Unternehmensvermögen zugeordnet und die Vorsteuer in vollem Umfang abgezogen werden. Die nichtunternehmerische Nutzung ist als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG steuerbar. Bemessungsgrundlage sind die anteiligen Kosten von ⅚ von 60.000 € = 50.000 €.

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Fundstelle(n):
OAAAD-15467