BGH Urteil v. - III ZR 56/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 195; BGB § 199; BGB § 225; ZPO § 204 Abs. 1; AGBG § 9

Instanzenzug: KG Berlin, 27 U 174/06 vom LG Berlin, 9 O 736/04 vom

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit seinem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geltend.

Die Beklagte zu 1 bot dem Kläger die Beteiligung an dem Immobilienfonds an und übersandte ihm eine vorgedruckte Beitrittserklärung, in der es unter anderem heißt:

"... Ich/Wir bin/sind mit der Verkürzung der Verjährungsfrist auf längstens 3 Jahre einverstanden, sofern die Ansprüche nicht aufgrund von gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen früher verjähren. ...

Über die Verpflichtung zur Leistung der in dieser Erklärung vereinbarten Zahlungen hinaus, übernehme(n) ich/wir weder gegenüber der Gesellschaft, noch gegenüber Dritten, Verpflichtungen, Haftung und Mithaftung, insbesondere auch keine Ausgleichsverpflichtung gegenüber dem Geschäftsbesorger der Gesellschaft oder eine Nachschusspflicht. Derartige Verpflichtungen können auch nicht durch einen Gesellschafterbeschluss begründet werden, durch den der Gesellschaftsvertrag verändert wird. ..."

In den auf der Rückseite der Beitrittserklärung abgedruckten Vermittlungsbedingungen ist unter Nr. 4 Folgendes bestimmt:

"Sollten sich dennoch aufgrund zurechenbarer unrichtiger, unvollständiger oder widersprüchlicher Angaben vertragliche oder vertragsähnliche Rechtsansprüche des Gesellschafters, wie aus ... einem angenommenen Beratervertrag ... gegenüber der Kapitalvermittlungsgesellschaft ... ergeben, so verjähren diese vorbehaltlich kürzerer gesetzlicher Fristen innerhalb von 3 Jahren ab seinem Beitritt zur Beteiligungsgesellschaft."

Der Kläger sandte die von ihm unterzeichnete Beitrittserklärung im September 1994 an die Beklagte zu 1, die sie an die Beklagte zu 2, die Treuhänderin des Immobilienfonds, weiterleitete.

In den Vorinstanzen hat der Kläger beiden Beklagten vorgeworfen, ihn nicht darauf hingewiesen zu haben, dass er entgegen der zitierten Formulierung in der Beitrittserklärung eine persönliche Haftung, wenn auch beschränkt in Höhe seiner Beteiligungsquote am Kapital der Gesellschaft, übernehme. Wenn er dies damals gewusst hätte, dann hätte er die Beitrittserklärung nicht unterzeichnet.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihm denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch den Beitritt zu der Gesellschaft bürgerlichen Rechts entstehen werde, insbesondere ihn von Nachschussforderungen der Gesellschaft oder von gegen diese gerichteten Darlehensforderungen sowie jedweden anderen Verbindlichkeiten freizustellen, soweit diese von ihm aus seinem Privatvermögen zu zahlen wären und über seine Einlage in Höhe von 50.000 DM hinausgingen.

Die Beklagten haben unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat beschränkt zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Feststellungsanträge gegen die Beklagte zu 1 weiter.

Gründe

Da die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte) trotz ordnungsgemäßer Ladung in der Revisionsverhandlung nicht vertreten war, ist über die Revision auf Antrag des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff) .

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob zwischen dem Kläger und der Beklagten als Kapitalvermittlerin ein Kapitalanlage- oder ein Kapitalberatungsvertrag geschlossen wurde. Jedenfalls seien etwaige Ansprüche des Klägers wegen Verletzung der aus einem solchen Vertrag folgenden Pflichten zur Information und Beratung verjährt. Die grundsätzlich geltende 30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a.F. sei durch wirksame Einbeziehung der auf der Rückseite der vom Kläger unterzeichneten Beitrittserklärung aufgeführten Vermittlungsbedingungen auf drei Jahre verkürzt worden. Die Verkürzung der Verjährungsfrist sei nach § 225 Satz 2 BGB a.F. zulässig gewesen und verstoße nicht gegen § 11 Nr. 7 AGBG, denn ausweislich des Wortlauts der Nr. 4 der Vermittlungsbedingungen sei eine Haftung wegen groben Verschuldens nicht ausgeschlossen worden. Auch eine Unwirksamkeit wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners gemäß § 9 AGBG komme nicht in Betracht.

Eine deliktische Haftung der Beklagten wegen vorsätzlicher Verwendung der unrichtigen Darstellung der tatsächlichen Haftungsverhältnisse habe der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Da die Beitrittserklärung im Ganzen betrachtet im Hinblick auf die Haftungsverhältnisse nicht eindeutig sei, könne nicht von einer vorsätzlichen Täuschung der Beklagten ausgegangen werden.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dass mögliche vertragliche Schadensersatzansprüche des Klägers verjährt seien.

1.

Im Falle einer - vom Landgericht angenommenen - Anlagevermittlung, die das Berufungsgericht mit der Formulierung "Kapitalanlage- oder Kapitalberatungsvertrag" gemeint haben dürfte, wäre zwischen den Parteien zumindest stillschweigend ein auf Auskunftserteilung gerichteter Vertrag zustande gekommen, der die Beklagte zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände verpflichtet hätte, die für den Anlageentschluss des Klägers von besonderer Bedeutung waren (vgl. Senatsurteile BGHZ 158, 110, 116 ;vom - III ZR 193/05 - NJW 2007, 1362, 1363 Rn. 10; vom - III ZR 218/06 - NJW-RR 2007, 925 Rn. 4; vom - III ZR 100/06 - NZG 2008, 117, 118 Rn. 7; jeweils m.w.N.). Zu den für die Anlageentscheidung des Klägers bedeutsamen Umständen gehörten nach seinem Vortrag auch die tatsächlichen Haftungsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und eine mögliche persönliche Inanspruchnahme als Gesellschafter. Eine persönliche Haftung des Gesellschafters kam nach der zitierten Formulierung in der vorgedruckten Beitrittserklärung nicht in Betracht. Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass die Beklagte eine entsprechende vertragliche Aufklärungspflicht verletzt hat.

2.

Ein dem Kläger möglicherweise zustehender Schadensersatzanspruch wegen mangelnder Aufklärung über seine persönliche Haftung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht verjährt.

a)

Nach der im Zeitpunkt des Beitritts des Klägers im September 1994 maßgeblichen Vorschrift des § 195 BGB a.F. verjährten Schadensersatzansprüche von Kapitalanlegern gegen Kapitalvermittler wegen Verletzung von Aufklärungspflichten in 30 Jahren. Für solche unter der Geltung des alten Verjährungsrechts entstandenen und am noch nicht verjährten Ansprüche gilt seit diesem Stichtag gemäß, Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die in § 195 BGB n.F. bestimmte Regelverjährung von drei Jahren. Der Lauf der Verjährungsfrist setzt auch in Überleitungsfällen gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. voraus, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Nur wenn diese subjektiven Voraussetzungen bereits am vorlagen, ist die kenntnisabhängige Drei-Jahres-Frist des § 195 BGB n.F. von diesem Zeitpunkt an zu berechnen, so dass die Verjährung mit Ablauf des hätte eintreten können (BGHZ 171, 1, 7 ff Rn. 19 ff; - NJW 2008, 2576, 2578 Rn. 23; jeweils m.w.N.). Wann der Kläger die erforderliche Kenntnis erlangte oder hätte erlangen müssen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Jedenfalls ist auch für den Fall, dass der Kläger die subjektiven Voraussetzungen bereits am erfüllte, die Verjährung durch die Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gehemmt worden. Die verjährungshemmende Wirkung trat nach § 167 ZPO bereits mit Eingang der Klageschrift am ein. Die am bewirkte Zustellung der Klage an die Beklagte ist als demnächst erfolgt im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Dem Kläger kann eine nur geringfügige Verzögerung der Zustellung bis zu 14 Tagen (vgl. Senatsurteil vom - III ZR 43/05 - NJW-RR 2006, 789, 790 Rn. 7; Senatsbeschluss vom - III ZB 76/07 - NJW 2008, 1672, 1673 Rn. 11; - NJW 2004, 3775, 3776 unter II. 2. a; jeweils m.w.N.) zugerechnet werden. Er zahlte den Gerichtskostenvorschuss am und damit unter Berücksichtigung der üblichen Postlaufzeit binnen 14 Tagen nach Erhalt der gerichtlichen Zahlungsaufforderung vom , die er abwarten durfte (vgl. - NJW 1986, 1347, 1348 ;vom - X ZR 6/93 - NJW 1993, 2811 f unter II. 2. c). Die weitere Verzögerung durch die falsche Adressangabe, die sich bei einem Zustellversuch am herausstellte, hindert die Rückwirkung der Zustellung nicht. Der Kläger hatte bei Klageeinreichung keinen Anlass, die ihm aus dem Vermittlungsvertrag bekannte Anschrift der Beklagten zu überprüfen (vgl. - NJW 1993, 2614, 2615 unter II. 2.). Die neue Anschrift der Beklagten teilte er mit einem am Samstag, dem , bei Gericht eingegangenen Schriftsatz mit. Unter Berücksichtigung der Postlaufzeit ist davon auszugehen, dass er darauf innerhalb von zwei Wochen reagierte.

b)

Die Verjährung war hier nicht schon vor dem Stichtag des nach Maßgabe der Bestimmung unter Nr. 4 der Vermittlungsbedingungen abgelaufen. Ob - was der Kläger in der Revisionsinstanz in Zweifel zieht - die als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu wertenden Vermittlungsbedingungen überhaupt wirksam gemäß § 2 AGBG in den Anlagevermittlungsvertrag einbezogen worden sind, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die Verjährungsklausel unwirksam.

aa)

Im Ansatz bestehen keine Bedenken gegen eine Herabsetzung der Dauer der Verjährungsfrist auf drei Jahre. Nach § 225 Satz 2 BGB a.F. war eine Abkürzung der Verjährungsfrist durch Vereinbarung zulässig. Unter der Geltung der früheren regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren hat der Bundesgerichtshof namentlich mit Rücksicht auf für Angehörige bestimmter Berufsgruppen geltende kürzere Verjährungsfristen eine Abkürzung der Verjährungsfrist auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen für möglich gehalten (Senatsurteil vom - III ZR 59/07 - NJW-RR 2008, 1129, 1133 Rn. 30 m.w.N.).

bb)

Die in Rede stehende Klausel unter Nr. 4 der Vermittlungsbedingungen verstößt gegen das Klauselverbot des § 11 Nr. 7 AGBG. Danach ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für einen Schaden, der auf einer grob fahrlässigen Vertragsverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Vertragsverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruht, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam.

(1)

Als Begrenzung der Haftung für grobe Fahrlässigkeit im Sinne dieses Klauselverbots sieht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung auch eine generelle Verkürzung der Verjährungsfrist an. Begründet wird dies damit, dass eine abgekürzte Verjährungsfrist im praktischen Ergebnis die Haftung des davon begünstigten Klauselverwenders erleichtere (Senatsurteil vom aaO S. 1134 Rn. 35 m.w.N.; BGHZ 38, 150, 155 ; - VersR 1983, 339, 340 unter II. 3.; vom - I ZR 159/85 - NJW-RR 1987, 1252, 1253 f unter II. 2.; vom - I ZR 138/87 - NJW-RR 1989, 992, 993 unter II. 3.; Erman/Hefermehl/Werner, BGB, 10. Aufl., § 11 Nr. 7 AGBG Rn. 9; Basedow, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 11 Nr. 7 AGBG Rn. 16 m.w.N.; Staudinger/Coester-Waltjen [1998], § 11 Nr. 7 AGBG Rn. 20 m.w.N.; Hensen, in: Ulmer/Brandner/ Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 11 Nr. 7 Rn. 21 m.w.N.). An diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes angeknüpft und sie seinem Verständnis der neuen Regelung in § 309 Nr. 7 BGB zugrunde gelegt (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 156, 159; Senatsurteil vom aaO). Dem entspricht es, dass zum neuen Recht daran festgehalten wird, die Verkürzung von Verjährungsvorschriften an dem § 11 Nr. 7 AGBG entsprechenden § 309 Nr. 7 BGB zu messen (Senatsurteil vom aaO m.w.N.; BGHZ 170, 31, 37 f Rn. 19; Erman/Roloff, BGB, 12. Aufl., § 309 Rn. 69; Kieninger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., 2007, § 309 Nr. 7 Rn. 23 m.w.N.; Staudinger/Coester-Waltjen [2006], § 309 Nr. 7 Rn. 23; Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 309 Nr. 7 BGB Rn. 28 m.w.N.).

(2)

Die fragliche Bestimmung in den Vermittlungsbedingungen der Beklagten befasst sich zwar nicht unmittelbar mit der Frage des Haftungsmaßes. Sie unterscheidet indes nicht zwischen einfachem und qualifiziertem Verschulden, sondern verkürzt die Verjährung vertraglicher oder vertragsähnlicher Ansprüche des Kapitalanlegers schlechthin, damit auch für den Fall eines groben Verschuldens. Mittelbar führt die Verkürzung der Verjährungsfrist dazu, dass nach Ablauf dieser Frist die Beklagte für jede Art von Verschulden nicht haften soll. Diese undifferenzierte Abkürzung der Verjährungsfrist rechtfertigt ihre Einordnung und Beurteilung nach § 11 Nr. 7 AGBG. Das führt zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel, weil sie nach Verjährungseintritt eine Haftung generell ausschließt, ohne hiervon ausdrücklich Fälle eines groben Verschuldens auszunehmen, und ihre Fassung es nicht zulässt, sie auf diesen unbedenklichen Inhalt zurückzuführen (vgl. Senatsurteil vom aaO). Dabei kommt es im Hinblick auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (vgl. dazu BGHZ 96, 18, 25 f ; - NJW-RR 2001, 342, 343 unter I. 2. c; jeweils m.w.N.) nicht darauf an, ob nach dem bisherigen Sach- und Streitstand der Beklagten ein grobes Verschulden angelastet werden kann.

3.

Der Rechtsstreit ist noch nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsgericht wird nunmehr nach den genannten Maßstäben zu prüfen haben, ob der Beklagten eine Verletzung von Aufklärungspflichten aus einem im Rahmen einer Anlagevermittlung stillschweigend zustande gekommenen Auskunftsvertrag anzulasten ist.

Fundstelle(n):
NJW-RR 2009 S. 1416 Nr. 20
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2009 S. 1321
JAAAD-08024

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein