BGH Beschluss v. - IX ZB 112/08

Leitsatz

[1] Stellt sich im eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren heraus, dass die dem Antrag auf Restschuldbefreiung beizufügende Abtretungserklärung nicht vorliegt, so darf das Insolvenzgericht dem Schuldner für die Nachreichung der Abtretungserklärung keine Frist setzen, die kürzer ist als ein Monat.

Gesetze: InsO § 305 Abs. 3; InsO § 287 Abs. 1 Satz 2; InsO § 20 Abs. 2

Instanzenzug: AG Bonn, 97 IK 23/06 vom LG Bonn, 6 T 297/07 vom

Gründe

I.

Auf Antrag des Schuldners eröffnete das Insolvenzgericht am das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder. In diesem Verfahren ordnete das Gericht am die Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren an. Den auf den anberaumten Schlusstermin im schriftlichen Verfahren hob das Insolvenzgericht am nachträglich wegen eines formellen Verfahrensfehlers auf. Es hatte festgestellt, dass dem Insolvenzantrag die Abtretungserklärung des Schuldners nach § 287 Abs. 2 InsO (Anlage 3 des amtlichen Verzeichnisses) nicht beigefügt war.

Ebenfalls am wies das Gericht den Schuldner auf die Unvollständigkeit seines Antrags hin und gab ihm Gelegenheit, die Abtretungserklärung nachzureichen. In der Belehrung teilte es dem Schuldner mit, dass er mit der Verwerfung seines Antrags als unzulässig rechnen müsse, wenn dieser nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Hinweises nach § 20 Abs. 2 InsO vollständig vorliege. Die zweiwöchige Frist, bei der es sich um eine gesetzliche Frist handele, sei nicht verlängerbar (§ 287 Abs. 1 Satz 2, § 4 InsO, § 224 Abs. 2 ZPO). Dem Hinweis waren ein Antragsformular des Landes Nordrhein-Westfalen zur Restschuldbefreiung, ein Merkblatt "Restschuldbefreiung" und das amtliche Formular 5 H beigefügt. Der Hinweis wurde dem Schuldner am zugestellt. Der vom Schuldner ausgefüllte Antrag auf Restschuldbefreiung mit der Abtretungserklärung ging am beim Insolvenzgericht ein. Dieses hat mit Beschluss vom den Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung als unzulässig zurückgewiesen, weil er die fehlende Abtretungserklärung entgegen dem gerichtlichen Hinweis nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO vorgelegt habe.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner weiter die Aufhebung der Zurückweisung des Antrags auf Restschuldbefreiung.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO statthafte, wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) ist auch begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Rechtspfleger habe mit zutreffender Begründung den Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung als unzulässig zurückgewiesen, weil er nicht innerhalb der in § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO normierten Frist eingelegt worden sei. Soweit der Schuldner geltend mache, das Gericht hätte ihm für die Beibringung des vollständigen Antrags eine Frist von einem Monat setzen müssen, verkenne er die seit dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 287 Abs. 1 InsO geänderte Gesetzeslage. Danach sei die Restschuldbefreiung spätestens binnen einer nicht verlängerbaren Frist von zwei Wochen nach Zustellung des gerichtlichen Hinweises zu beantragen. Die Möglichkeit, den Restschuldbefreiungsantrag sogar noch im Berichtstermin zu stellen, sei entfallen. Der nicht fristgerecht gestellte Antrag sei unzulässig. Wiedereinsetzung könne dem Schuldner nicht gewährt werden, weil keine Notfrist oder andere Frist im Sinne des § 233 ZPO vorliege. Der Schuldner habe auch nicht hinreichend dargetan oder glaubhaft gemacht, dass ein gerichtliches Fehlverhalten für die verspätete Handlung ursächlich geworden sei. Eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör liege nicht vor.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

Das Insolvenzgericht hätte den Antrag des Schuldners als zulässig ansehen müssen. Der Schuldner hat die Abtretungserklärung entsprechend § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO rechtzeitig nachgereicht.

a) Wie zu verfahren ist, wenn sich im eröffneten Verfahren herausstellt, dass die Vorlage der gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Verbindung mit § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO erforderlichen Abtretungserklärung versehentlich unterblieben ist, regelt das Gesetz nicht. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage liegt bislang nicht vor. In seinem Beschluss vom (BGHZ 162, 181) hat der Senat allerdings die gegebenenfalls zu setzende richterliche Frist der Vorschrift des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO entnommen, wenn der Schuldner keinen Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung gestellt hat. Hierauf und auf die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ist der Schuldner sowohl im Regel- als auch im Verbraucherinsolvenzverfahren hinzuweisen (BGHZ aaO S. 184). Ob die nach § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 20 Abs. 2 InsO zu setzende Frist im Verbraucherinsolvenzverfahren auch die Ergänzung der Antragsunterlagen betrifft, ist damit noch nicht entschieden.

b) Was gilt, wenn sich bei einem Antrag auf Restschuldbefreiung erst im eröffneten Verfahren herausstellt, dass die gemäß § 287 Abs. 2 InsO erforderliche Abtretungserklärung dem Antrag nicht beigefügt ist, ist streitig. Teilweise wird die Auffassung vertreten, das Insolvenzgericht habe den Schuldner analog § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbindung mit § 20 Abs. 2 InsO auf das Erfordernis der Abtretung hinzuweisen. Werde diese sodann nicht in der Zwei-Wochen-Frist vorgelegt, sei der Antrag auf Restschuldbefreiung als unzulässig zurückzuweisen (so OLG Zweibrücken ZVI 2002, 128 f; Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 287 Rn. 5; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 287 Rn. 7b). Nach anderer Auffassung ist die Zwei-Wochen-Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO in Verbraucherinsolvenzverfahren nicht anzuwenden. Für den Fall, dass dem Antrag des Schuldners die Abtretungserklärung nicht beigefügt sei, enthalte § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO in diesem Verfahren eine speziellere Regelung (so OLG Celle ZVI 2002, 29, 30; Braun/Buck, InsO 3. Aufl. § 305 Rn. 21; HmbKomm-InsO/Streck, 2. Aufl. § 287 Rn. 22; HK-InsO/Landfermann, 4. Aufl. § 287 Rn. 11; FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl. § 287 Rn. 19; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. § 287 Rn. 19; Römermann in Nerlich/Römermann, InsO § 287 Rn. 56; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 287 Rn. 36 f; Mohrbutter/Ringstmeier/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung 8. Aufl., § 17 Rn. 36).

Die Frist zur Ergänzung der dem Restschuldbefreiungsantrag beizufügenden Unterlagen richtet sich im Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO. Die Vorschrift enthält für das Verbraucherinsolvenzverfahren eine spezielle Regelung, die der entsprechenden Anwendung des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO vorgeht. Enthält der Insolvenzantrag des Schuldners im Verbraucherinsolvenzverfahren entgegen § 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO keine Erklärung zur Restschuldbefreiung so hat das Gericht ihn nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Abgabe dieser Erklärung aufzufordern (HK-InsO/Landfermann, aaO § 305 Rn. 29; Graf-Schlicker/Sabel, aaO § 305 Rn. 13; Kübler/Prütting/Wenzel, aaO § 305 Rn. 23a; Uhlenbruck/Vallender, aaO § 305 Rn. 82). Die entsprechende Anwendung des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO auf den Fall, dass eine Unvollständigkeit des Antrags erst nach Verfahrenseröffnung bemerkt wird, wäre systemwidrig. Sie würde die Frist, die dem Schuldner im Verbraucherinsolvenzverfahren zur Ergänzung und Vervollständigung seiner Unterlagen zur Verfügung stehen soll, unzulässig verkürzen. Die kurze Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO hat ihren Grund in der Notwendigkeit, alsbald Klarheit darüber zu gewinnen, ob der Schuldner die Restschuldbefreiung anstrebt oder nicht. Diese Klarheit besteht hier bereits. Die Vervollständigung der Unterlagen ist weniger eilbedürftig. Der Schutz vor einer übereilten Entscheidung, den § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO dem Schuldner im Verbraucherinsolvenzverfahren gibt, würde zudem unterlaufen, wenn man auf die Frist zur Nachreichung der Abtretungserklärung in diesem Verfahren nach Verfahrenseröffnung § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO entsprechend anwendete. Es ergäbe sich ein Wertungswiderspruch zum Eröffnungsverfahren, in dem unzweifelhaft § 305 Abs. 3 InsO anzuwenden ist, wenn der Schuldner einen unvollständigen Antrag vorlegt und beispielsweise die Abtretungserklärung fehlt.

3. Zwar führt das Beschwerdegericht mit Recht aus, die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO sei als gesetzliche Frist nicht verlängerbar und es komme auch keine Wiedereinsetzung in Betracht, weil es sich weder um eine Notfrist noch um eine andere Frist im Sinne des § 233 ZPO handele (BGHZ 162, 181, 185; Uhlenbruck/Vallender, aaO § 287 Rn. 19). Hierauf kommt es aber nicht an, weil das Insolvenzgericht dem Schuldner nicht die Frist des § 287 Abs. 1 Satz 2 InsO hätte setzen dürfen und seine Belehrung über die Folgen des Fristablaufs fehlerhaft war. Vielmehr hätte es ihn entsprechend § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO zur Ergänzung seiner Unterlagen auffordern und auf die Monatsfrist des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO sowie auf die Folgen der Fristversäumung hinweisen müssen (MünchKomm-InsO/Stephan, aaO § 287 Rn. 19).

III.

Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren sind weder in der zweiten noch in der dritten Instanz angefallen (vgl. Nr. 2361 und 2364 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Die außergerichtlichen Kosten des Schuldners können dem weiteren Beteiligten nicht überbürdet werden, weil dieser in Bezug auf die Zurückweisung des Antrags auf Restschuldbefreiung nicht Gegner des Schuldners im Sinne der §§ 4 InsO, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2009 S. 352
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2009 S. 366
WM 2009 S. 127 Nr. 3
IAAAD-02298

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein