BGH Beschluss v. - IV ZB 27/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 3; ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4; ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 1967 Abs. 2

Instanzenzug: LG Wuppertal, 2 O 376/06 vom OLG Düsseldorf, I-7 U 131/07 vom

Gründe

I. Die Klägerin, zweite Ehefrau des am verstorbenen Erblassers, nimmt die Kinder des Erblassers aus dessen erster Ehe als Erben im Wege der Stufenklage auf Erfüllung eines Vermächtnisses in Anspruch. Das Landgericht hat die Beklagten durch Teilurteil vom verurteilt, durch Vorlage eines Verzeichnisses Auskunft zu erteilen über den Bestand des in den Nachlass gefallenen Geldvermögens (Bargeld, Guthaben und Wertpapiere) sowie über sämtliche Nachlassverbindlichkeiten - einschließlich Beerdigungskosten - und Nachlassregelungskosten. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet.

Das Berufungsgericht hat die Beklagten darauf hingewiesen, es sei nicht ersichtlich, dass der für die Erteilung der Auskünfte erforderliche Aufwand die Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO übersteige; die Berufung sei daher unzulässig. Dazu haben beide Parteien Stellung genommen. Durch den angegriffenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingegangene und begründete Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II. Das nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsmittel ist unzulässig. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Auszugehen ist von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Von dem hier nicht gegebenen Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen kommt es also auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (BGHZ 128, 85, 87 f.; 164, 63, 65 ff.)

1. a) Soweit die Beklagten nach dem landgerichtlichen Urteil verpflichtet sind, Nachlassverbindlichkeiten und Nachlassregelungskosten anzugeben, geht es nach Ansicht des Berufungsgerichts allein um tatsächliche Angaben, die jedenfalls zunächst weder einer anwaltlichen Prüfung noch einer anwaltlichen Bewertung bedürften; Begriffe wie Nachlassverbindlichkeiten und Nachlassregelungskosten seien Allgemeingut und würden deshalb von den Auskunftspflichtigen ohne weiteres richtig verstanden.

b) Dem hält die Rechtsbeschwerde entgegen, es müsse verwundern, dass die Bedeutung von Begriffen wie Nachlassverbindlichkeiten und Nachlassregelungskosten als allgemein verständlich angesehen würden, denn sie seien in der juristischen Literatur umstritten und unklar. § 1967 Abs. 2 BGB rechne zu den Nachlassverbindlichkeiten außer den vom Erblasser herrührenden Schulden auch die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen. Ob dazu außer Zahlungsverpflichtungen auch Verpflichtungen zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen, zur Herausgabe von Sachen, zur Duldung der Befriedigung, zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder zu einer Willenserklärung gehörten, sei fraglich. Im Schrifttum werde allerdings vertreten, dass Verbindlichkeiten aller Art in Betracht kommen (vgl. Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. § 47 I 1 S. 1192). Unterschieden werde zwischen Erblasserschulden und Nachlasserbenschulden, für die eine Haftung des Erben auch unabhängig von seiner Erbenstellung in Betracht komme (vgl. Staudinger/Marotzke, BGB [2002] § 1967 Rdn. 5 ff.). Hinsichtlich der den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten werde weiter differenziert nach Erbfallschulden (etwa aus Pflichtteilen, Vermächtnissen und Auflagen) und Nachlasskosten- und Erbschaftsverwaltungsschulden (wie Kosten der Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen oder der Sicherung des Nachlasses, vgl. Staudinger/Marotzke, aaO § 1967 Rdn. 30 ff., 37 ff.). Unklar sei, was unter Nachlassregelungskosten zu verstehen sei; möglicherweise könne man sie mit den in der juristischen Literatur verwendeten Begriffen Nachlasskosten- und Verwaltungsschulden gleichsetzen. Fraglich sei, ob auch die Erbschaftsteuer erfasst werde (vgl. Staudinger/Marotzke, aaO § 1967 Rdn. 33); dass deren Höhe nicht ohne anwaltlichen oder steuerberatenden Beistand ermittelt werden könne, liege auf der Hand.

Das Berufungsgericht habe sich nicht die Frage gestellt, ob die Beschwerdeführer überhaupt Umfang und Gegenstand ihrer Auskunftspflicht ohne sachkundige Hilfe ermitteln könnten. Damit liege sowohl ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG als auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Zudem stelle sich die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob dem Auskunftsverpflichteten, wenn der Umfang seiner Verpflichtung mit Rechtsbegriffen beschrieben werde, gestattet sei, sachkundige Hilfspersonen zuzuziehen, oder ob er auf eine Parallelwertung in der Laiensphäre verwiesen sei.

c) Damit ist ein Zulassungsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO) nicht dargetan.

Wie auch die Beschwerde nicht verkennt, ist grundsätzlich geklärt, dass die Kosten der Hinzuziehung einer sachkundigen Hilfsperson nur dann berücksichtigt werden können, wenn der Auskunftspflichtige selbst zu einer sachgerechten Auskunft nicht in der Lage ist (vgl. - NJW-RR 2007, 1009 Tz. 7 m.w.N.). Aus dem Vorbringen der Beklagten ergibt sich nicht, dass sie ohne sachkundige Beratung überhaupt außer Stande seien, vom Erblasser herrührende oder infolge des Erbfalls entstandene Verbindlichkeiten zu nennen. Im Hinblick auf welche, näher zu bezeichnende Verbindlichkeiten sie im vorliegenden Fall etwa einer sachkundigen Beratung darüber bedürften, ob diese noch von der titulierten Auskunftspflicht erfasst seien oder nicht, tragen die Beklagten nicht vor. Sie begründen auch nicht, weshalb sie zur Ermittlung der Erbschaftsteuer fachlicher Beratung bedürften. In Anbetracht der für die Beklagten als Kinder des Erblassers hohen Freibeträge (je 205.000 € gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) liegt nicht auf der Hand, dass sie überhaupt Erbschaftsteuer zu zahlen haben. Es wäre aber Sache der Beklagten als Berufungskläger gewesen, einen die Berufungssumme übersteigenden Wert glaubhaft zu machen (§ 511 Abs. 3 ZPO). Mithin hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht in seine Schätzung des für die titulierte Auskunftsverpflichtung benötigten Aufwands keine Anwalts- oder Steuerberatungsgebühren aufgenommen. Auf die von der Rechtsbeschwerde vermisste Klärung des Umfangs einer durch Rechtsbegriffe umschriebenen Auskunftsverpflichtung kam es hier nicht an. Der angegriffene Beschluss beruht insoweit auch nicht auf einer Verletzung von Artt. 103 Abs. 1 oder 3 Abs. 1 GG.

Was im Übrigen die in der titulierten Auskunftsverpflichtung genannten Nachlassregulierungskosten betrifft, geht es ersichtlich nicht um einen in der Rechtssprache allgemein gebräuchlichen Begriff, sondern um eine vom Erblasser im notariellen Testament vom verwendete Formulierung. Danach erhält die Klägerin als Vermächtnis u.a. das gesamte im Erbfall vorhandene Geldvermögen, "soweit dieses nicht für die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten und Nachlassregulierungskosten einschließlich der Beerdigungskosten benötigt wird". Die Rechtsbeschwerde zeigt auch nicht auf, in Bezug auf welche konkreten Fragen etwa Meinungsverschiedenheiten über die Reichweite des Rechtsbegriffs Nachlassverbindlichkeiten in Rechtsprechung und Literatur bestehen.

2. a) Soweit sich die Beklagten zur Begründung einer die Berufungssumme übersteigenden Beschwer auf ihren persönlichen Aufwand bei der Ermittlung des in den Nachlass gefallenen Geldvermögens berufen haben, weil sie bei verschiedenen Kreditinstituten Nachfrage halten müssten, heißt es im angegriffenen Beschluss, die Entstehung von Fremdkosten werde nicht behauptet; der eigene Zeitaufwand könne aber grundsätzlich nicht in Ansatz gebracht werden.

b) Damit weicht das Berufungsgericht nach Auffassung der Rechtsbeschwerde von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, wonach für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes gerade auch auf den Aufwand an Zeit abzustellen ist, den die Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (BGHZ 128, 85, 87 f.). Es handele sich um einen symptomatischen Rechtsfehler, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere. Der vom Berufungsgericht nicht berücksichtigte Zeitaufwand der Beschwerdeführer zur Einholung von Auskünften bei Kreditinstituten übersteige die Differenz zwischen dem vom Berufungsgericht festgesetzten Gegenstandswert von 500 € und der für die Zulässigkeit der Berufung erforderlichen Summe von weiteren mindestens 100,01 €.

c) Auch insoweit liegt ein Zulassungsgrund nicht vor. Zwar trifft der von der Rechtsbeschwerde angegriffene Satz in der Beschlussbegründung des Berufungsgerichts nicht zu und würde für sich genommen auch in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen. Das Berufungsgericht hat indessen, obwohl die Beklagten - von der Einholung anwaltlichen Rates abgesehen - keinen anderen Aufwand als den von Zeit vorgetragen haben, den Wert ihrer Beschwer immerhin auf 500 € geschätzt. Das kommt in seiner Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren zum Ausdruck, der nur auf einer Schätzung des Wertes des den Beklagten für die Erteilung der Auskunft entstehenden Zeitaufwands beruhen kann. Anders hat auch die Rechtsbeschwerde die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts nicht verstanden. Danach kann, liest man den angegriffenen Beschluss im Zusammenhang, nicht davon ausgegangen werden, dass nach Meinung des Berufungsgerichts der Zeitaufwand des Auskunftspflichtigen für seine Beschwer überhaupt nicht in Ansatz gebracht werden könne.

d) Jedenfalls wäre die Rechtsbeschwerde nicht begründet. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Erteilung der Auskunft hier eine berufstypische Leistung darstellen würde oder einen Verdienstausfall zur Folge hätte. Dann aber ist der Zeitaufwand in Anlehnung an den Stundensatz zu bewerten, den der Auskunftspflichtige als Zeuge im Zivilprozess erhalten würde (Senat, Beschluss vom - IV ZR 28/03 - ZEV 2004, 290 unter II 2 b aa; Urteil vom - IV ZR 102/01 - ZEV 2002, 194 unter II 1). Dieser beträgt grundsätzlich 3 € pro Stunde; Zeugen, die einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führen, erhalten für Nachteile bei der Haushaltsführung 12 € je Stunde (§§ 20, 21 JVEG). Selbst wenn man hier von 12 € ausgeht, liegt dem vom Berufungsgericht festgesetzten Streitwert von 500 € ein Zeitaufwand von mehr als 40 Stunden zugrunde. Einen höheren Aufwand an Zeit oder Kosten haben die Beklagten auch unter Berücksichtigung von Rückfragen bei Kreditinstituten nicht glaubhaft gemacht. Daher ist der angegriffene Beschluss im Ergebnis nicht rechtsfehlerhaft, insbesondere wenn das dem Berufungsgericht von §§ 3, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eingeräumte Ermessen berücksichtigt wird (vgl. - NJW-RR 2007, 724 Tz. 5).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW-RR 2009 S. 80 Nr. 2
KAAAC-95204

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein