Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 241 Abs. 1; StGB § 249; StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1; StGB § 252; StPO § 267 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: LG Osnabrück, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bedrohung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung wegen schweren Raubes, und die des Angeklagten, der mit der allgemeinen Sachrüge einen Freispruch anstrebt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in vollem Umfang Erfolg, das des Angeklagten führt lediglich zur Aufhebung der Verurteilung wegen Bedrohung.
I.
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
Der Angeklagte hatte vor geraumer Zeit seinen Laptop zur Reparatur in das Computerfachgeschäft des Geschädigten, des Zeugen M. , gebracht. Am Tattag erschien er erneut in dem Ladenlokal. Zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen kam es alsbald zu einem Wortgefecht und der Aufforderung des sehr impulsiven Angeklagten, ihm einen neuen Laptop zu geben, da - was nicht zutraf - der Zeuge das Gerät des Angeklagten beschädigt habe. Daraufhin legte der Zeuge M. den Laptop des Angeklagten auf den Verkaufstresen und forderte ihn auf, das Geschäft zu verlassen. Der Angeklagte nahm ein auf dem Tresen liegendes kleines Messer an sich und hielt es dem Geschädigten kurz an den Bauch. Nachdem der Angeklagte wieder vom Zeugen abgelassen hatte, nahm er einen IBM-Laptop zum Verkaufspreis von 899 Euro aus einem Regal und verließ damit das Ladenlokal. Der Zeuge M. folgte ihm sogleich nach und ergriff, als er den Angeklagten auf dem Gehweg erreicht hatte, das Notebook, um es dem Angeklagten wieder zu entwinden. Dieser versetzte dem Zeugen nunmehr einen Stoß mit dem Kopf, wodurch dieser eine blutende Platzwunde an der Oberlippe erlitt. Das Gezerre um das Notebook setzte sich fort, bis der Angeklagte davon abließ, weil er sein Interesse daran verloren hatte und sich entfernte.
2. Das Landgericht hat die Handlungen des Angeklagten lediglich als Bedrohung und als Körperverletzung gewertet. Wegen eines Wegnahmedeliktes hat es den Angeklagten nicht verurteilt, da ein solches nicht vollendet sondern nur versucht worden und der Angeklagte von einem Versuch strafbefreiend zurückgetreten sei.
II.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Urteils.
1. Das Landgericht hat seiner Prüfung, ob die Wegnahme des Laptops vollendet war, als der Angeklagte von dem Gegenstand abließ, einen zu engen Maßstab zugrunde gelegt. Die Annahme, die Wegnahmehandlung sei nicht vollendet gewesen, hält deshalb rechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach der Rechtsprechung ist die zur Vollendung des Diebstahls führende Wegnahme dann vollzogen, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft ist entscheidend, dass der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann (BGHSt 16, 271, 273 ff.) und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen (Fischer, StGB 55. Aufl. § 242 Rdn. 17 m. w. N.). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Anschauungen des täglichen Lebens (BGHSt 23, 254, 255). Einen bereits gesicherten Gewahrsam setzt die Tatvollendung nicht voraus.
Hiervon ausgehend lässt die Rechtsprechung bei handlichen und leicht beweglichen Sachen regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das offene Wegtragen des Gegenstands als Wegnahmehandlung genügen und weist in Fällen, in denen der Täter einen leicht zu transportierenden Gegenstand an sich gebracht hat, einer Person jedenfalls dann die ausschließliche Sachherrschaft zu, wenn sie den umschlossenen Herrschaftsbereich des Gewahrsamsinhabers verlassen hat (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1967, 896; BGHR StGB § 242 Abs. 1 Wegnahme 1; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 140, 141; Ruß in LK 11. Aufl. § 242 Rdn. 42). Daran ändert auch grundsätzlich die Beobachtung des auf frischer Tat betroffenen Täters nichts, da der Diebstahl keine heimliche Tat ist. Die Entdeckung des Täters gibt vielmehr nur die Möglichkeit, ihm die Sache wieder abzunehmen (vgl. BGHR StGB aaO).
Diese Grundsätze zugrunde gelegt, war die Wegnahme des Laptops jedenfalls spätestens vollendet, nachdem der Angeklagte mit ihm in der Hand das Ladenlokal und damit den Herrschaftsbereich des Gewahrsamsinhabers verlassen hatte. Dem steht - anders als dies das Landgericht meint (UA S. 19) - nicht entgegen, dass der Angeklagte den Gegenstand offen wegtrug und nicht am Körper oder in einer mitgeführten Tasche verborgen hatte. Dass der Angeklagte die alleinige tatsächliche Herrschaft über den Gegenstand hier bereits durch das bloße körperliche Ergreifen und Fortschaffen des Gegenstands erlangt hatte, ergibt sich schon daraus, dass der Ladeninhaber seine Verfügungsgewalt nur noch gegen den Willen des Angeklagten und unter Anwendung von körperlicher Gewalt wiederherstellen konnte (vgl. BGH MDR aaO). Die Verteidigung seines Besitzes durch den bisherigen Gewahrsamsinhaber erfuhr durch das Fortschaffen des Gegenstands aus seinem Herrschaftsbereich eine zusätzliche Erschwernis. Dem Umstand, dass es dem Angeklagten lediglich gelungen war, sich mit dem Laptop nur wenige Schritte von dem Ladenlokal zu entfernen, kommt deshalb in einem Fall wie dem vorliegenden keine entscheidende Bedeutung zu.
2. Der Rechtsfehler führt auf die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Obwohl die Feststellungen eine vollendete Wegnahme und damit einen vollendeten Diebstahl tragen, kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden, da auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls nach §§ 252, 249 StGB in Betracht kommt. Insoweit bedarf es jedenfalls zur subjektiven Tatseite weitere Feststellungen. Der Aufhebung unterliegt wegen des nicht ausschließbaren sachlichen Zusammenhangs mit der Wegnahmehandlung auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Bedrohung. Der neue Tatrichter wird deshalb Gelegenheit haben, den Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt einer Raubtat nach §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu prüfen.
III.
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Bedrohung.
Die getroffenen Feststellungen belegen weder das Vorliegen der objektiven noch der subjektiven Voraussetzungen des § 241 Abs. 1 StGB. Entgegen § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO geben die Urteilsgründe nicht die für erwiesen erachteten Tatsachen an, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden; eine Subsumtion wird nicht vorgenommen.
Das Urteil lässt weder erkennen, mit der Begehung welchen Verbrechens der Angeklagte den Zeugen M. bedroht hat, noch, aus welchen Umständen sich das Landgericht eine Überzeugung von dem Vorsatz des Angeklagten bei dessen Messereinsatz gebildet hat. Das bloße Halten eines kleinen Messers vor den Bauch des Geschädigten kann auch die Bedrohung nur mit einem Vergehen, z. B. einer Körperverletzung sein (vgl. zur subjektiven Seite BGHSt 17, 307 ff.; Träger/Schluckebier in LK 11. Aufl. § 241 Rdn. 14 m. w. N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
VAAAC-89371
1Nachschlagewerk: nein