BGH Urteil v. - II ZR 11/07

Leitsatz

[1] § 74 c HGB ist auf den Anspruch des Geschäftsführers einer GmbH auf Zahlung einer Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht entsprechend anwendbar.

Gesetze: HGB § 74 c

Instanzenzug: LG Bremen, 4 O 51/06 vom OLG Bremen, 4 U 22/06 vom

Tatbestand

Die Klägerin war Geschäftsführerin der beklagten GmbH. In ihrem Anstellungsvertrag war u. a. vereinbart:

"Frau S. verpflichtet sich, der Gesellschaft weder direkt noch indirekt Mandate abzuwerben oder anderen dabei behilflich zu sein, und zwar für zwei Jahre nach Ablauf des Dienstverhältnisses.

Die Gesellschaft gewährt Frau S. dafür eine Karenzentschädigung in Höhe von 50 % des zuletzt gezahlten Grund-Jahresgehalts."

Die Beklagte kündigte das Anstellungsverhältnis zum und zahlte der Klägerin bis einschließlich Oktober 2005 die vereinbarte Entschädigung. Mit der Klage forderte die Klägerin die Karenzentschädigung für November und Dezember 2005. Die Beklagte verlangte Zug um Zug Auskunft darüber, ob und in welchem Umfang die Klägerin seit anderweitigen Verdienst beziehe. Das Landgericht hat der Klage Zug um Zug gegen die Erteilung der Auskunft stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte ohne Einschränkung verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.

Gründe

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Beklagte kann von der Klägerin keine Auskunft über ihren anderweitigen Verdienst verlangen, weil er auf die Karenzentschädigung nicht anzurechnen ist. Ein Anspruch auf Auskunft, auch nach § 74 c Abs. 2 HGB, besteht nur, wenn ein anderweitiger Erwerb auf den Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung anzurechnen ist.

1. § 74 c Abs. 1 HGB, wonach sich der Handlungsgehilfe auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen muss, was er durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, ist auf den Anspruch des Geschäftsführers einer GmbH auf Zahlung einer Karenzentschädigung nicht entsprechend anwendbar (Sen. Urt. v. - II ZR 214/ 89, ZIP 1991, 797; Baumbach/ Hopt, HGB 33. Aufl. § 74 Rdn. 3; a. A. Bauer/ Diller, Wettbewerbsverbote 4. Aufl. Rdn. 751; dieselben BB 1995, 1134, 1137; dieselben GmbHR 1999, 885, 892; Thüsing, NZG 2004, 9, 12; Scholz/ Schneider, GmbHG 10. Aufl. § 43 Rdn. 135 b; Baumbach/ Hueck/ Zöllner/ Noack, GmbHG 18. Aufl. § 35 Rdn. 202; Ulmer/ Paefgen, GmbHG § 35 Rdn. 255).

a) Der Anrechnung des Erwerbs aus einer anderweitigen Verwertung der Arbeitskraft nach § 74 c Abs. 1 HGB liegt der Gedanke zugrunde, dem Arbeitnehmer keinen Anreiz für einen steten Arbeitsplatzwechsel oder gar für ein Leben ohne Arbeit zu bieten (Baumbach/ Hopt, HGB 33. Aufl. § 74 c Rdn. 1 und 2). Der Arbeitnehmer soll nicht zur Kündigung verleitet werden, allein um eine Karenzentschädigung beziehen zu können. Außerdem soll vermieden werden, dass der Arbeitnehmer übersichert wird und eine Karenzentschädigung erhält, obwohl er durch das Wettbewerbsverbot gar keine beruflichen Nachteile erleidet (MünchKommHGB/ v. Hoyningen-Huene 2. Aufl. § 74 c Rdn. 2; Röhricht/ v. Westphalen/ Wagner, HGB 2. Aufl. § 74 c Rdn. 1; Ebenroth/ Boujong/ Joost/ Strohn/ Boecken, HGB 2. Aufl. § 74 c Rdn. 2). Die Entlastung des Arbeitgebers von der Zahlung der Karenzentschädigung ist nicht der Zweck der Regelung, sondern nur deren ein Reflex. Von diesem Schutzzweck ist der GmbH-Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft nicht betroffen.

b) Gegen eine entsprechende Anwendung des § 74 c Abs. 1 HGB auf den Geschäftsführer spricht ferner, dass es sich bei ihm um eine speziell auf den zwingenden Charakter der Karenzentschädigung für den Handlungsgehilfen zugeschnittene Norm handelt. Ohne § 74 c Abs. 1 HGB könnte der Prinzipal die Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes auf die Entschädigung unter ihre Mindesthöhe nicht vereinbaren, ohne gegen die zwingende Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB zur Höhe der Karenzentschädigung zu verstoßen. Dem Geschäftsführer einer GmbH muss dagegen überhaupt keine Karenzentschädigung versprochen und später gezahlt werden (Sen. BGHZ 91, 1, 3; Sen. Urt. v. - II ZR 77/ 00, ZIP 2002, 709). Wird dennoch eine Entschädigung versprochen, können die Vertragsparteien ihre Höhe frei vereinbaren. Entsprechend unterliegen auch die Anrechnung und das Ausmaß der Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes der freien Vereinbarung, von der sich im übrigen die Gesellschaft durch die Entlassung des Geschäftsführers aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot auch einseitig lösen darf (Sen. Urt. v. - II ZR 140/ 91, ZIP 1992, 543).

c) Der Zweck der Karenzentschädigung gebietet nicht, anderweitigen Erwerb stets anzurechnen. Wie bei einem Arbeitnehmer kann mit der Zahlung einer Entschädigung an den Geschäftsführer der GmbH beabsichtigt sein, die Nachteile des Wettbewerbsverbots für das berufliche Fortkommen des Betroffenen auszugleichen. Dann kann es auch eine zweckgerechte Entscheidung der Gesellschaft sein, dem Geschäftsführer die Früchte zusätzlicher Anstrengungen zu belassen, die er unternehmen muss, um in seinem bisherigen Tätigkeitsgebiet bei Einhaltung des Wettbewerbsverbots weiter erwerbstätig zu sein oder sich ein neues Tätigkeitsfeld zu erschließen. Er steht in seiner Funktion eher einem Selbständigen gleich und muss - gerade bei einer Kunden- oder Mandantenschutzklausel - nach der Beendigung des Dienstverhältnisses häufig neue Kunden oder Mandanten gewinnen, um nicht gegen das Wettbewerbsverbot zu verstoßen. Der mit dem Wettbewerbsverbot verbundene Nachteil, dass mit den Kontakten zu den bisherigen Kunden oder Mandanten keine Einnahmen mehr erzielt werden können und dürfen, trifft ihn auch dann, wenn die Erweiterung des Kunden- oder Mandantenkreises, die bei ungestörtem Verlauf zudem möglicherweise zu zusätzlichen Einnahmen geführt hätte, gelingt. Die GmbH wird außerdem regelmäßig mit der Zahlung einer Karenzentschädigung einen Anreiz bieten wollen, erworbene Kenntnisse nicht anderweitig einzusetzen und keinen Gewinn aus Geschäftsgeheimnissen zu beziehen. Andere Einnahmen sind kein Grund, eine solche Prämie zu kürzen.

d) Die Anrechnung des anderweitigen Verdienstes auf die Karenzentschädigung entspricht auch nicht einem allgemeinen Rechtsgedanken, der auf den Geschäftsführer einer GmbH ebenso wie auf einen Handlungsgehilfen zutrifft. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass ein anderweitiger Erwerb auf eine vertraglich geschuldete Entschädigung anzurechnen ist. Leistungen Dritter lassen vertragliche Verpflichtungen grundsätzlich unberührt.

2. Auch die ergänzende Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages ergibt nicht, dass anderweitiger Verdienst der Klägerin auf die Karenzentschädigung anzurechnen ist. Die Parteien haben über eine solche Anrechnung keine Vereinbarung getroffen. Aus dem Vertrag lässt sich nicht entnehmen, was die Parteien zur Vereinbarung einer Karenzentschädigung veranlasst hat. Schon weil sie im Verfahren dazu nichts vorgetragen hat, ist auch eine ergänzende Vertragsauslegung im Sinne der Beklagten nicht möglich.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BB 2008 S. 1349 Nr. 26
DB 2008 S. 1558 Nr. 28
DStR 2008 S. 1394 Nr. 29
GmbH-StB 2008 S. 234 Nr. 8
GmbH-StB 2008 S. 258 Nr. 9
GmbHR 2008 S. 930 Nr. 17
NJW-RR 2008 S. 1421 Nr. 20
NWB-Eilnachricht Nr. 27/2008 S. 2516
SJ 2008 S. 40 Nr. 19
StuB-Bilanzreport Nr. 16/2008 S. 652
WM 2008 S. 1226 Nr. 26
ZIP 2008 S. 1379 Nr. 30
JAAAC-87233

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja