Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: ZPO § 531 Abs. 2; ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 544 Abs. 7
Instanzenzug: LG Berlin, 15 O 599/03 vom KG Berlin, 21 U 152/04 vom
Gründe
I.
Mit notarieller Erklärung vom gaben die Kläger ein Angebot zum Erwerb einer Eigentumswohnung in B. ab, das die Beklagte kurz darauf annahm. Dem Vertragsschluss vorausgegangen waren Gespräche mit dem Mitarbeiter S. der für die Beklagte tätigen Firma A. & C. , in denen den Klägern die Vorteile des Kaufs einer Eigentumswohnung als Kapitalanlage erläutert worden waren.
Mit der Behauptung, falsch beraten worden zu sein, verlangen die Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrages und die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz ihrer weiteren Schäden verpflichtet ist.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen; dagegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.
II.
1. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht durch die Zurückweisung des - erstmals in der Berufungsverhandlung erfolgten - Beweisantritts der Kläger für den Inhalt der Beratungsgespräche deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
a) Dem Gewährleistungsgehalt von Art. 103 Abs. 1 GG entnimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, von dem Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und auf Grund seiner abweichenden Ansicht einer Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (vgl. , NJW-RR 2006, 937 m.w.N.). Dabei muss der Hinweis so rechtzeitig erfolgen, dass darauf noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung reagiert werden kann (BVerfG NJW 2003, 2524).
Die Vorschrift des § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO, auf die sich das Berufungsgericht stützt, hat an dieser Verpflichtung nichts geändert (, juris). Danach sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in zweiter Instanz zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist (§ 531 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn das Berufungsgericht die Rechtslage abweichend von der Vorinstanz beurteilt und neuer Vortrag oder - wie hier - ein Beweisantritt erforderlich ist, um auf der Grundlage dieser Beurteilung zu obsiegen (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 139 Rdn. 17). Dabei kommt es nicht darauf an, ob das neue Angriffs- und Verteidigungsmittel schon in erster Instanz oder in der Berufungserwiderung hätte vorgebracht werden können. Die Parteien sollen durch die Vorschrift des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu Darlegungen und Beweisangeboten gezwungen werden, die vom Standpunkt des erstinstanzlichen Gerichts aus unerheblich sind (Senat, Urt. v. , V ZR 148/05, NJW-RR 2006, 1292, 1293).
b) Das Berufungsgericht ist seiner Pflicht, die Kläger darauf hinzuweisen, dass es die Rechtslage anders beurteilt als das Landgericht, nur unzureichend nachgekommen. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass es den Klägern in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht hat, ein Beratungsfehler könne sich - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht aus den erstellten Berechnungsbeispielen, sondern nur aus den vorangegangenen Gesprächen mit dem Berater S. ergeben. Den als Reaktion auf diesen Hinweis erfolgten Beweisantritt der Kläger für den Inhalt dieser Gespräche hätte es aber berücksichtigen müssen.
b) Der Beweisantritt ist entscheidungserheblich.
Wie das Berufungsgericht nicht verkennt, bildet die Ermittlung des monatlichen Eigenaufwands das Kernstück der von der Beklagten geschuldeten Beratung, da diese den Interessenten von der Möglichkeit überzeugen soll, das Objekt mit seinen Mitteln erwerben und halten zu können (Senat, BGHZ 156, 371, 377). Sollte der Zeuge S. den Klägern erklärt haben, sie könnten die Eigentumswohnung mit einer monatlichen Zuzahlung von nur 100 DM erwerben und war dies nach den im Zeitpunkt der Beratung erkennbaren Gegebenheiten falsch, läge ein zum Schadensersatz verpflichtender Beratungsfehler vor. Das gilt auch dann, wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, die Kläger hätten gewusst, dass sich dieser Betrag ohne die Prämien für die Lebensversicherung verstand.
Die Kläger berufen sich nämlich auch darauf, dass ihnen ein absehbarer Anstieg der monatlichen Belastung verschwiegen worden sei. Auch dies kann einen Beratungsfehler begründen. Der Verkäufer muss über im Zeitpunkt der Beratung absehbare ungünstige Veränderungen der in die Berechnung des monatlichen Aufwands eingestellten Einnahmen und Ausgaben aufklären (vgl. Senat, BGHZ 156, 371, 377; Urt. v. , V ZR 25/07, WM 2008, 89, 91 f. Rdn. 22; Urt. v. , V ZR 114/07, zur Veröffentlichung bestimmt). Demgemäß hätten die Kläger deutlich darauf hingewiesen werden müssen, dass der Zinssatz für das aufzunehmende Darlehen - und damit die monatliche Belastung - nach Ablauf von drei Jahren steigen wird, da das vorgesehene Disagio nach den Feststellungen des Landgerichts verwendet werden sollte, um die Zinsen (nur) für die ersten drei Jahre zu verringern.
c) Da sich die Kläger für den gesamten Hergang der Beratung auf den Zeugen S. berufen haben, wird dieser gegebenenfalls auch hierzu und zu den weiteren geltend gemachten Beratungsfehlern zu hören sein, auf die das Berufungsgericht infolge der Zurückweisung des Beweisantritts nicht eingegangen ist. Dazu zählt auch die - erhebliche - Behauptung der Kläger, ihnen sei versichert worden, sie könnten die Wohnung jederzeit zurückgeben, wenn sie nicht zufrieden seien. Ferner wird das Berufungsgericht die Erhebung der übrigen Beweise (Vernehmung des Zeugen K. und Parteivernehmung der Kläger) erwägen müssen.
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Fundstelle(n):
VAAAC-86727
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein