BGH Beschluss v. - III ZA 8/08

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 78 Abs. 1; ZPO § 114 Satz 1; ZPO § 520 Abs. 1; ZPO § 520 Abs. 3; ZPO § 522 Abs. 1; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 522 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 522 Abs. 2; ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1; ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2; ZPO § 522 Abs. 3; ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2

Instanzenzug: AG Schwabach, 8 C 1218/03 vom LG Nürnberg-Fürth, 4 S 9274/07 vom

Gründe

I.

Der Kläger ist Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg. Er verfolgt gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Arzthonorar in Höhe von 2.816,09 DM (= 1.439,84 €). Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, da seiner Auffassung nach die Forderung verjährt ist. Gegen dieses seinem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten am zugestellte Urteil hat der Kläger mit am beim Landgericht eingegangenem anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt und eine Berufungsbegründung sowie einen Prozesskostenhilfeantrag angekündigt. Der Kläger hat diesen Antrag persönlich mit am beim Berufungsgericht eingegangenem Schreiben gestellt. Dieses hat die Frist zur Berufungsbegründung auf Antrag des Klägervertreters bis zum verlängert. Eine Berufungsbegründung ist bislang nicht eingegangen.

Mit Beschluss vom hat das Gericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers für die Berufung abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da das Amtsgericht die geltend gemachte Forderung zutreffend als verjährt angesehen habe. Dieser Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt worden.

Durch Verfügung ebenfalls vom hat das Berufungsgericht den Parteien unter Bezugnahme auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO den Hinweis erteilt, die Berufung biete nach einstimmiger Auffassung der Kammer keine Aussicht auf Erfolg.

Mit am eingegangenem Schreiben hat der Kläger gegen den Beschluss, durch den ihm Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren versagt wurde, "sofortige Beschwerde" eingelegt. Dieses Rechtsmittel hat das als unzulässig verworfen, da es gegen die Entscheidung des Landgerichts als Berufungsgericht keine sofortige Beschwerde gebe. Das Rechtsmittel des Klägers sei auch nicht in eine Rechtsbeschwerde umzudeuten.

Mit Beschluss vom hat das Landgericht unter Bezugnahme auf § 522 Abs. 2 ZPO im Tenor die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung sei entgegen § 520 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig begründet worden: "Sie ist daher bereits unzulässig, § 522 Abs. 1 ZPO." Das Rechtsmittel "wäre" darüber hinaus auch unbegründet, da das Amtsgericht zu Recht von der Verjährung des eingeklagten Anspruchs ausgegangen sei. Die Rechtssache habe auch weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordere die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

Der Kläger beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde, eine Rechtsbeschwerde oder eine Revision gegen diesen Beschluss.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, § 114 Satz 1 ZPO.

1. Die Revision ist nur gegen Endurteile der Berufungsgerichte statthaft (§ 542 Abs. 1 ZPO). Die Nichtzulassungsbeschwerde findet nur gegen die Nichtzulassung der Revision in einem von der Berufungsinstanz erlassenen Endurteil statt (§ 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Kläger will jedoch eine im Beschlusswege ergangene Entscheidung des Berufungsgerichts anfechten, durch die seine Berufung zurückgewiesen wurde.

2. Die beabsichtigte Rechtsbeschwerde des Klägers wäre ebenfalls unzulässig.

a) Soweit der Beschluss des Berufungsgerichts vom als Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO (Zurückweisung der Berufung wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg) aufzufassen ist - wofür der Hinweis auf diese Bestimmung im Tenor spricht -, ist ein Rechtsmittel hiergegen unstatthaft. Gemäß § 522 Abs. 3 ZPO ist ein Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht anfechtbar.

b) Sollte der Beschluss hingegen als Verwerfung der Berufung als unzulässig gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO anzusehen sein - hierauf deutet hin, dass die Begründung zur Zulässigkeit der Berufung im Indikativ abgefasst ist, während die Ausführungen zur Verjährung im Konjunktiv gehalten sind -, wäre eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung zwar statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Das Rechtsmittel wäre allerdings im Übrigen nicht zulässig. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Insbesondere ist dem Kläger durch die (etwaige) Verwerfung seiner Berufung nicht der Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert worden (vgl. Senatsbeschluss vom - III ZB 72/03 - BGHReport 2004, 1102, 1103; - NJW 2004, 367, 368 m.w.N.). Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger die Frist zur Begründung der Berufung (§ 520 Abs. 2 ZPO) versäumt hat. Diese Frist lief nach Verlängerung durch die Vorsitzende der Berufungskammer am ab. Bis zu diesem Tag ist bei Gericht keine den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entsprechende Berufungsbegründungsschrift eingegangen. Entgegen der Ansicht des Klägers ändern an der Fristversäumnis im Ergebnis auch sein Prozesskostenhilfeantrag und sein Rechtsmittel gegen dessen Ablehnung nichts.

aa) Zwar stellt das - vom Kläger geltend gemachte - durch die Bedürftigkeit begründete wirtschaftliche Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der gemäß § 78 Abs. 1 ZPO notwendigen Vertretung zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, kein Verschulden der Partei dar, wenn sie alles in ihren Kräften Stehende und ihr Zumutbare getan hat, um die Frist zu wahren (z.B.: Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 233 Rn. 23, Stichwort Prozesskostenhilfe m.w.N.). Sie muss hierfür ein vollständiges Gesuch um Prozesskostenhilfe unter Verwendung der vorgeschriebenen Vordrucke und unter Beifügung aller erforderlichen Unterlagen innerhalb der Rechtsmittel- beziehungsweise Rechtsmittelbegründungsfrist beim zuständigen Gericht einreichen (z.B.: - FamRZ 2005, 2062 m.w.N.; Zöller/Greger aaO). Diese Voraussetzungen mag der Kläger erfüllt haben. Gleichwohl ist ihm die in diesem Fall in Betracht zu ziehende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 Abs. 1 ZPO) nicht zu gewähren.

Das Fristwahrungshindernis, dass sich eine Partei wegen finanziellen Unvermögens an der Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gehindert sehen durfte, entfällt, wenn - wie hier - die Prozesskostenhilfe versagt wird. Die Partei hat dann entsprechend § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO innerhalb eines Monats nach Fortfall des Hindernisses die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen und die versäumte Berufungsbegründung nachzuholen (Senatsbeschluss vom - III ZA 7/06 - NJW 2006, 2857 f, Rn. 4). Die Monatsfrist beginnt spätestens nach Ablauf von drei bis vier Tagen ab Zugang des die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlusses, in denen die Partei überlegen kann, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführt (z.B.: - VersR 1999, 1123, 1124; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 119 Rn. 60; Zöller/Greger, aaO, § 234 Rn. 8 jew. m.w.N.). Der die Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Berufungsgerichts ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt worden, so dass die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO spätestens am ablief. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger weder anwaltlich vertreten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt noch die versäumte Berufungsbegründung nachgeholt.

bb) Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine andere Beurteilung auch nicht aus der Tatsache, dass er gegen den die Prozesskostenhilfe für die Berufung versagenden Beschluss Beschwerde eingelegt hat. Diese Entscheidung des Landgerichts war aus den Gründen des nicht anfechtbar. Der Kläger hätte deshalb bereits aus der negativen Entscheidung des Landgerichts zur Prozesskostenhilfe die erforderlichen prozessualen Konsequenzen - Durchführung des Berufungsverfahrens auf eigene Kosten oder Absehen von der Rechtsverfolgung - ziehen müssen. Seine Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe konnte wegen der Nichtanfechtbarkeit von vornherein zu keiner ihm günstigen Entscheidung führen und deshalb den Beginn der Wiedereinsetzungsfrist nicht hinausschieben (vgl. Senatsbeschluss vom aaO S. 2858, Rn. 5).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
UAAAC-85229

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein