Leitsatz
[1] a) Im Falle der aktienrechtlichen Anfechtungsklage kann auch nach Inkrafttreten des UMAG v. der auf Klägerseite beitretende Aktionär sein nach § 66 ZPO erforderliches Interventionsinteresse am Obsiegen der unterstützten Partei schon allein damit begründen, dass ein stattgebendes Anfechtungsurteil gemäß § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ihm gegenüber Rechtskraft- und Gestaltungswirkung entfaltet.
b) Auch nach Inkrafttreten des UMAG unterliegt ein auf Seiten des Anfechtungsklägers beitretender Nebenintervenient wie bisher keiner besonderen aktienrechtlichen Beschränkung i. S. einer der Klagebefugnis gemäß § 245 Nr. 1 AktG entsprechenden "Nebeninterventionsbefugnis" (i. Anschl. an Senatsbeschluss v. II ZB 29/05, ZIP 2007, 1528 - z.V.b. in BGHZ 172, 136).
Gesetze: ZPO § 66; ZPO § 71 Abs. 1; AktG § 245 Nr. 1 (Fassung: UMAG v. , BGBl. I, S. 2802)
Instanzenzug: LG Frankfurt/Main, 3/5 O 111/06 vom OLG Frankfurt/Main, 5 W 17/07 vom
Gründe
I. Die 38 Kläger und die fünf Nebenintervenienten - darunter die beiden Rechtsbeschwerdeführer (nachfolgend: Nebenintervenient zu 41 und Nebenintervenientin zu 43) - sind Aktionäre der beklagten Aktiengesellschaft. Die Kläger haben jeweils Anfechtungsklage - und zum Teil hilfsweise Nichtigkeitsklage - gegen verschiedene Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 13./ erhoben. Während die Klägerin zu 23 mit der Anfechtungs-, hilfsweise Nichtigkeitsklage nur den Hauptversammlungsbeschluss zu TOP 2 angreift, wendet sich die Klägerin zu 27 mit entsprechenden Klageanträgen darüber hinaus gegen die Hauptversammlungsbeschlüsse zu TOP 3, 5 und 6 und zu weiteren TOP. Innerhalb der Frist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG hat der Nebenintervenient zu 41 seinen Beitritt zum Verfahren der Klägerin zu 23 unter Bezugnahme auf deren Vortrag erklärt, während die Nebenintervenientin zu 43 dem Rechtsstreit der Klägerin zu 27 hinsichtlich der Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 2, 3, 5 und 6 beigetreten ist; Nichtigkeitsgründe sind weder von diesen beiden Nebenintervenienten noch von den von ihnen unterstützten Hauptparteien geltend gemacht worden. Die Nebenintervenienten zu 41 und 43 haben - genauso wie die übrigen, nicht am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligten Nebenintervenienten - zwar an der Hauptversammlung der Beklagten vom 13./ teilgenommen, jedoch gegen die dort gefassten Beschlüsse keinen Widerspruch zur Niederschrift erklärt.
Durch Zwischen- und Schlussurteil vom hat das Landgericht sämtliche Nebeninterventionen zurückgewiesen, weil die Streithelfer mangels Erhebung eines Widerspruchs zur Niederschrift nicht "anfechtungsberechtigt" seien, und im Übrigen in der Hauptsache entschieden. Hinsichtlich der Hauptsacheentscheidung schwebt das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht. Die gegen die Zurückweisung ihrer Nebeninterventionen gerichteten sofortigen Beschwerden der Nebenintervenienten zu 41 und 43 hat das Oberlandesgericht unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.
II. Die den förmlichen Anforderungen des § 575 ZPO entsprechenden Rechtsbeschwerden der Nebenintervenienten zu 41 und 43 sind begründet und führen unter Änderung der vorinstanzlichen Entscheidungen zur Zulassung des Nebenintervenienten zu 41 auf Seiten der Klägerin zu 23 sowie der Nebenintervenientin zu 43 auf Seiten der Klägerin zu 27 (§ 71 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner gegenteiligen Entscheidung ausgeführt:
Die formgerecht beigetretenen Nebenintervenienten hätten zwar als Mitaktionäre der Kläger im Hinblick auf § 248 AktG grundsätzlich ein rechtliches Interesse am Streitbeitritt gemäß § 66 Abs. 1 ZPO. Gleichwohl seien ihre Nebeninterventionen unzulässig, da sie gegen die angefochtenen Beschlüsse keinen Widerspruch zur Niederschrift erklärt hätten; die für den Anfechtungskläger geltende Vorschrift über die Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 1 AktG gelte auch für die Nebenintervention auf Seiten des Anfechtungsklägers. Der Anspruch des beitrittswilligen Aktionärs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sei durch diese Beschränkung des Streitbeitritts nicht beeinträchtigt; die Nebenintervention dürfe von den Klagevoraussetzungen her nicht besser stehen als die Klage.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerden nicht stand.
Der Nebenintervenient zu 41 ist auf der Grundlage seiner am als Prozesshandlung wirksam gewordenen Streitbeitrittserklärung vom auf Seiten der Anfechtungsklägerin zu 23, die Nebenintervenientin zu 43 aufgrund ihres ebenfalls wirksam erklärten Streitbeitritts vom auf Seiten der Anfechtungsklägerin zu 27 zuzulassen, weil beide in ihrer Eigenschaft als Mitaktionäre der Beklagten ihr Interventionsinteresse glaubhaft gemacht haben (§§ 70, 71 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dabei unterlagen sie - abgesehen von der von ihnen jeweils eingehaltenen Nebeninterventionsfrist gemäß § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG [i.d.F. des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom , BGBl. I, S. 2802] - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keiner besonderen aktienrechtlichen Beitrittsbeschränkung im Sinne einer "Nebeninterventionsbefugnis" entsprechend § 245 Nr. 1 AktG.
a) Im Falle der aktienrechtlichen Anfechtungsklage kann - wie auch das Oberlandesgericht nicht verkennt - der auf Klägerseite beitretende Aktionär nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sein gemäß § 66 ZPO erforderliches Interventionsinteresse am Obsiegen der unterstützten Partei schon allein damit begründen, dass ein stattgebendes Anfechtungsurteil gemäß § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ihm gegenüber Rechtskraft- und Gestaltungswirkung entfaltet (vgl. nur Sen.Beschl. v. - II ZB 29/05, ZIP 2007, 1528 Tz. 9, 10 m.w.Nachw. - z.V.b. in BGHZ 172, 136).
b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Zulässigkeit des Beitritts der Nebenintervenienten zu 41 und 43 nicht deshalb zu verneinen, weil sie trotz ihres Erscheinens in der Hauptversammlung der Beklagten keinen Widerspruch zur Niederschrift gegen die von den - von ihnen jeweils unterstützten - Klägern (zu 23 bzw. zu 27) angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse gemäß § 245 Nr. 1 AktG erklärt haben. Die in § 245 Nr. 1 AktG geregelte Begrenzung der Anfechtungsbefugnis gilt zwar für den Anfechtungskläger, nach derzeit gültigem Gesetzesrecht jedoch nicht - entsprechend - für den Nebenintervenienten, der im Anfechtungsprozess auf Seiten des Anfechtungsklägers beitritt. Hierzu hat der Senat bereits im Beschluss vom (aaO Tz. 17-19) - der dem Beschwerdegericht bei seiner Entscheidung noch nicht zugänglich war - ausgeführt:
"§ 245 Nr. 1 AktG stellt zwar für die materielle Klagebefugnis des potentiellen Anfechtungsklägers ein entsprechendes Erfordernis auf; die Vorschrift ist jedoch insoweit nicht zugleich als eine prozessuale Einschränkung der "Nebeninterventionsbefugnis" mit der Folge konzipiert, dass eine Nebenintervention nur von einem in der Hauptversammlung erschienenen bzw. vertretenen Aktionär erhoben werden könnte, der gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Die Mitgliedschaft als Aktionär und die aus ihr fließenden Abwehr- und Kontrollrechte sind Sinn und Grundlage dafür, dem Nebenintervenienten die Beteiligung an einem fremden Anfechtungsprozess zu gestatten. Sein Interventionsinteresse ergibt sich - wie bereits dargelegt - aus der Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung des § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG und der daraus abzuleitenden Gewährleistung des rechtlichen Gehörs im fremden Anfechtungsprozess. Deshalb ist es für das Interventionsrecht eines Aktionärs unerheblich, ob er in der Hauptversammlung überhaupt erschienen ist oder ob er Widerspruch gegen den Hauptversammlungsbeschluss hat protokollieren lassen, mithin selbst klagebefugt gewesen wäre. ...Die Hypothese des Berufungsgerichts, dass der streitgenössische Nebenintervenient nicht besser gestellt sein dürfe als der Anfechtungskläger, verkennt die Unterschiede zwischen den beiden prozessualen Rechtsinstituten und lässt sich überdies weder aus der Zivilprozessordnung noch aus § 245 Nr. 1 AktG selbst ableiten; sie hätte zur - unvertretbaren - Folge, dass das Rechtsinstitut der Nebenintervention für diese Klage praktisch abgeschafft, der Aktionär mithin gezwungen wäre, selbst Anfechtungsklage zu erheben. Die Gleichsetzung der Anfechtungsbefugnis mit einer entsprechenden, im Gesetz nicht normierten "Nebeninterventionsbefugnis" entsprach daher jedenfalls nicht dem bis zum Inkrafttreten des UMAG geltenden "alten" Aktienrecht. ...
Der Gesetzgeber hat auch im UMAG keine Vorschrift dahingehend eingeführt, dass etwa die Regelung über die Anfechtungsbefugnis gemäß § 245 Nr. 1 AktG bezüglich des Erfordernisses des Widerspruchs zur Niederschrift durch den in der Hauptversammlung erschienenen Aktionär auch für den Nebenintervenienten gelten soll. Allerdings hat er für die Anfechtungsklage die Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 1 AktG um die sog. Vorbesitzzeitregelung erweitert. Hierauf bezogen enthält die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum UMAG den Hinweis, es bedürfe keiner ausdrücklichen Regelung im Gesetz, dass die Vorbesitzzeitregelung auch für die Nebenintervention zu gelten habe, es sei nicht ersichtlich, weshalb der Kläger in den Klagevoraussetzungen schlechter gestellt sein sollte als der Nebenintervenient (RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092 S. 27 zu Nr. 21). Es kann dahinstehen, ob diese Äußerung der Entwurfsverfasser eine taugliche gesetzliche Grundlage für die Übertragung jener Neuregelung zur Anfechtungsbefugnis eines Klägers auf das zivilprozessrechtliche Institut der Nebenintervention bilden kann, zumal die gegebene Begründung die grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Rechtsinstituten außer Betracht lässt, weil es für die Nebenintervention keine "Klagevoraussetzungen" gibt. Jedenfalls gibt diese - zudem rechtlich verschwommene - Äußerung der Regierungsbegründung keine Veranlassung dazu, das schon bislang geltende Gesetzesrecht der Anfechtungsbefugnis über die Pflicht des Aktionärs zum Erscheinen in der Hauptversammlung und zur Einlegung des Widerspruchs gegen den betreffenden Hauptversammlungsbeschluss (§ 245 Nr. 1 AktG a.F.) - entgegen dem bisher gebotenen Verständnis - gleichsam "rückwirkend" als eine (zugleich) die Nebenintervention beschränkende Regelung nach Art einer "Nebeninterventionsbefugnis" neu zu deuten und in einem derartigen Sinne auf den bereits vor Inkrafttreten des UMAG vollzogenen Beitritt des Nebenintervenienten anzuwenden. ..."
Der Kerngehalt dieser Aussagen ist nicht auf Altfälle von bereits vor Inkrafttreten des UMAG vollzogenen Beitritten von Nebenintervenienten - wie sie jener Entscheidung zugrunde lagen - beschränkt. Vielmehr ist die Rechtslage insoweit mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen (Neu-)Regelung über eine "Nebeninterventionsbefugnis", welche die Nebenintervention bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage entsprechend der Klagebefugnis gemäß § 245 Nr. 1 AktG einschränkt, auch nach Inkrafttreten des UMAG unverändert.
Die Beschränkungen des Anfechtungsrechts in §§ 245 Nr. 1, 246 Abs. 1 AktG betreffen allein die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Aktionär mit seinem Angriff gegen den Beschluss der Hauptversammlung Zugang zum Gericht findet, d.h. ob er die Gerichte überhaupt mit Aussicht auf eine Sachentscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses anrufen kann. Demgegenüber geht es bei der Nebenintervention um das rechtliche Gehör in einem bereits anhängigen Verfahren, dessen Ergebnis der Aktionär gemäß § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG gegen sich gelten lassen muss, ohne selbst den Zugang zum Gericht nachgesucht zu haben. Da § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG sämtliche Aktionäre der Rechtskraft des stattgebenden Anfechtungsurteils unterwirft, ist die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs in jenem Anfechtungsprozess im Wege der Nebenintervention verfassungsrechtlich unabdingbar (vgl. BVerfGE 60, 7, 14; vgl. auch M. Schwab, LMK 2007, 245988). Soweit die Regierungsbegründung zum UMAG dies unter Verkennung der grundlegenden Unterschiede zwischen Klage und Nebenintervention außer Betracht gelassen und eine Gleichbehandlung von Klagebefugnis und "Nebeninterventionsbefugnis" - rechtsirrig - als bereits geltendes Recht angesehen hat, kommt einer solchen Fehlvorstellung der Entwurfsverfasser ersichtlich keine Gesetzeskraft zu; ein etwa dahingehender Wille des Gesetzgebers hat - anders als etwa bei der neuen Nebeninterventionsfristregelung des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F - keinen Niederschlag in einer die bisherige wirkliche Gesetzeslage abändernden Norm gefunden.
III. Der Senat hat mit der Aufhebung der angefochtenen Beschwerdeentscheidung zugleich in der Sache selbst zu entscheiden, da nach dem festgestellten Sachverhalt der Zwischenstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO). Da die bloße Nichteinlegung eines Widerspruchs zur Niederschrift gegen die betreffenden Hauptversammlungsbeschlüsse auch nicht etwa den Vorwurf eines - den Beitritt hindernden - widersprüchlichen Verhaltens rechtfertigt, sind die Nebenintervenienten zu 41 und 43 ohne weiteres im beantragten Umfang gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 ZPO zuzulassen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AG 2008 S. 630 Nr. 17
BB 2008 S. 1629 Nr. 31
BB 2008 S. 2094 Nr. 39
DStR 2008 S. 1652 Nr. 34
WM 2008 S. 1400 Nr. 30
WPg 2008 S. 912 Nr. 18
QAAAC-85226
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja