BGH Urteil v. - X ZR 6/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 195; BGB § 831

Instanzenzug: LG Düsseldorf, 4a O 271/03 vom OLG Düsseldorf, I-20 U 155/04 vom

Tatbestand

Die Klägerin beauftragte die Beklagte am mit der Entwicklung einer Tankverschlussmechanik für die Baureihe ... (alle Modelle der ... ) der ... AG. Die Parteien hatten zuvor eine "Geheimhaltungsvereinbarung" geschlossen, in der es unter anderem heißt:

"I. Mit dem Geheimnisträger soll ein Federrückschlag-Ventil (nachfolgend Geheimhaltungsgegenstand genannt) für den K. der ... AG entwickelt werden.

II. Für diese Situation verpflichtet sich der Geheimnisträger über alle Einzelheiten des Geheimhaltungsgegenstandes sowie über alle weiteren T. - bzw. ... -bezogenen Informationen und Daten Stillschweigen zu bewahren. ... Dies gilt auch für alle Zweigniederlassungen oder andere Bereiche der T. GmbH.

...

Die Rechte an sämtlichen Ergebnissen der Entwicklungsarbeit, insbesondere Erfindungen und Know-how, die der Geheimnisträger im Rahmen des Entwicklungsauftrages erzielt, stehen ausschließlich dem Auftraggeber zu und sind nur mit dessen Zustimmung an Dritte weiterzugeben.

III. Bei Verletzung dieser Geheimhaltungsvereinbarung durch den Geheimhaltungsträger oder sein Personal übernimmt der Geheimnisträger gegenüber T. die Haftung für den der T. entstandenen Schaden, ohne die Möglichkeit, gemäß § 831 BGB den Entlastungsbeweis anzutreten.

..."

Am meldete die Beklagte einen Einfüllstutzen für einen Treibstofftank mit auf die Bleifreikappe aufgeschweißter Feder als Gebrauchsmuster an. Die Eintragung erfolgte am ; sie wurde am bekannt gemacht.

Die Klägerin macht geltend, die Gebrauchsmusteranmeldung verstoße gegen die Geheimhaltungsvereinbarung. Mit ihrer Klage hat sie die Übertragung des Gebrauchsmusters sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte ihr allen Schaden zu ersetzen habe, der ihr aus der Offenbarung der Informationen und Daten bezüglich der Entwicklung der Verschlussmechanik für den K. der ... AG durch die Anmeldung des Gebrauchsmusters entstanden ist und noch entstehen wird.

Das Landgericht hat dieser Klage in vollem Umfang stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte, nur soweit ihre Schadensersatzpflicht festgestellt worden ist, Berufung eingelegt, die ohne Erfolg geblieben ist. Mit ihrer Revision, die der Senat zugelassen hat, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision.

1. Das Berufungsgericht hat, dem Landgericht folgend, den Feststellungsantrag für zulässig gehalten. Im gewerblichen Rechtsschutz bestehe ein Feststellungsinteresse auch dann, wenn der Kläger den ersatzfähigen Schaden bereits bei Klageerhebung hätte abschließend beziffern können. Dies gelte auch für den im gewerblichen Rechtsschutz atypischen Fall, in dem die Frage des Umfangs der Verletzung von Schutzrechten durch den Verletzer keine Rolle spiele, sondern die Schadenshöhe allein mit Tatsachen aus der Sphäre des Verletzten begründet werden solle. Auch dann reiche es vielfach aus, wenn das Gericht die Verpflichtung des Verletzers dem Grunde nach ausspreche. Es bestehe auch ein Interesse der Klägerin an einer alsbaldigen Feststellung im Hinblick auf die kurze Verjährungsfrist des § 195 BGB.

Dies hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Allerdings fehlt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Feststellungsinteresse grundsätzlich dann, wenn ein Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann (, GRUR 2001, 1177 f. - Feststellungsinteresse II; Urt. v. - I ZR 277/00, GRUR 2003, 900, 901 - Feststellungsinteresse III; Urt. v. - VI ZR 123/95, NJW 1996, 2725, 2726). Ebenso ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch anerkannt, dass keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage besteht, eine Feststellungsklage vielmehr trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig ist, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt ( aaO; Urt. v. , aaO, jeweils m.w.N. und die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Musielak/Förster, ZPO, 6 Aufl., § 256 Rdn. 18 ff.). Insbesondere ist die Erhebung einer Feststellungsklage zulässig, wenn die Schadensentwicklung im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgeschlossen ist, was hier jedenfalls für den geltend gemachten im Ausland eingetretenen Schaden zu bejahen ist. Selbst wenn in einem solchen Fall in der Berufungsinstanz eine Bezifferung möglich wird, braucht der Kläger nicht auf eine Leistungsklage überzugehen, die Feststellungsklage bleibt vielmehr zulässig ( - NJW 2006, 439, 440 mit Hinw. auf die st. Rspr.).

2. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin sei mit einer die Feststellung einer Schadensersatzpflicht rechtfertigenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden. Es genüge, dass nach der Lebenserfahrung der Eintritt des Schadens mit einiger Sicherheit zu erwarten sei. Es könne offenbleiben, ob der Klägerin im Ausland hinreichend wahrscheinlich ein ersatzfähiger Schaden entstanden sei und ob insoweit die Klägerin ein Mitverschulden treffe. Ein ersatzfähiger Schaden sei der Klägerin jedenfalls hinreichend wahrscheinlich im Inland entstanden. Die Klägerin habe nämlich die Erfindung infolge der Eintragung und Veröffentlichung des Gebrauchsmusters im Inland nicht ungestört nutzen können. Insoweit treffe die Klägerin auch kein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens; ob hinsichtlich einzelner Schadenspositionen ein Mitverschulden in Betracht komme, sei nicht zu prüfen, weil das Feststellungsurteil insoweit keine Aussage treffe.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht hat den Schaden, für den die Beklagte einzustehen habe, darin gesehen, dass die Klägerin die Erfindung infolge der Eintragung und Veröffentlichung des Gebrauchsmusters im Inland nicht ungestört habe nutzen können. Dies ist aber nicht der Schaden, der nach dem dem Wortlaut des Klageantrags entsprechenden Tenor des vom Berufungsgericht bestätigten landgerichtlichen Urteils zugesprochen worden ist. Festgestellt ist eine Ersatzpflicht der Beklagten für die der Klägerin aus der Offenbarung der Informationen und Daten bezüglich der Entwicklung der Verschlussmechanik für den K. der ... AG durch die Anmeldung des Gebrauchsmusters entstandenen Nachteile. Die Rechtsnachteile, die darin bestehen, dass die Klägerin die Erfindung infolge der Eintragung und Veröffentlichung des Gebrauchsmusters im Inland nicht ungestört nutzen konnte, resultieren daraus, dass die Beklagte sich nach dem Klägervortrag durch die Anmeldung und Eintragung des Gebrauchsmusters eine diese Nutzung ausschließende Rechtposition verschafft hat, nicht jedoch aus der Veröffentlichung der der Gebrauchsmusteranmeldung zugrunde liegenden Lehre. Diese Nachteile sind daher nicht identisch mit dem im Urteilstenor bezeichneten Schaden, der aus der Offenbarung von Informationen und Daten durch die Anmeldung des Gebrauchsmusters entstanden ist.

Für eine Auslegung des Klageantrags im Sinne der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung fehlt es an einer tragfähigen Grundlage. Der Klageantrag kann jedenfalls soweit es um den im Ausland entstandenen Schaden geht, auch bei einem seinem Wortlaut entsprechenden Verständnis durchaus sinnvoll sein, weil infolge der Offenbarung von Informationen eine Anmeldung von Schutzrechten nicht mehr möglich ist. Außerdem hat das Landgericht in seinem Urteil darauf abgestellt, dass der Eintritt eines Schadens durch die Offenbarung von Informationen entstanden sei. Wäre es der Klägerin nicht um diesen Schaden gegangen, hätte daher für sie Veranlassung bestanden, den Antrag entsprechend zu ändern, was jedoch nicht geschehen ist. Unter diesen Umständen war es insbesondere für den Gegner, der sich gegen den Klageantrag verteidigen können muss, nicht ersichtlich, dass der Klageantrag im Sinne der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung zu verstehen war.

b) Das Berufungsgericht hat außerdem nicht geklärt, ob die von der Beklagten bewirkte Gebrauchsmusteranmeldung ursächlich dafür war, dass die Klägerin neue Entwicklungsarbeiten leisten musste. Das Berufungsgericht hat es für hinreichend wahrscheinlich gehalten, dass die Klägerin mit Aufwand eine Ersatzlösung habe suchen müssen. Dies genügt nicht für die Begründung der Kausalität zwischen der vom Berufungsgericht angenommenen Pflichtverletzung der Beklagten und dem Schaden, denn die Beklagte hat vorgetragen, die den Gegenstand des Gebrauchsmusters bildende Erfindung sei für die ... AG wertlos gewesen, sie habe diese Lösung nicht akzeptiert, sondern auf Entwicklung einer anderen Lösung bestanden. Dieses Vorbringen durfte das Berufungsgericht nicht unberücksichtigt lassen und es gleichwohl für hinreichend wahrscheinlich halten, dass die weiteren Entwicklungsarbeiten durch die Pflichtverletzung der Beklagten herbeigeführt worden seien. Es hätte vielmehr Feststellungen zur Kausalität zwischen der angenommenen Pflichtverletzung der Beklagten und dem im Tenor bezeichneten Schaden der Klägerin treffen müssen.

Aus diesen Gründen ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

3. Das Berufungsgericht wird in diesem Zusammenhang auch über das Mitverschulden der Klägerin neu zu entscheiden haben. Der Urteilstenor umfasst ohne Einschränkung allen Schaden, den die Klägerin erlitten hat. Das Berufungsgericht hat sich jedoch, soweit es um den Auslandsschaden geht, der durch diesen Tenor umfasst wird, nicht mit der Frage des Mitverschuldens auseinandergesetzt, sondern diese Frage ausdrücklich offengelassen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die Rechtskraft eines Feststellungsurteils, in dem die Schadensersatzpflicht des in Anspruch genommenen Schädigers zum Ersatz allen durch das schädigende Ereignis verursachten Schadens festgestellt worden ist, dazu, dass Einwendungen, die das Bestehen des festgestellten Anspruchs betreffen und sich auf Tatsachen stützen, die schon zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Das schließt insbesondere die Geltendmachung eines Mitverschuldens des Klägers im späteren Verfahren über die Höhe des Schadens aus. Anders als beim Erlass eines Grundurteils müssen solche Einwendungen, die den Grund des Schadensersatzanspruchs betreffen, beim Erlass des Feststellungsurteils beschieden werden (, NJW 2003, 2986; Urt. v. - VI ZR 145/96, NJW 1997, 3176; Urt. v. - VI ZR 279/87, NJW 1989, 105). Gegenstand der Feststellung ist die Verpflichtung zum Ersatz aller entstandenen Schäden, mithin auch solcher, hinsichtlich derer ein Mitverschulden in Betracht kommt. Soweit die Verletzung der Schadensminderungspflicht dem Schadensersatzanspruch insgesamt oder zum Teil entgegenstehen könnte, muss deshalb die beklagte Partei dies gegenüber dem Feststellungsbegehren des Klägers geltend machen, weil dadurch der Grund der Forderung in Frage gestellt wird. Diesen Gesichtspunkt wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, soweit Mitverschulden hinsichtlich einzelner Schadenspositionen des Inlandsschadens geltend gemacht wird (, VersR 2005, 1159, 1160).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BAAAC-83932

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein