Leitsatz
[1] Beantragt eine unbemittelte Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist für eine Rechtsbeschwerde, läuft die Frist für deren Begründung ab der Bekanntgabe der Gewährung von Prozesskostenhilfe und nicht erst ab Bekanntgabe der Bewilligung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einlegungsfrist (Abgrenzung zu , NJW 2007, 3354, für BGHZ 173, 14).
Gesetze: ZPO § 234 Abs. 2 B; ZPO § 575
Instanzenzug: AG Bochum, 80 IN 691/03 vom LG Bochum, 10 T 54/06 vom
Gründe
I.
Dem Schuldner wurde die von dem Amtsgericht angekündigte Restschuldbefreiung auf die sofortige Beschwerde eines Gläubigers durch ihm zugegangen am - versagt. Der Senat hat dem Schuldner auf seinen am eingegangenen Antrag durch Beschluss vom Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss gewährt und Rechtsanwältin Dr. Genius-Devime beigeordnet. Im Anschluss an die am erfolgte Zustellung des Senatsbeschlusses an den Schuldner hat seine Verfahrensbevollmächtigte durch Schriftsatz vom Rechtsbeschwerde eingelegt und ohne weitere Begründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Auf am zugegangenen Hinweis des Berichterstatters, dass eine Begründung der Rechtsbeschwerde nicht vorliege und darum eine Verwerfung des Rechtsmittels beabsichtigt sei, hat der Schuldner am Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragt und das Rechtsmittel gleichzeitig begründet.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde hat Erfolg, weil der Schuldner beide Fristen ohne Verschulden nicht gewahrt hat (§§ 233, 234 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1, § 575 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1 ZPO).
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist ist begründet.
Mit der am bewirkten Zustellung des Senatsbeschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. Genius-Devime ist das Hindernis für die Einhaltung der Rechtsbeschwerdefrist entfallen (§ 234 Abs. 2 ZPO). Die Wiedereinsetzungsfrist für die Einlegung eines Rechtsmittels beträgt zwei Wochen (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Schuldner hat mit dem Schriftsatz vom fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Rechtsbeschwerde eingelegt. Im Blick auf die wegen seiner Vermögenslosigkeit versäumte Einlegungsfrist ist dem Schuldner folglich Wiedereinsetzung zu gewähren.
2. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde stattzugeben. Eine Begründung der Rechtsbeschwerde ist zwar erst durch den Schriftsatz vom und damit nach Ende der am in Lauf gesetzten Monatsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) erfolgt. Die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde wurde entgegen der Auffassung des Schuldners mit der Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und nicht erst mit der (durch die vorliegende Entscheidung bewirkten) Gewährung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einlegungsfrist ausgelöst. Die Versäumung der einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist beruht aber nicht auf einem Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten, weil der Senat in einem anderen Verfahren (IX ZB 142/07) noch die Ansicht vertreten hatte, dass die Begründungsfrist auch für eine Rechtsbeschwerde erst mit der Gewährung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einlegungsfrist beginnt.
a) Im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird die einmonatige Frist zur Begründung der Berufung (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nicht bereits ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung, sondern ab der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist in Gang gesetzt. Bei einem früheren Fristbeginn würde die unbemittelte im Vergleich zu einer bemittelten Partei benachteiligt, weil deren Anwalt ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung unter Einschluss der Einlegungsfrist faktisch einen Zeitraum von zwei Monaten für die Fertigung der Begründung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ausschöpfen kann. Da erst nach Einlegung einer Berufung Veranlassung für ihre Begründung besteht, ist § 234 Abs. 2 ZPO zwecks Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Berufungsklägern bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes dahin auszulegen, dass die Ursache der Verhinderung für die Einreichung der Berufungsbegründung nicht die Mittellosigkeit der Partei ist, sondern die fehlende Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist (, NJW 2007, 3354 ff, zur Veröffentlichung in BGHZ 173, 14).
b) Diese Grundsätze sind auf die Bestimmung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist im Rahmen von Wiedereinsetzungsanträgen nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht übertragbar. Vielmehr läuft die Begründungsfrist mit Bekanntgabe der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
aa) Im Unterschied zur Berufung (und Revision) ist bei der Rechtsbeschwerde nicht zwischen zeitlich voneinander abweichenden Einlegungs- und Begründungsfristen zu differenzieren. Vielmehr ist die Rechtsbeschwerde innerhalb eines Monats sowohl einzulegen (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) als auch zu begründen (§ 575 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO). Mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe entfällt folglich das Hindernis für die Einhaltung der beiden gleich laufenden Fristen. Die Einlegung muss innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO und die Begründung innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 nachgeholt werden. Damit wird - was Ziel der Einführung des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO in seiner jetzigen Fassung war (BT-Drucks. 15/1508 S. 17) - eine unbemittelte Partei im Blick auf die Länge der Begründungsfrist einer bemittelten Partei exakt gleichgestellt.
bb) Würde die Begründungsfrist erst mit der Gewährung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einlegungsfrist ihren Anfang nehmen (vgl. , NJW 2003, 2782 f), wäre eine unbemittelte erheblich günstiger als eine bemittelte Partei gestellt, weil die Begründungsfrist nicht der Einlegungsfrist entspräche, sondern deutlich später anliefe (vgl. aaO S. 3356 Tz. 19). Abweichend von den Rechtsmitteln der Berufung und Revision besteht bei einer Rechtsbeschwerde für eine bemittelte ebenso wie eine unbemittelte Partei bereits während der gesamten Dauer der Einlegungsfrist Anlass zur Fertigung der Beschwerdebegründung. Erleidet die unbemittelte Partei durch den an die Gewährung von Prozesskostenhilfe anknüpfenden Fristbeginn im Vergleich zu einer bemittelten Partei keinen Nachteil, ist kein Grund ersichtlich, den Beginn von Einlegungs- und Begründungsfrist zeitlich abweichend festzulegen (vgl. BGH aaO Rn. 22 f).
3. Dem Schuldner ist trotz Nichtbeachtung der Begründungsfrist Wiedereinsetzung zu bewilligen. Denn in einem anderen Verfahren des Senats (IX ZB 142/07) wurde angenommen, dass die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde ab dem Zeitpunkt der Bewilligung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einlegungsfrist läuft. Da der Schuldner und seine Verfahrensbevollmächtigte auf eine solche Handhabung auch in vorliegender Sache vertrauen durften, lag bis zur Mitteilung des Berichterstatters kein Verschulden vor.
Anschließend wurde das Rechtsmittel binnen der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO begründet, so dass auch Wiedereinsetzung gegen die schuldlose Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 1517 Nr. 29
NJW 2008 S. 3500 Nr. 48
WM 2008 S. 1715 Nr. 36
ZIP 2008 S. 1349 Nr. 29
GAAAC-83900
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja