Haftungsauslösendes grobes Verschulden eines Geschäftsführer durch Nichteinschaltung eines Steuerberaters zur Beurteilung
der Umsatzsteuerfolgen eines Forderungsverzichts
Inhaltliche Bestimmtheit eines Umsatzsteuerhaftungsbescheids
Erlass eines Haftungsbescheids wegen Jahresumsatzsteuer vor Ergehen des Jahressteuerbescheids zulässig
Berücksichtigung der Lohnsteuer bzw. der Anfechtung eines Forderungsverzichts der Gläubiger des Steuerschuldners bei der Berechnung
der Umsatzsteuerhaftung nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung
§ 13c UStG bei Steuerentstehung vor nicht anwendbar
Leitsatz
1. Hat eine finanziell angeschlagene GmbH hinsichtlich ihrer Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen in Millionenhöhe
einen Forderungsverzicht der verbundenen Unternehmen gegen Besserungsschein vereinbart, so haftet der Geschäftsführer der
GmbH gemäß § 69 AO aufgrund grob fahrlässiger Pflichtverletzung nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung für nicht angemeldete
und später ausgefallene Umsatzsteuer, wenn er die Umsatzsteuervoranmeldung der GmbH für das Quartal des Forderungsverzichts
durch eine Buchhalterin hat erstellen lassen, ohne sich bei einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe über die umsatzsteuerlichen
Auswirkungen des Forderungsverzichts zu informieren, wenn deswegen die aus dem Forderungsverzicht der Gläubiger herrührende
Korrektur des Vorsteuerabzugs der GmbH nach § 17 UStG nicht angemeldet worden ist, für die Umsatzsteuerrückzahlung ans Finanzamt
auch keine finanziellen Rücklagen gebildet worden sind und die GmbH später zur Nachzahlung dieser Umsatzsteuer nicht mehr
in der Lage ist. Der Geschäftsführer kann die unterlassene Einschaltung eines Steuerexperten nicht haftungsbefreiend damit
rechtfertigen, dass er kurz vor dem Forderungsverzicht eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit einem Gutachten über die weitere
Kapitaldienstfähigkeit der GmbH beauftragt hat, die Verbindlichkeiten gegenüber den verbundenen Unternehmen Gegenstand des
Gutachtens waren und das Gutachten keine Aussagen zu den umsatzsteuerlichen Konsequenzen des Forderungsverzichts enthielt.
2. Ein Umsatzsteuer-Haftungsbescheid, der als Haftungsansprüche mehrere Voranmeldungszeiträume und die Jahresumsatzsteuer
aufführt, ist auch dann nicht inhaltlich unbestimmt, wenn nach einer Umsatzsteuersonderprüfung die Prüfungsfeststellungen
aus technischen Gründen in einem unzutreffenden Quartal zusammengefasst worden sind und das so im Haftungsbescheid nachvollzogen
wurde, wenn sich aber aus der Begründung des Haftungsbescheid ergibt, dass der Haftungsschuldner im Ergebnis für die Jahresumsatzsteuer
in Anspruch genommen werden sollte.
3. Die Finanzbehörde kann auch nach Ablauf des Jahresbesteuerungszeitraums und auch nach Erlass eines Jahresumsatzsteuerbescheides
noch Haftungsbescheide für einzelne Voranmeldungszeiträume erlassen; sie ist nach Ablauf des Veranlagungszeitraums auch dann
schon berechtigt, Haftungsansprüche wegen der Jahresumsatzsteuer geltend zu machen, wenn noch kein Jahressteuerbescheid gegen
den Steuerschuldner ergangen ist.
4. Nimmt das Finanzamt den Haftungsschuldner wegen des Ausfalls von Umsatzsteuer nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung
in Anspruch, ist im Rahmen der Berechnung der Tilgungsquote die im Haftungszeitraum getilgte Lohnsteuer weder bei den Gesamtverbindlichkeiten
noch bei den geleisteten Zahlungen zu berücksichtigen. Wird ein von Gläubigern des Steuerschuldners zunächst gewährter Forderungsverzicht
nach Ablauf des Haftungszeitraums durch eine Anfechtung bestritten, ist die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten im Haftungszeitraums
um die Anfechtungsansprüche zu erhöhen (Ausführungen zum Beginn des Haftungszeitraums und zur Berechnung der Haftungsquote
und des Haftungsbetrags).
5. § 13c UStG kommt nicht zur Anwendung, wenn die Umsatzsteuerforderungen bereits vor dem entstanden sind.
Tatbestand
Fundstelle(n): EFG 2008 S. 1519 Nr. 19 YAAAC-81642
Preis: €5,00
Nutzungsdauer: 30 Tage
Online-Dokument
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 08.05.2008 - 7 B 9161/05 B
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