BFH Beschluss v. - VII B 74/07

Ersatzzustellung einer Aufforderung zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses und der eidesstattlichen Versicherung an die stundenweise beschäftige Haushaltshilfe; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei nicht eindeutig lesbarem Zustellungsdatum

Leitsatz

Die nach § 284 Abs. 6 Satz 1 AO an den Vollstreckungsschuldner selbst vorzunehmende Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kann auch in der Form der Ersatzzustellung "an einen zu der Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende erwachsene Person" (gem. § 3 Abs. 3 VwZG i. V. mit § 181 Abs. 1 ZPO jeweils in der bis zum geltenden Fassung) bewirkt werden. Auch an eine Raumpflegerin, die auf Dauer, wenn auch nur stundenweise, im Haushalt des Adressaten beschäftigt ist, kann hierdurch wirksam zugestellt werden.

Gesetze: AO § 122 Abs. 5, AO § 284, VwZG § 3, ZPO § 181, AO § 110

Instanzenzug:

Gründe

I. Nach mehreren vergeblichen Vollstreckungsversuchen wegen rückständiger Steuerforderungen forderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit Verwaltungsakten vom zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses auf und lud ihn zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 284 der Abgabenordnung (AO) am . Laut Angaben auf der Postzustellungsurkunde wurde der Umschlag mit diesen Verwaltungsakten „in der Wohnung (des Klägers) einem zu seiner Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen/im Dienst der Familie stehenden Erwachsenen” am übergeben. Das auf dem Briefumschlag der Postzustellungsurkunde handschriftlich vermerkte Zustellungsdatum kann als 14. oder gelesen werden. Die Postzustellungsurkunde kam zu den Akten des FA am zurück. Mit Schreiben vom , eingegangen per Fax am selben Tag, legte der Kläger Einspruch gegen die Verwaltungsakte ein. Auf den Hinweis, dass der Einspruch verspätet sei, gab der Kläger an, er habe den Brief erst am , dem Tag seiner Rückkehr von einer Reise, erhalten und auf dem Umschlag sei als Zustellungsdatum der vermerkt gewesen. Die Einspruchsfrist sei also gewahrt, jedenfalls sei ihm aus den genannten Gründen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Während des Einspruchsverfahrens führte das FA eine fruchtlose Pfändung beim Kläger durch und beantragte danach die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers. Mangels Masse wurde dies abgelehnt.

Das FA wies den Einspruch wegen Versäumung der einmonatigen Einspruchsfrist als unzulässig zurück (§ 358 AO). Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigten, lägen nicht vor. Für die vom Kläger behauptete Geschäftsreise habe er keinerlei Nachweise erbracht. Gleiches gelte auch für die Behauptung des Klägers, auf dem Briefumschlag der Postzustellungsurkunde sei als Bekanntgabedatum der Verwaltungsakte der vermerkt worden. Im Übrigen hätten die Voraussetzungen zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung vorgelegen und das Ermessen sei aufgrund der Dauer und des negativen Verlaufs der bisherigen Vollstreckung und wegen der Höhe der Rückstände sachgerecht ausgeübt worden.

Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für gegeben. Die mögliche Verspätung des Einspruchs ließ es deswegen offen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, die er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO) stützt. Der Kläger hält die von ihm sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob die von ihm nach der streitigen Aufforderung des FA unterzeichnete Niederschrift über die fruchtlose Pfändung, das von ihm im Rahmen des Insolvenzverfahrens erstellte Verzeichnis über seine Vermögensverhältnisse und das im Insolvenzverfahren erstellte Sachverständigengutachten vergleichbare Quellen zu einem vom FA verlangten Vermögensverzeichnis darstellen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Beschwerde scheitert nicht schon daran, dass der Kläger den Einspruch gegen den streitigen Bescheid verspätet eingelegt hat.

Dem Tatbestand des FG-Urteils ist zu entnehmen, dass der Postbedienstete in der Postzustellungsurkunde —unstreitig— bescheinigt hat, das angefochtene Schriftstück in der Wohnung des Klägers einem zu dessen Familie gehörenden Hausgenossen bzw. im Dienst der Familie stehenden Erwachsenen am übergeben zu haben. Damit ist die nach § 284 Abs. 6 Satz 1 AO an den Vollstreckungsschuldner selbst vorzunehmende Zustellung, die sich gemäß § 122 Abs. 5 Satz 2 AO nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) richtet, in der Form der Ersatzzustellung „an einen zu der Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende erwachsene Person” (gemäß § 3 Abs. 3 VwZG i.V.m. § 181 Abs. 1 der ZivilprozessordnungZPO— jeweils in der bis zum geltenden Fassung) bewirkt worden. Auch an eine Raumpflegerin, die auf Dauer, wenn auch nur stundenweise, im Haushalt des Adressaten beschäftigt ist, kann hierdurch wirksam zugestellt werden (Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, Zivilprozessordnung, 66. Auflage, § 178 Rz 13).

Dadurch, dass das Zustellungsdatum auf dem zugestellten Briefumschlag als 14. oder gelesen werden kann, wird der durch die Postzustellungsurkunde (öffentliche Urkunde i.S. von § 418 Abs. 1 ZPO) geführte Beweis des Zugangsdatums nicht zweifelhaft. Denn der vom FG festgestellte Rücklauf der Postzustellungsurkunde beim FA am zeigt, dass die Zustellung nicht erst am stattgefunden haben kann.

Die Rechtsbehelfsfrist von einem Monat begann nach alledem am zu laufen und endete mit Ablauf des . Das Einspruchsschreiben ist dem FA erst am zugegangen, so dass der Einspruch damit verspätet eingelegt worden ist.

Dem Kläger war aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 AO). Es mag dahinstehen, ob die Rückkehr von der berufsbedingten Reise erst am als Entschuldigung für die Fristversäumnis ausreichend i.S. des § 110 Abs. 2 Satz 2 AO nachgewiesen ist (vgl. dazu Senatsbeschluss vom VII B 234/91, BFH/NV 92, 578; Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 110 Rz 6). Jedenfalls ist nicht zu widerlegen, dass er aufgrund des auf dem Briefumschlag vermerkten und nach den Feststellungen des FG zu Zweifeln Anlass gebenden, nicht eindeutigen Zustellungsdatums angenommen hat, der Brief sei am zugestellt worden.

2. Es kann dahinstehen, ob der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Rechtsfrage in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt hat; jedenfalls ist die Beschwerde deshalb unbegründet, weil die aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsfähig ist. Zum einen lagen dem FA nach den vom Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG mit dem Protokoll über die fruchtlose Pfändung und dem Insolvenzgutachten keine vom Kläger selbst abgegebenen Erklärungen —wie sie im Vermögensverzeichnis gefordert sind— vor. Zum anderen war das FA nach Auffassung des FG wegen des bis zur mündlichen Verhandlung abgelaufenen Zeitraums und der zwischenzeitlich möglicherweise aufgenommenen geschäftlichen Aktivitäten des Klägers berechtigt, die aktuellen Vermögensverhältnisse des Klägers zu erfahren. Die vom Kläger problematisierte Fallkonstellation lag —nach Auffassung des FG— nicht vor oder konnte jedenfalls dem FA wegen des Zeitablaufs nicht mehr entgegengehalten werden.

Ob diese Rechtsauffassung des FG materiell-rechtlich zutrifft, ist für die Beurteilung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht entscheidend. Auch berechtigte Zweifel daran, insbesondere was die Berücksichtigung der nach Ergehen der Einspruchsentscheidung eingetretenen wirtschaftlichen Entwicklung beim Kläger oder die Bewertung der aus dem Insolvenzgutachten sich ergebenden Erkenntnisse angeht, rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Zwar eröffnet § 115 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alternative FGO die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch dann, wenn das Urteil des FG an einem derart schwerwiegenden Fehler leidet, dass es willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. Beschlüsse des , BFH/NV 2004, 166; vom III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474). Dafür bietet aber weder die Beschwerde Anhaltspunkte, noch sind solche sonst ersichtlich.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1105 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 24/2008 S. 2213
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2008 S. 4
UAAAC-80278