Leitsatz
[1] Bei Gesamtversorgungszusagen kann eine Anpassung wegen Äquivalenzstörung nur dann verlangt werden, wenn der bei Schaffung des Versorgungssystems zugrunde gelegte Dotierungsrahmen auf Grund von Änderungen der Rechtslage zum Anpassungsstichtag um mehr als 50 % überschritten wird.
Gesetze: BGB § 313
Instanzenzug: ArbG Köln, 19 Ca 6441/04 vom ArbG Köln, 17 Ca 6034/04 vom LAG Köln, 10 (8) Sa 223/05 vom
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der den Klägern zustehenden Betriebsrente.
Der T e. V. gewährte seinen Arbeitnehmern bereits seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine Gesamtversorgung mit einer sog. Gesamtrentenfortschreibung. Danach wurde das ruhegeldfähige Einkommen des jeweiligen Ruhegeldempfängers nach Maßgabe des Anstiegs der Tabellen der Landesbesoldungsordnung Nordrhein-Westfalen fortgeschrieben. Hieraus wurde unter Zugrundelegung der individuellen Daten jährlich neu der Betrag der Gesamtversorgung errechnet. Auf den so ermittelten Betrag wurde der anrechnungsfähige Teil der aktuellen individuellen Sozialversicherungsrente angerechnet.
Am trat die mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossene "Betriebsvereinbarung über die Altersversorgung" (im Folgenden: BV 1976) in Kraft. Darin heißt es ua.:
"4. Ruhegehalt
Das Ruhegehalt wird auf der Grundlage der anrechnungsfähigen Dienstzeit und der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge berechnet.
...
6. Ruhegehaltfähige Dienstbezüge
6.1 Ruhegehaltfähige Dienstbezüge sind
- das Grundgehalt, das dem Mitarbeiter unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalles gezahlt wurde, oder die diesem entsprechenden Bezüge,
- der Ortszuschlag,
- sonstige für ruhegehaltfähig erklärte Zulagen.
6.2 Grundlage sind dabei die jeweils gültigen Grundgehalts- und Ortszuschlagsbeträge unter Berücksichtigung der entsprechenden Einteilung der Besoldungsgruppen und Dienstalters-/Ortszuschlagsstufen für Beamte des Landes NRW.
7. Höhe des Ruhegehalts
7.1 Das Ruhegehalt beträgt nach Vollendung einer 10jährigen anrechnungsfähigen Dienstzeit fünfunddreißig vom Hundert und steigt mit jedem weiteren Dienstjahr bis zum vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr um zwei vom Hundert, von da ab um eins vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge bis zum Höchstsatz von fünfundsiebzig vom Hundert.
...
8. Anrechnung anderer Versorgungsbezüge
8.1 Auf die betrieblichen Versorgungsleistungen werden angerechnet:
a) der Anteil von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bzw. Leistungen aus Befreiungsversicherungen, für die der T die Beiträge gezahlt hat und soweit der Rentenanteil auf die anrechnungsfähige Dienstzeit, höchstens 35 Jahre, entfällt;
b) die Hälfte der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bzw. Leistungen aus Befreiungsversicherungen, soweit sie nicht auf den freiwilligen Weiter- oder Höherversicherungsbeiträgen des Versorgungsempfängers beruhen und soweit sie nicht nach a) voll anzurechnen sind;
c) die Hälfte von Versorgungsbezügen aufgrund unverfallbarer Anwartschaft aus früheren Beschäftigungsverhältnissen.
...
12. Weihnachtsgeld
Versorgungsempfänger erhalten ein Weihnachtsgeld in Höhe ihrer Bruttoversorgungsbezüge des Monats November. Hiervon ausgenommen sind Versorgungsempfänger, deren Versorgungsbezüge sich aufgrund einer unverfallbaren Anwartschaft gemäß Ziffer 11 ergeben.
...
17. Leistungssicherung und -vorbehalte
...
17.2 Der T behält sich vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn
- die wirtschaftliche Lage des T sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert hat, daß ihm eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann,
oder
- der Personenkreis, die Beiträge, die Leistungen oder das Pensionierungsalter bei der gesetzlichen Sozialversicherung oder anderen Versorgungseinrichtungen mit Rechtsanspruch sich wesentlich ändern,
oder
- die rechtliche, insbesondere die steuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen, die zur planmäßigen Finanzierung der Versorgungsleistungen des T gemacht werden oder gemacht worden sind, sich so wesentlich ändert, daß dem T die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann,
oder
- der Versorgungsberechtigte strafbare Handlungen begeht, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen."
In der BV 1976 war die Gesamtrentenfortschreibung zwar nicht ausdrücklich festgeschrieben worden, sie wurde jedoch tatsächlich stets weiter praktiziert. Nachdem die BV 1976 mit Wirkung vom gekündigt worden war, schlossen der T e. V. und der Gesamtbetriebsrat unter dem eine neue "Betriebsvereinbarung zur Regelung der betrieblichen Altersversorgung" (im Folgenden: BV 1993) ab. Darin heißt es, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung:
"Präambel
...
Aus diesem Grunde halten es die Parteien für sachgerecht, die nachfolgenden Modifikationen an der Betriebsvereinbarung über die Altersversorgung vom auszurichten. ...
Artikel 2 - Modifikationen
...
§ 2 - zu Punkt 6
Punkt 6.2 wird wie folgt neu gefaßt:
'Grundlage für die erstmalig zu ermittelnden ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge ebenso wie für die laufenden, zeitgleich anzupassenden Versorgungsbezüge sind die jeweils gültigen Grundgehalts- und Ortszuschlagsbeträge unter Berücksichtigung der entsprechenden Einteilung der Besoldungsgruppen und Dienstalters-/Ortszuschlagsstufen für Beamte des Landes NRW.'
§ 3 - zu Punkt 8
(1) Punkt 8.1 a) wird wie folgt geändert:
'a) der Anteil von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bzw. Leistungen aus Befreiungsversicherungen, für die der T Beiträge gezahlt hat und soweit der Rentenanteil auf die anrechnungsfähige Dienstzeit entfällt, ausgenommen die Rentenanteile, die auf Zurechnungszeiten nach dem 55. Lebensjahr beruhen;'
(2) In Punkt 8.1 wird am Ende folgender 2. Absatz eingefügt
'Bei der Anrechnung der Anteile aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Gesamtversorgung wird auch nach Einführung der im RRG 92 festgelegten Zugangsfaktoren (§ 77 SGB VI) mit dem individuellen Zugangsfaktor, mindestens jedoch mit dem Zugangsfaktor 1,0 gerechnet.'
...
§ 5 - zu Punkt 12
(1) Punkt 12 Satz 1 wird wie folgt gefaßt:
'Die Versorgungsempfänger erhalten ein Weihnachtsgeld in Höhe von 50 % ihrer Bruttoversorgungsbezüge des Monats November.'
...
Art. 4 Inkrafttreten
Diese Betriebsvereinbarung tritt zum in Kraft."
Der im Januar 1940 geborene Kläger zu 1) war seit dem als Diplomingenieur im Arbeitsgebiet Abgastechnik beim T e. V. beschäftigt. Zum ging sein Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsübergangs auf die T S GmbH über. In diesem Unternehmen bestand zur damaligen Zeit keine Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung. Im Hinblick auf diesen Betriebsübergang bestätigte die Geschäftsführung des T e. V. dem Kläger mit Schreiben vom , dass die noch abzuschließende BV 1993 auch für ihn gelten werde. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der T S GmbH endete mit Ablauf des . Seit dem bezieht der Kläger eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit und eine Betriebsrente.
Die Klägerin zu 2) ist die Witwe des am verstorbenen K.
Der am geborene verstorbene Ehemann der Klägerin war seit dem beim T e. V. als Diplomingenieur im Arbeitsgebiet Wärme- und Kraftwirtschaft beschäftigt. Zum ging auch sein Arbeitsverhältnis auf die T S GmbH über. Der verstorbene Ehemann der Klägerin zu 2) war zum in den vorgezogenen Ruhestand getreten. Er bezog seitdem eine Rente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit sowie eine Betriebsrente. Seit dem Tode ihres Ehemannes erhält die Klägerin zu 2) Hinterbliebenenversorgung.
Mit Wirkung zum Beginn des Jahres 2004 trat die Beklagte durch Rechtsnachfolge in die Schuldnerstellung der T S GmbH ein.
Mit Schreiben vom teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten sämtlichen Versorgungsempfängern, so auch den Klägern, mit, dass sie beabsichtige, die laufende Anpassung ihrer Betriebsrente neu zu regeln, und bat die Kläger um entsprechende Zustimmung. Die beabsichtigte Neuregelung beschrieb die Rechtsvorgängerin der Beklagten dabei wie folgt:
"Ihre derzeitige Betriebsrente (Brutto-Zahlbetrag des Unternehmens) wird ab 2004 mit dem jeweils eingetretenen Erhöhungsprozentsatz der Tabellen der Landesbesoldungsordnung für Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen dynamisiert. Eine Berücksichtigung der Veränderungen Ihrer Sozialversicherungsrente im Rahmen der Gesamtversorgung erfolgt beginnend mit dem Jahr 2004 nicht mehr.
Ihre derzeitige jährliche Sonderzuwendung (Brutto-Zahlbetrag November 2003) wird beginnend mit dem Jahr 2004 ebenfalls mit dem jeweils eingetretenen Erhöhungsprozentsatz der Tabellen der Landesbesoldungsordnung dynamisiert."
Die Kläger verweigerten ihre Zustimmung. Des ungeachtet führte die Beklagte mit Wirkung ab dem die Neuregelung ein. Für den Kläger zu 1) wirkte sich die Änderung dahingehend aus, dass er ab dem monatlich 11,05 Euro und ab dem monatlich 22,20 Euro weniger an Betriebsrente erhielt. Für die Klägerin zu 2) ergab sich für die Zeit ab dem eine monatliche Differenz von 10,10 Euro und für die Zeit ab dem eine solche von 20,30 Euro.
Die Kläger haben die Ansicht vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt, einseitig in die Gesamtversorgungszusage mit Gesamtrentenfortschreibung einzugreifen. Sie habe auch keinen Anspruch auf Anpassung.
Durch die von ihr behaupteten Mehrbelastungen verwirkliche sich lediglich ein gesamtversorgungstypisches Risiko. Selbst bei Zugrundelegung der von der Beklagten ermittelten Mehrbelastungen liege eine Äquivalenzstörung nicht vor. Ebenso fehle es an einer Zweckverfehlung. Ein Gleichlauf der Entwicklung der aktiven Bezüge und der Betriebsrente sei nicht zur Geschäftsgrundlage der Gesamtversorgungszusage gemacht worden.
Der Kläger zu 1) hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 44,20 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 222,00 Euro brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem über die bislang gezahlten monatlichen Versorgungsbezüge iHv. 2.198,96 Euro brutto hinaus weitere 22,20 Euro brutto monatlich, insgesamt also Versorgungsbezüge iHv. 2.221,16 Euro brutto monatlich zu zahlen,
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch künftig die Anpassung seiner Versorgungsbezüge gemäß der Regelung in 6.2 der Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung vom in der Fassung der Änderungsvereinbarungen vom und durchzuführen.
Die Klägerin zu 2) hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 40,40 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 223,30 Euro brutto nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab dem über die bislang gezahlten monatlichen Versorgungsbezüge iHv. 973,17 Euro brutto hinaus weitere 20,30 Euro brutto monatlich, insgesamt also Versorgungsbezüge iHv. 993,47 Euro brutto monatlich zu zahlen,
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch künftig die Anpassung ihrer Versorgungsbezüge gemäß der Regelung in 6.2 der Betriebsvereinbarung zur Altersversorgung vom in der Fassung der Änderungsvereinbarungen vom und durchzuführen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt, die bisherige Gesamtrentenfortschreibung durch ein anderes Dynamisierungsverfahren zu ersetzen. Zum einen liege eine Zweckstörung vor. Ziel der Gesamtrentenfortschreibung sei es gewesen, den Versorgungsempfängern den Lebensstandard zu sichern, den sie als aktive Arbeitnehmer in ihrem Berufsleben erworben hätten. Dabei sei ein Gleichlauf zwischen der Erhöhung der Aktivenvergütung und der Erhöhung der Betriebsrenten zur Geschäftsgrundlage gemacht worden. Ferner liege eine Äquivalenzstörung vor. Infolge der Gesetzesänderungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts werde der Dotierungsrahmen, der ursprünglich zugrunde gelegt worden sei, nunmehr in einem Maße überschritten, das eine Anpassung notwendig mache. Ausweislich des von der T-Group in Auftrag gegebenen Gutachtens der Unternehmensberatung für Versorgung und Vergütung, H GmbH, von Dezember 2004 über die "Auswirkung der Änderungen in der gesetzlichen Rentenversicherung auf die betrieblichen Versorgungsverpflichtungen" belaufe sich der Barwert der Pensionsverpflichtung zum Stichtag unter Berücksichtigung der Gesetzeslage zum Zeitpunkt des jeweiligen Eintritts sämtlicher Pensionäre der T-Group in das Arbeitsverhältnis auf 193.100.913,00 Euro und der Barwert der Pensionsverpflichtungen zum selben Stichtag unter Berücksichtigung der Gesetzeslage Ende 2003 auf 256.440.375,00 Euro. Dies beinhalte eine Differenz von 63,3 Mio. Euro, dh. der ursprünglich festgelegte Dotierungsrahmen werde um 32,8 % überschritten. Zudem seien die Wirkungen zu berücksichtigen, die sich in Zukunft ergäben. Insoweit sei der Barwertvergleich zu ergänzen. Hier seien weitere 11,5 % in Ansatz zu bringen.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.
Gründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben den zulässigen Klagen zu Recht stattgegeben. Die Beklagte kann eine Anpassung der Versorgungszusagen wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) nicht verlangen.
A. Der Anwendung des § 313 BGB steht nicht entgegen, dass sowohl die BV 1976 als auch die BV 1993 unter Ziff. 17.2 einen Vorbehalt nach dem Muster in R 6a. Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 Buchst. b EStR 2005 (zuvor: Abschn. 41 Abs. 4 Nr. 2 EStR) enthalten, der eine Kürzung oder Einstellung der Versorgungsbezüge ua. dann ermöglicht, falls der Personenkreis, die Beiträge, die Leistungen oder das Pensionierungsalter bei der gesetzlichen Sozialversicherung oder anderen Versicherungseinrichtungen mit Rechtsanspruch sich wesentlich ändern. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats drückt dieser sog. steuerunschädliche Vorbehalt nur klarstellend aus, was von Rechts wegen ohnehin gilt. Er wirkt deshalb nur deklaratorisch und begründet kein eigenständiges Widerrufsrecht ( - 3 AZR 481/71 - AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 157 = EzA BGB § 242 Ruhegeld Nr. 15, zu III 1 a der Gründe; - 3 AZR 277/87 - BAGE 58, 167, zu II a der Gründe; - 3 AZR 396/02 - BAGE 106, 327, zu B II 3 c der Gründe), das einen Rückgriff auf § 313 BGB sperren könnte.
B. Die Beklagte kann nicht nach § 313 Abs. 1 BGB Anpassung der Versorgungszusagen verlangen. Die Geschäftsgrundlage ist nicht gestört.
I. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann sich eine Befugnis zur Anpassung eines Versorgungswerks wegen Störung der Geschäftsgrundlage dann ergeben, wenn sich die zugrunde gelegte Rechtslage nach Schaffung des Versorgungswerks wesentlich und unerwartet geändert und dies beim Arbeitgeber zu erheblichen Mehrbelastungen geführt hat (Äquivalenzstörung). So kann durch Änderungen des Steuer- und Sozialversicherungsrechts nach Schaffung des Versorgungswerks der ursprünglich zugrunde gelegte Dotierungsrahmen ganz wesentlich überschritten werden. Dabei braucht es sich nicht um einen einzigen gesetzgeberischen Eingriff zu handeln; die Geschäftsgrundlage kann auch durch eine Vielzahl von in diesem Umfang und mit diesen Konsequenzen nicht vorhersehbaren Verschiebungen gestört werden ( - 3 ABR 85/96 - BAGE 86, 312 mwN, zu B II 3 a der Gründe; - 3 AZR 292/99 - BetrAV 2003, 466 mwN, zu II 1 der Gründe).
Daneben oder im Zusammenhang damit kann es auch dadurch zu einer Störung der Geschäftsgrundlage kommen, dass auf Grund von Gesetzesänderungen der für den Arbeitnehmer bei Erteilung der Versorgungszusage erkennbar verfolgte Versorgungszweck nunmehr verfehlt wird (Zweckverfehlung). Dies nimmt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung an, wenn die unveränderte Anwendung der Versorgungszusage zu einer gegenüber dem ursprünglichen Versorgungsziel planwidrig eintretenden Überversorgung führen würde ( - 3 ABR 85/96 - BAGE 86, 312 mwN, zu B II 3 a der Gründe; - 3 AZR 292/99 - BetrAV 2003, 466 mwN, zu II 1 der Gründe).
II. Eine Störung der Geschäftsgrundlage unter dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlung liegt nicht vor.
Die Beklagte hat sich nicht auf Überversorgung berufen, sondern vorgetragen, es sei auch Geschäftsgrundlage der Gesamtrentenfortschreibung gewesen, dass sich die Gesamtversorgung und das Sozialversicherungsrecht und damit auch die Betriebsrente in gleicher oder ähnlicher Weise entwickeln würden. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich dabei überhaupt um einen Fall der Zweckverfehlung handeln würde, oder ob damit nicht lediglich geltend gemacht wird, eine Äquivalenzstörung liege schon bei einem geringeren Grad der Überschreitung des Dotierungsrahmens vor.
Unabhängig davon gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass ein ungefährer Gleichlauf der Entwicklung der Bezugsgrößen Geschäftsgrundlage war. Bei einer Gesamtversorgung gehen die Parteien gerade davon aus, dass sich die einzelnen Bemessungsgrundlagen verändern können. Vor diesem Hintergrund verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, ihm eine Versorgung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes seines ruhegehaltsfähigen Einkommens zu sichern, und dies unabhängig von etwaigen Änderungen im Sozialversicherungs- und Steuerrecht.
III. Auch eine Äquivalenzstörung liegt nicht vor.
1. Bei Gesamtversorgungszusagen kann eine Anpassung wegen Äquivalenzstörung nur dann verlangt werden, wenn der ursprüngliche Dotierungsrahmen auf Grund von Änderungen der Rechtslage um mehr als 50 % überschritten wird. Bei kollektiven Gesamtzusagen ist auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Belastung in dem Zeitraum zwischen der Schaffung des Versorgungssystems und dem Zeitpunkt, zu dem eine Anpassung verlangt wird, abzustellen. Dies ist grundsätzlich unternehmensbezogen anhand eines Barwertvergleichs festzustellen.
a) Die bei Schaffung des Versorgungswerks zugrunde gelegte Belastung muss um mehr als 50 % überschritten sein. Nur dann kann dem Arbeitgeber ein Festhalten an der ursprünglichen Zusage nicht mehr zugemutet werden.
Zwar hat der Senat mit Urteil vom (- 3 AZR 26/72 - BAGE 25, 146, zu B II 4 a der Gründe), also noch vor Inkrafttreten des BetrAVG, entschieden, dass eine Verteuerung der Lebenshaltungskosten von über 40 % zu einem derartigen Missverhältnis des Wertes der Pension führe gegenüber dem, was ursprünglich versprochen worden war, dass die Verweigerung eines jeden Ausgleichs das Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise verletze. In einem solchen Fall habe der Arbeitgeber deshalb mit dem Pensionär über eine Angleichung der Versorgung zu verhandeln. Diese "Opfergrenze" von 40 % lässt sich jedoch nicht auf Fälle wie den vorliegenden übertragen, in denen der Arbeitgeber eine Gesamtversorgung versprochen hat und nunmehr wegen Änderungen im Sozialversicherungsrecht, die sich zu seinen Lasten auswirken, die ursprüngliche Zusage anpassen will.
Zusagen, die Betriebsrenten im Rahmen einer Gesamtversorgung an die Entwicklung der Einkünfte aktiver Arbeitnehmer anbinden, sind ganz erheblichen Unsicherheiten ausgesetzt. Zur Zeit der Schaffung des Versorgungswerks ist nicht nur die allgemeine Vergütungsentwicklung ungewiss; Gesamtversorgungssysteme hängen notwendigerweise von der Entwicklung der Sozialgesetzgebung ab, so dass auch die Höhe der anrechenbaren Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung Schwankungen und sozialpolitischen Unwägbarkeiten unterliegt (vgl. - AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 6 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 37, zu I 2 b (1) der Gründe; - 3 AZR 64/84 - BAGE 54, 261, zu II 3 c (3) der Gründe). Dabei können sich die Berechnungsfaktoren der Betriebsrente sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Arbeitgebers bzw. Rentners verändern. Vor diesem Hintergrund bringt ein Arbeitgeber, der eine betriebliche Altersversorgung zusagt, die von derart ungewissen Faktoren abhängen soll, zugleich zum Ausdruck, dass er des ungeachtet für ein bestimmtes Versorgungsniveau einstehen will. Dies stellt die Übernahme eines gesteigerten Risikos dar und kommt einem Garantieversprechen sehr nahe. Hiervon kann der Arbeitgeber sich nur unter besonders strengen Voraussetzungen lösen. Wird die bei Schaffung des Versorgungswerks zugrunde gelegte Belastung allerdings um mehr als 50 % überschritten, so ist das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung so stark gestört, dass die Grenze des vom Arbeitgeber mit der Gesamtversorgungszusage übernommenen Risikos ebenfalls überschritten und sein Interesse auch nicht mehr annähernd gewahrt ist.
Dieser Maßstab wird auch nicht durch die Aufnahme des sog. steuerunschädlichen Vorbehalts in die BV 1976 und BV 1993 modifiziert. Wie unter A der Gründe bereits ausgeführt, hat dieser Vorbehalt nach der Rechtsprechung des Senats lediglich deklaratorische Wirkung. Er hat demnach nicht zur Folge, dass die Risiken nunmehr ausgewogen auf beide Seiten, nämlich den Arbeitgeber auf der einen Seite und die Betriebsrentner auf der anderen Seite, verteilt wären. An dem gesteigerten Risiko auf Seiten der Beklagten hat er nichts geändert.
b) Bei kollektiven Gesamtzusagen ist auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Belastung in dem Zeitraum zwischen der Schaffung des Versorgungssystems und dem Zeitpunkt, zu dem eine Anpassung verlangt wird, abzustellen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kommt es damit nicht auf den Beginn der einzelnen Arbeitsverhältnisse der nunmehrigen Betriebsrentner an.
Zwar ist für die Feststellung, ob der vom Arbeitgeber bei der Zusage zugrunde gelegte Dotierungsrahmen erheblich überschritten wurde, grundsätzlich auf einen Vergleich der rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Zeitpunkt der Versorgungszusage einerseits und deren späterer Veränderung andererseits abzustellen; gibt der Arbeitgeber jedoch - wie hier - eine kollektive Versorgungszusage ab, so muss auch die Störung der Geschäftsgrundlage in Bezug auf die Gesamtheit der Zusagen festgestellt werden. Dann ist als der Zeitpunkt der Versorgungszusage der Zeitpunkt anzusehen, in dem das Versorgungswerk geschaffen wurde; auf den Beginn des einzelnen Arbeitsverhältnisses kommt es dann nicht an. Dies hat der Senat bereits im Zusammenhang mit dem Abbau einer planwidrigen Überversorgung entschieden (vgl. - 3 AZR 100/98 - BAGE 89, 262, zu B I 1 b aa der Gründe). Diese Erwägungen gelten auch in Fällen der Äquivalenzstörung, in denen geltend gemacht wird, der ursprünglich zugrunde gelegte Dotierungsrahmen werde erheblich überschritten. Auch diese Frage kann nur in Bezug auf die Gesamtheit der Zusagen beantwortet werden.
c) Ob der ursprünglich zugrunde gelegte Dotierungsrahmen auf Grund von Änderungen der Rechtslage in dem erforderlichen Maße von 50 % überschritten wird, ist grundsätzlich unternehmensbezogen anhand eines Barwertvergleichs festzustellen. Dabei ist dieser Barwertvergleich bezogen auf einen identischen Bewertungsstichtag, nämlich den Anpassungsstichtag sowie bezogen auf einen identischen Personenbestand, nämlich die Gesamtheit der Rentner, die zum Anpassungsstichtag eine Versorgung nach den Regeln erhält, die angepasst werden sollen, durchzuführen. Maßgebend sind die Rechnungsgrundlagen und anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik. Zum Zwecke des Barwertvergleichs ist der aktuelle Barwert, dh. der Barwert der Pensionsverpflichtungen aus dem anzupassenden Versorgungswerk nach der Rechtslage zum Anpassungsstichtag, dem Ausgangsbarwert, dh. dem Barwert der Pensionsverpflichtungen aus dem ursprünglichen Versorgungswerk nach der bei dessen Schaffung maßgeblichen (ursprünglichen) Rechtslage gegenüberzustellen.
2. Die von der Beklagten geltend gemachte Mehrbelastung führt nicht zu einer Störung der Geschäftsgrundlage.
a) Der Senat konnte offenlassen, ob das Versorgungswerk, um dessen Änderung es vorliegend geht, bereits in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts oder erst durch die BV 1976 geschaffen wurde. Jedenfalls ist zur Ermittlung des Dotierungsrahmens zum Zeitpunkt der Schaffung des Versorgungswerks nicht auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der BV 1993 abzustellen. Zwar hatte die Beklagte ihre Belastungen bereits mit der BV 1993 reduziert. Dies betrifft insbesondere die Höhe des Weihnachtsgeldes und den Zugangsfaktor. Damit war jedoch ein Systemwechsel nicht vollzogen worden.
Es war bei dem Gesamtversorgungssystem mit Gesamtrentenfortschreibung geblieben. Nach Wortlaut, Inhalt und Aufbau der BV 1993 handelte es sich um "Modifikationen" der BV 1976, die sich an dieser "ausrichteten". Die Arbeitnehmer und Betriebsrentner konnten daraus nicht ableiten, dass die Beklagte auf ihr Recht verzichten wollte, sich auch für einen Zeitraum vor dem auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen. Ein entsprechender Vertrauenstatbestand konnte nicht entstehen (vgl. - BAGE 89, 262, zu B I 3 b aa (3) der Gründe).
b) Da eine Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage grundsätzlich nur auf Grund bis zum Anpassungsstichtag bereits eingetretener und nicht wegen künftig zu erwartender Veränderungen verlangt werden kann (vgl. -, zu II 2 a cc der Gründe; Wiese FS Zöllner S. 983, 998), sind von der von der Beklagten insgesamt geltend gemachten Mehrbelastung iHv. 44,3 % lediglich die bis zum Anpassungsstichtag zu verzeichnenden 32,8 % berücksichtigungsfähig. Damit wird die "Opfergrenze" von mehr als 50 % bei weitem unterschritten. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass sich ein höherer Prozentsatz ergäbe, wenn im Hinblick auf den Ausgangsbarwert nicht auf den Beginn der einzelnen Arbeitsverhältnisse, sondern auf den Zeitpunkt der Schaffung des Versorgungssystems abgestellt würde. Dafür liegen auch keine Anhaltspunkte vor.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 2188 Nr. 40
DB 2008 S. 1387 Nr. 25
EAAAC-80198
1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein